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Gesundheitstipps im Netz bewegen sich teils in gesetzlichen Grauzonen

Mit dubiosen Gesunheitstipps wirbt die Zentrale der Gesundheit (ZdG) für verschiedene Produkte – und bewegt sich dabei in einer gesetzlichen Grauzone. Das Geschäft im Netz ist ein höchst zweifelhaftes.

Löffel mit Pillen auf einer Tastatur
Unter anderem das Zentrum der Gesundheit (ZdG) wirbt mit alternativen Heilungsmethoden und dubiosen Gesundheitstipps. Foto: imago / sepp spiegl

Kokosöl muss ein Wundermittel sein. Diesen Eindruck zumindest vermittelt das Zen­trum der Gesundheit (ZdG), eine beliebte Internetseite für Gesundheits- und Ernährungstipps. Das Öl könne das Immunsystem stärken, habe Vorteile fürs Abnehmen und könne sogar „die Symptome von Alzheimer lindern“, heißt es dort. Im angegliederten Onlineshop wird Kokosöl verkauft – für etwa 20 Euro pro Kilogramm, ein normaler Preis.

Alternative Heilungsmethoden

Die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft (DAlzG) verweist auf Anfrage auf ihre Stellungnahme vom Juni 2016. Titel: „Alzheimer – Halbwahrheiten und Heilsversprechen helfen nicht weiter“. „Der Zellstoffwechsel ist viel zu komplex, als dass ein einzelner Bestandteil der Nahrung solche Auswirkung haben könnte, wie vom Kokosöl behauptet wird“, ergänzt Dr. Winfried Teschauer, Neurobiologe und DAlzG-Mitglied.

Als Heilsversprechen würde das ZdG seinen Artikel gar nicht bezeichnen. Darin wird der Fall eines Alzheimer-Patienten beschrieben, der angeblich erfolgreich mit Kokosöl behandelt wurde. Am Ende wird betont, dass dieser Artikel „nichts weiter als ein Bericht über die Erfahrung eines Alzheimer-Patienten“ sei. Auf Anfrage teilt das ZdG mit: „Erfahrungsberichte motivieren dazu, sich nicht blindlings einer einzigen ,Heilmethode‘ anzuvertrauen, sondern sich umfassend zu informieren, welche weiteren Möglichkeiten es bei der jeweiligen Erkrankung noch gibt.“

Wenige vertrauenswürdige Seiten

Warum Menschen überhaupt auf wissenschaftlich nicht belegte Einzelfallberichte und weitere zweifelhafte Gesundheitsinformationen stoßen, zeigen zwei Studien: Die Bertelsmann-Stiftung hatte jüngst berichtet, dass die Hälfte aller deutschen Nutzer mindestens einmal pro Monat im Netz nach Gesundheitsthemen sucht.

Knapp jeder vierte davon kannte das ZdG. Die Seite ist damit bekannter als der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums und ähnlich bekannt wie gesundheitsinformation.de vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Iqwig). Der Prozentsatz der Nutzer, die allen drei Angeboten vertrauen, ist ähnlich hoch.

Eine im Fachmagazin „Oncology Research and Treatment“ erschienene Studie hatte schon 2016 ergeben, dass sich 80 Prozent der Krebspatienten im Internet über ihre Krankheit informieren. Und: Die Google-Ergebnisse einer Suche nach „Krebsdiät“ waren von Seiten mit mangelhaften Informationen dominiert. „Die Divergenz zwischen profitorientierten Seiten mit Inhalten von schlechter Qualität und den wenigen vertrauenswürdigen Seiten ist enorm“, schrieben die Autoren.

Texte in Massenproduktion

Eine Recherche mit dem Such-Analyse-Programm Sistrix zeigt, dass das ZdG bei knapp 330 Suchanfragen, die das Wort „heilen“ enthalten, von Google unter den ersten zehn Treffern gelistet wird. Auch bei Suchen nach „Laktoseintoleranz“, „Vitamin D“ und dem widerlegten Mythos von Impfungen, die Autismus verursachen, landet die Seite auf Platz eins. „Wir werden Ihrem Hinweis nachgehen und die Internetseite Zentrum der Gesundheit speziell prüfen“, lässt Google auf Anfrage mitteilen.

Dr. Klaus Koch, Ressortleiter Gesundheitsinformation beim Iqwig, nennt einen Grund für den Erfolg des ZdG: „Die Inhalte, die ich kenne, sind auf Reichweite bei Google optimiert und dazu geeignet, Menschen mit bestimmten Überzeugungen anzusprechen.“ Zu diesen zähle etwa eine Abneigung gegenüber der sogenannten Schulmedizin.

Gegenüber anderen Seiten habe das Portal einen Wettbewerbsvorteil, weil es keinen Standards für gute Gesundheitsinformationen folge. „Das macht es einfach, Texte in Massenproduktion herzustellen“, sagt Koch. Viele Artikel ließen sich mit Blick auf die Standards guter Gesundheitsinformationen „leicht auseinandernehmen“.

Rote Ampel für das ZdG

Für Google spiele das aber keine Rolle. „Auch auf den ersten Plätzen kann die Qualität in puncto Evidenz- und Wissenschaftsbasierung von null bis 100 reichen“, sagt Koch. Für den Nutzer, der sich gut über den Stand des Wissens informieren wolle, mache Google da zu oft keinen guten Job.

Ähnlich sieht es die Verbraucherzentrale Hamburg. Die verpasste 2013 dem ZdG in ihrem Check von Ernährungsportalen im Internet in allen drei getesteten Kategorien eine rote Ampel: „Verkaufsinteresse: groß, Transparenz der Informationen zum Anbieter: schlecht, Objektivität der Ernährungsberatung: mangelhaft.“

Das ZdG bezeichnete den Test als diffamierend. Die Leser wüssten, „dass wir grundsätzlich objektiv informieren“. Die überall auf der Seite beworbenen Produkte des Shops dienten lediglich der Ergänzung zu einer gesunden Lebensweise. Außerdem würden Produkte empfohlen, „hinter denen wir mit eigener Begeisterung und Überzeugung stehen“.

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Gesetzliche Grauzone

Wer dieses Wir ist, bleibt unklar. Im Impressum steht die Neosmart Consulting AG in der Schweiz. Personen, die für Seite oder Firma arbeiten, wollte das ZdG auf Anfrage nicht nennen. Was daran liegen könnte, dass die Seite sich in einem rechtlichen Graubereich bewegt. Gemäß der EU-Health-Claims-Verordnung dürfen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln nicht mit gesundheitsbezogenen Aussagen werben, die wissenschaftlich nicht belegt sind.

Beim ZdG finden sich jedoch jede Menge solcher Behauptungen. Die vielen Werbeanzeigen in den Artikeln führen aber zum Webshop der Fair Trade Handels AG. Verkauf und Gesundheitsaussagen sind also getrennt. Auf die Frage, in welcher Verbindung das ZdG zur Fair Trade Handels AG steht, antwortete das „Team vom Zentrum der Gesundheit“: „Die FTH ist ein Anzeigenkunde, der auf unserer Seite Werbung z. B. Banner schaltet.“ Bis vor einigen Jahren hieß es auf der Seite aber noch: „Für die Verkäufe der Produkte erhält die Neosmart Consulting AG eine Provision.“ Dieser Hinweis wurde gelöscht.

Kritik an mangelnder Transparenz

Darüber hinaus existieren zwischen dem ZdG und dem Shopbetreiber weitere Verbindungen. Beide Firmen hatten lange Zeit mit dem Schweizer Heinz Boksberger denselben Geschäftsführer. Und: Die Fair Trade Handels AG betreibt eine „Akademie der Naturheilkunde“, für die das ZdG unter fast jedem Artikel wirbt, ohne dies als Anzeige zu kennzeichnen. Eine Fernausbildung zum „Fachberater für holistische Gesundheit“ kostet dort knapp 1800 Euro.

Diese Verbindungen sind ebenso intransparent wie das Geschäftsmodell. Danach befragt, antwortet das ZdG-Team: „Händler, die hochwertige Produkte aus dem Bereich Lebensmittel, Naturheilkunde und Nahrungsergänzung anbieten oder Anbieter ganzheitlicher Fort- und Ausbildungen, können bei uns Werbeplatz mieten.“ Die Autoren der Artikel bleiben anonym, es seien „Heilpraktiker, Ernährungsberater, Medizinjournalisten etc.“

Diese Intransparenz kritisiert auch Marie-Luise Dierks. Die Professorin von der Medizinischen Hochschule Hannover leitet die dortige Patientenuniversität. Zwar gebe es beim ZdG auch seriöse Informationen, „empfehlen können wir die Seite aber nicht, weil viele Behauptungen nicht evidenzbasiert sind“, so Dierks. Teilweise seien die Empfehlungen zu Ernährung und Heilmethoden sogar gefährlich.

Nationales Gesundheitsportal

Aus diesem Grund hat die Verbraucherzentrale Berlin die Fair Trade Handels AG 2017 abgemahnt. Auf den „Rotwein-Extrakt Kapseln“, eines von vielen angebotenen Mitteln, die angeblich gegen Krebs helfen sollen, fehlte ein Warnhinweis, dass das Mittel nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden darf. Die Kapseln wurden daraufhin aus dem Shop entfernt.

Um das Problem zu lösen, dass seriöse Gesundheitsinformationen hinter zweifelhaften Angeboten verschwinden, plädieren Klaus Koch vom Iqwig und Marie-Luise Dierks für den Aufbau einer Alternative zur Google-Suche. Das Iqwig hat daher vor wenigen Tagen im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums den Konzeptentwurf für ein Nationales Gesundheitsportal veröffentlicht. Auf dem sollen geprüfte, evidenzbasierte Patienteninformationen angeboten werden, die sich etwa an den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften orientieren. Was dazu garantiert nicht gehöre, betont Dierks, seien ungeprüfte Erfahrungsberichte.

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