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Estland: Krankheitsvorhersage durch Gen-Datenbank der Bevölkerung

In der Medizin setzt die estnische Regierung auf revolutionäre Ansätze. Ein staatlicher Algorithmus soll basierend auf Gen-Profilen Krankheitsprognosen und Behandlungsvorschläge liefern.

Illustration von Menschen
Eine Biobank mit dem genetischen Profil von zehn Prozent der Bevölkerung soll in Estland künftig Krankheiten vorhersagen. Foto: imago/ Ikon Images

Schon im März gab die estnische Regierung bekannt, 100.000 Freiwillige für einen kostenlosen Gentest zu suchen, der im Rahmen des nationalen, personalisierten Medizinprogramms stattfinden sollte.

Am Ende dieser Testreihe soll eine Biobank stehen, die eine genomweite Genotypisierung der Bevölkerung vornimmt, und somit jene Personen alarmieren kann, die anfällig sind für Krankheiten wie Brustkrebs, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Detail bedeutet das die Erstellung personalisierter Gesundheitsberichte, die über das nationale E-Health-Portal ganz einfach für herkömmliche, medizinische Praxen nutzbar gemacht werden.

Weniger Gesundheitskosten, mehr Lebensqualität

Das Programm, das als Kooperation zwischen dem Institut für Genomforschung der Universität Tartu, dem Ministerium für soziale Angelegenheiten und dem Nationalen Institut für Gesundheitsentwicklung ausgeführt wird, hat sich durch die Identifizierung potenzieller Krankheitsträger zum Ziel gesetzt, einerseits die Kosten der Gesundheitsversorgung zu senken, und andererseits die Lebensqualität der Bürger zu erhöhen.

Bisher hat die estnische Biobbank auf Basis bereits vorhandener 50.000 Proben einen Algorithmus entwickelt, der Krankheiten vorhersagen kann. Die zusätzlichen 100.000 Proben, das heißt das genetische Profil von zehn Prozent der estnischen Bevölkerung, sollen dazu genutzt werden, diesen weiterzuentwickeln.

Verbesserte Behandlungsmethoden dank Prognose-Algorithmus

Neben der reinen Prognose ist es außerdem geplant, gegenwärtige Behandlungsmethoden zu verbessern. Zum Beispiel sollen Individuen identifiziert werden können, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von Arzneimittelnebenwirkungen betroffen sind. Am Ende wäre es dadurch einfacher, abgestimmt auf die eigenen Gene die passenden Medikamente und deren optimale Dosierung herauszufiltern.

Lili Milani, leitende Forscherin am Institut für Genomforschung der Universität Tartu, betont: „Unsere Teilnehmer müssen keine langen Formulare ausfüllen oder all ihre Gesundheitsdaten einreichen. Alles ist bereits digitalisiert. Wir können die Informationen der nationalen Gesundheitsdienste miteinander verbinden, um ein genetisches Profil der Teilnehmer zu erstellen.“

Nötige IT-Entwicklungen wurden angestossen

Um das Potenzial dieses sogenannten „genetischen Risikowertes“ aber nutzen zu können, stehen laut Milani noch sehr umfangreichen IT-Entwicklungen an. Gemeint ist zum Beispiel die Entwicklung einer Software, die Ärzten durch die Eingabe verschiedener Patientendaten das genetische Risiko sowie eine entsprechende Beratungsanleitung ausgibt.

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Auf der anderen Seite stehen Sicherheitsmaßnahmen im Vordergrund, die die Biobank für die Zukunft rüsten sollen. Teilnehmer werden ihre Daten jederzeit löschen lassen können, während Versicherungen und Strafverfolgungsbehörden der Zugriff darauf komplett versagt sein wird.

Bisher haben sich rund 38.000 Estländer für den Gentest registrieren lassen.

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