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Erneut Fake-Abmahnungen per E-Mail: Das sagen Verbraucherschützer und Kanzleien

Nutzern von Adobe Photoshop ist eine E-Mail mit einer Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung geschickt worden. Die Mail ist gefälscht – das Problem ist wiederkehrend.

Foto: imago

Dem Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz liegen Beschwerden von Verbrauchern aus sieben Bundesländern vor. Die Betroffenen erhielten per E-Mail eine Abmahnung, die sie dazu aufforderte, bis zu 4.000 Euro Schadenersatz zu zahlen. Als Sender waren bekannte Abmahn-Kanzleien angegeben, die die Verweise aufgrund einer angeblichen Urheberrechtsverletzung erteilten.

Was steckt dahinter?

Im Frühwarnnetzwerk der Verbraucherzentrale waren in den vergangenen Wochen vermehrt Beschwerden eingegangen: Die Betroffenen wurden beschuldigt, durch illegales Filesharing des Bildbearbeitungsprogramms Adobe Photoshop eine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben. Mit dem System beobachten und analysieren der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Verbraucherzentralen der Länder den Digital-Markt aus Perspektive der Nutzer.

Inhaltlich und gestalterisch sind die Abmahn-Mails kaum als gefälscht identifizierbar. Der Wortlaut der Kanzleien wie Waldorf Frommer, SKW Schwarz oder Schutt Waetke würden klassischen Anschreiben für Urheberrechtsverletzungen entsprechen, so die Verbraucherzentrale.

Neben der regelmäßigen Schadenersatzforderung sowie der Abgabe einer Unterlassungserklärung binnen neun Tagen enthalten die Spam-E-Mails außerdem einen Link, auf den der Empfänger klicken soll. Dieser kann zu einer Schadsoftware führen.

Was sagen ratgebende Kanzleien?

Derartige Fake-Abmahnungen sind den Kanzleien nicht neu. Seit einigen Jahren kämpfen Verbraucher mit gefälschten Abmahn-E-Mails und die Kanzleien mit dem Problem, dass ihre Namen von Kriminellen benutzt werden.

Das weiß auch Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke (wbs). wbs ist mit etwa 30.000 Mandanten die größte Rechtsanwaltskanzlei in Deutschland, die Verbraucher gegen reelle Abmahnungskanzleien vertritt.

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Auf einer Ratgeber-Seite erklärt er das Phänomen der Fake-Abmahnungen von insbesondere der größten Abmahnkanzlei Waldorf Frommer, die er als „leidigen Bekannten“ bezeichnet. Da Waldorf Frommer viele namhafte Mandanten aus der Medienbranche vertrete, wie EMI Music, SONY Entertainment und Universal Film, würden „massenhaft Abmahnschreiben verschickt“, deren Inhalt immer identisch sei. „Waldorf Frommer ist aber eine sehr seriöse Kanzlei“, so Solmecke im Gespräch mit futurezone. „Die Fake-Abmahnungen, die derzeit wieder per E-Mail im Umlauf sind, stammen von Trittbrettfahrern, auf die Verbraucher nicht reagieren sollten.“

Vor allem das Darknet vertreibe E-Mail-Adressdatenbanken in großem Stil, so Solmecke. Ein Ende der Fake-Abmahnungen sei deshalb erst einmal nicht in Sicht, denn „solange die Leute zahlen, geht die Show natürlich weiter.“

Was sagt eine betroffene Kanzlei?

„Natürlich kommen die Mails nicht von uns. Leider haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder mit Phänomenen wie diesem im kleinen und großen Stil zu tun“, sagt Marc Hügel, Gesellschafter bei Waldorf Frommer auf Anfrage von futurezone. „Wir versuchen in diesen Fällen natürlich, proaktiv zu agieren, vor allem natürlich persönlich am Telefon.“ Verbraucher informiert die Kanzlei dann in Meldungen über die eigene Website.

„In jedem Fall erstatten wir Strafanzeige gegen Unbekannt, bisher konnten jedoch nur ein bis zwei Strafbefehle an die tatsächlichen Urheber der Fake-Abmahnungen gelangen“, so Hügel.

„Bei einer Welle diesen Ausmaßes ist das natürlich sehr unwahrscheinlich. Deshalb hat uns bereits die Rückmeldung zur Einstellung des Verfahrens seitens der Strafverfolgungsbehörden erreicht.“

Als von einer Abmahnung betroffener Verbraucher sei man jedoch schlecht beraten, diese einfach wegzuwerfen. „Bei uns anzurufen, um eine Abmahnung zu prüfen, ist ein erster, wichtiger Schritt. Das Schlimmste sind schließlich Missverständnisse, die beiden Seiten die Arbeit am Ende erschweren, weil beispielsweise der Betroffene eine echte Rechtsverletzung ignoriert.“

Wie können Verbraucher echte von falschen Abmahnungen unterscheiden?

Dass viele Verbraucher zahlen, mag auch daran liegen, dass die Unterscheidung zwischen echten und falschen, aber täuschend echt aussehenden Abmahnungen, ein Hindernis darstellt. „Die Zustellungsform ist wichtig“, sagt Solmecke. „Bei wem eine Abmahnung elektronisch eingeht, sollte per se schon stutzig werden, da die seriösen Kanzleien so etwas nur per Post verschicken.“

Fake-Abmahnungen per Post seien wiederum extrem selten. „Als Verbraucher sollte ich mir folgende Fragen stellen: Passen Tatvorwurf und Tatzeitpunkt auf mich? Und auf welche Weise werde ich zur Zahlung aufgefordert?“ Die Prüfung dieser Details könne bereits viel über die Echtheit des Dokuments verraten. Einige Kriminelle fordern beispielsweise entweder dazu auf, per Bitcoin zu bezahlen oder das Geld auf ein Konto mit einer IBAN zu überweisen, die nicht aus Deutschland stammt, sagt Solmecke. Deutsche IBAN-Nummern würden immer mit DE beginnen. „Außerdem haben wir es mehrfach erlebt, dass der angebliche Tatzeitpunkt in der Zukunft lag.“ Solche Informationen sind gleich verdächtig.

Solmecke stimmt Hügel zu: In kritischen Fällen sollten sich die Betroffenen, neben der Verbraucherzentrale, auch an Kanzleien wenden. „Für den Fall, dass es sich nicht um einen Fake, sondern eine echte Abmahnung handelt, sind sie dann immerhin gleich an der richtigen Adresse und können die nächsten Schritte mit uns besprechen“, so Solmecke.

Was sagt die Verbraucherzentrale?

„Vom Prinzip her, würde ich sagen: Ab in die Tonne damit, also: löschen“, rät Barbara Steinhöfel, Re-ferentin für Telekommunikation und Digitale Medien der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz auf Anfrage von futurezone. Wer sich dennoch unsicher sei, ob er es mit einer ernstzunehmenden oder gefälschten Abmahnung zu tun habe, könne sich direkt an die Anwaltskanzleien oder an die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen wenden. Hinweise auf Fake-Abmahnungen können auch über ein Beschwerdepostfach an die Marktwächter direkt eingereicht werden.

Wie viele Verbraucher insgesamt von der aktuellen Welle an Fake-Mails betroffen sind, kann Steinhöfel nicht sagen. „Die Zahlen sind nicht wirklich seriös zu betrachten. Sieben Bundesländer sind betroffen, aber das sind auch nur die Verbraucher, die bis jetzt auch bei uns Beschwerde eingereicht haben.“

Solche Wellen gebe es leider immer wieder, mal mit Fantasiekanzleien, mal mit tatsächlich existierenden. „Das ist ein globales Problem, zu dem auch Bot-Netze beitragen, die Phishing-, Spam- oder Fake-E-Mails verbreiten“, sagt Steinhöfel. „Letztendlich können wir den Verbrauchern nur Tipps in die Hand geben, mit denen sie sich selbst besser schützen. Ein gesundes Misstrauen ist zum Beispiel ein Anfang. Informationen im Header einer E-Mail können meist schon etwas mehr über den Empfänger aussagen.“

Großes Misstrauen

Das Thema Fake-Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen polarisiert und scheint erst einmal unlösbar. „Auch die Kanzleien sind nicht davor gefeit, von Kriminellen instrumentalisiert zu werden“, sagt Rechtsanwalt Hügel. Bedauerlicherweise würden die Betrüger ein großes Misstrauen seitens der Verbraucher schüren. Das würde ihnen zu verstehen geben, dass letztlich alles erst einmal als Fake zu betrachten sei. „Ich denke, sämtliche Anwälte wären sich einig darin, wie nötig es ist, solchen Herrschaften das Handwerk zu legen.“

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