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Netflix weiß, was du sehen willst

Der Film-Anbieter Netflix nutzt einen besonderen Algorithmus dafür, den Kunden möglichst detaillierte Vorschläge zu unterbreiten. Auch neue Genre-Definitionen entstehen so.

Die Statseite einer Serie auf Netflix
Der Netflix-Algorithmus merkt sich auch

Der weltgrößte Video-Streaming-Dienst ist in 190 Ländern verfügbar. Dabei verfügt das US-Unternehmen über mehr als 250 Millionen verschiedenen Nutzer-Profile und an die 100 Millionen zahlenden Kunden. Das Geheimnis dieses Erfolges erklärt Europa-Sprecher Yann Lafargue: „Wenn ein Nutzer Netflix öffnet, haben wir zwischen 90 und 120 Sekunden Zeit. Wenn er in diesem Zeitraum nichts Relevantes für sich findet, haben wir ihn verloren und er schaut oder macht etwas Anderes.“

Unter dieser Prämisse ist es für Netflix essentiell, seinen Nutzern maßgeschneiderte Vorschläge zu unterbreiten. Wie aber funktioniert dieser Vorschlag-Algorithmus genau?

Erfindung neuer Genre-Definitionen

„Je personalisierter die Vorschläge sind, desto zufriedener sind die Kunden mit ihrem Nutzererlebnis“, sagt Mike Hastings, Director of Enhanced Content bei Netflix gegenüber futurezone. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Netflix angefangen, völlig neue Genres zu definieren. Es wurde erkannt, dass herkömmliche Genre-Bezeichnungen zum Finden passender Vorschläge nicht hilfreich sind. „Es geht in vor allem darum, verschiedene Filme und Serien in Genres zusammenzufassen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben“, sagt Hastings.

Daraus entstanden sind Bezeichnungen wie, „movies featuring strong female lead based on books“, „adrenaline rush race against time action and adventure“, „father-daughter-movies“ oder „french drama about friendship“.

Mitarbeiter weisen Schlagwörter zu

Um diese Genres zu entwickeln, ist es notwendig, dass den einzelnen Titel zahlreiche Schlagwörter zugeordnet werden. Um das gewährleisten zu können, beschäftigt der Streaming-Dienst zahlreiche Mitarbeiter in den einzelnen Märkten, die Film für Film und Episode für Episode durchschauen und mithilfe einer eigenen App die Titel mit Schlagwörter und Beschreibungen anreichern.

Dabei werden sämtliche Aspekte über Storyline, Erzählweise, Charaktere und Inhalt berücksichtigt. Werden beispielsweise Blut und offene Wunden gezeigt, wird Gewalt nur angedeutet oder handelt es sich rein um psychische Gewalt. Dasselbe gilt für die Protagonisten: Wie alt sind sie, woher kommen sie, welcher Typ Mensch sind sie und welchen Beruf haben sie. Daraus ergeben sich pro Titel zum Teil mehrere Hundert Schlagwörter.

Jede Sekunde zählt für Algorithmus

Sind die Filme und Serien erstmal mit den detaillierten Beschreibungen angereichert, geht es darum, die Titel für die einzelnen User zu platzieren. Dabei werden je nach Sehgewohnheiten und Vorlieben, die Titel für die Nutzer im passenden Kontext vorgeschlagen. Hat jemand in der Vergangenheit politische Dokumentationen konsumiert, wird für diesen Nutzer ein Film etwa als „Political TV-Dramas set in Washington DC“ angezeigt, während derselbe Film für jemand anderen vielleicht lediglich als „TV-Show set in Washington DC“ vorgeschlagen wird; dasselbe bei „violent action thrillers“ vs. „violent revenge movies“. Auch hier wertet Netflix aus, wie gut die einzelnen Titel in welchem Kontext angenommen werden und lässt diese Analyse wieder in den Vorschlag-Algorithmus einfließen.

Ebenso wird die Nutzung der App oder des Desktop-Interfaces ganz genau ausgewertet. „Jede Sucheingabe, jeder Klick und jede gesehene Sekunde wird analysiert und in die Vorschläge eingebracht“, erklärt Hastings. Schaut jemand nur wenig von einer Serie, dann lernt der Algorithmus, dass dieses Genre nichts für den jeweiligen User ist. Darüber hinaus fließt auch der exakte Zeitpunkt bei dem der User etwa einen Film verlässt, in den Algorithmus ein. Hastings: „Als in einer Serie ein Hund ermordet wurde, haben viele User an dieser Stelle abgedreht. Da haben wir gesehen, dass diese Kunden keine Gewalt an Tieren sehen wollen und die weiteren Vorschläge daran angepasst.“

Netflix-Interfaces werden an Nutzer angepasst

Auch die Art und Weise wie die einzelnen Titel in der App präsentiert werden, variiert von Nutzer zu Nutzer. „Basierend auf den aufgezeichneten Sehgewohnheiten werden den Nutzern die passenden Vorschaubilder zu den Serien und Filmen angezeigt werden“, so Hastings. Dabei setzt Netflix auch auf A-B-Tests ein, um herauszufinden, welche Bilder und Video-Clips bei welchen Usern zu mehr Interaktionen führen.

Um die Personalisierung an die Spitze zu treiben, experimentiert Netflix sogar mit personalisierten User-Interfaces. Allerdings gebe es dabei Probleme, all die einzelnen Interfaces aktuell zu halten, da diese Versuche zu einer starken Fragmentierung führen.

Entdeckungen meist über Genre-Vorschläge

„Nur rund zehn Prozent der konsumierten Titel werden über die Suchfunktion gefunden. 90 Prozent werden über die von uns unterbreiteten Vorschlägen entdeckt und konsumiert“, sagt der Netflix-Manager. „Die Leute wollen nicht lange Beschreibungen lesen, sie wollen Netflix so verwenden wie das Zapping beim klassischen TV-Konsum.“

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf futurezone.at.

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