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Import-Stopp: Komplettes Aus für Russland-Gas – das kommt jetzt auf Verbraucher zu

Erdgas bleibt ein Schlüsselthema europäischer Energiepolitik. Sowohl die EU in Brüssel als auch die Bundesregierung in Berlin arbeiten daran, die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern zu verringern und gleichzeitig die Versorgung stabil zu halten.

Der russische Präsident Wladimir Putin leitet eine Videokonferenz mit Mitgliedern der Regierung im Kreml in Moskau
© IMAGO / SNA / futurezone.de [M]

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Erdgas bleibt ein geopolitisch sensibler Rohstoff – und ein entscheidender Faktor für Europas Energiezukunft. In Deutschland wird rund jeder zweite Haushalt – etwa 20 Millionen insgesamt – mit Erdgas beheizt. Doch die Europäische Union (EU) will bis 2028 vollständig auf Lieferungen aus Russland verzichten. Was einst fast die Hälfte des europäischen Gasbedarfs deckte, soll dann auf null sinken. Der Schritt ist in erster Linie geopolitisch motiviert, bringt aber weitreichende wirtschaftliche und klimapolitische Folgen mit sich: von neuen Energiepartnerschaften bis hin zu steigenden Kosten für Verbraucher*innen.

EU plant endgültigen Erdas-Ausstieg bis 2028

Am 20. Oktober 2025 einigten sich die Energieminister der EU-Staaten auf einen verbindlichen Fahrplan für den Ausstieg aus russischem Erdgas. Ab dem 1. Januar 2026 dürfen keine neuen Verträge mehr abgeschlossen werden, kurzfristige Spotverträge laufen bis spätestens 17. Juni 2026 aus. Bestehende Langfristverträge dürfen noch bis 1. Januar 2028 erfüllt werden – danach endet die Versorgung endgültig. Der Beschluss gilt als politische Einigung, die formale Verabschiedung durch das Europäische Parlament steht noch aus. Einige Mitgliedstaaten, vor allem Ungarn, die Slowakei und Österreich, drängen auf Ausnahmeregelungen und warnen vor Risiken für die Versorgungssicherheit.

Energiekommissar Dan Jørgensen betonte bereits zuvor: „Wir wollen den Import so schnell wie möglich stoppen, und auch in Zukunft, selbst wenn Frieden herrscht, sollten wir meiner Meinung nach keine russische Energie mehr importieren.“ Dabei handele es sich also keineswegs um eine vorübergehende Sanktion, sondern um eine Maßnahme, die „bestehen bleiben“ werde. „Meiner Meinung nach werden wir nach Abschluss dieses Abkommens nie wieder auch nur ein Molekül russischer Energie importieren.“

Zum Vergleich:
Der Anteil russischen Erdgases am europäischen Verbrauch ist stark zurückgegangen: 2021 lag er noch bei rund 45 Prozent, 2025 sind es nur noch etwa 13 Prozent. Vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine stammte damit fast die Hälfte des in Europa verbrauchten Erdgases aus Russland.

Gerade in den Punkten Öl und Erdgas gebe es derzeit noch Uneinigkeit, betonte der Kommissar für Energie und Wohnen in der Kommission zudem. Neben Ungarn und der Slowakei stelle sich auch Österreich gegen ein endgültiges Aus der Importe. Der Ernst der Lage sei dem 50-jährigen Socialdemokraterne-Politiker durchaus bewusst; immerhin sei es seine Aufgabe, „den betreffenden Ländern zu helfen, damit wir nicht riskieren, dass sie in eine Situation geraten, in der sie mit Herausforderungen bei der Versorgungssicherheit konfrontiert sind“.

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US-LNG soll Russlands Gas ersetzen

Parallel dazu setzt die EU auf andere Energiequellen. Am 21. August 2025 wurde ein erweitertes Energie-Rahmenabkommen mit den USA veröffentlicht. Innerhalb von drei Jahren sollen Energieträger im Wert von 750 Milliarden US-Dollar (USD) nach Europa geliefert werden, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der Generaldirektion für Handel und wirtschaftliche Sicherheit. Dazu gehören Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG), Öl und Kernbrennstoffe.

Das Abkommen ist allerdings nicht rechtlich bindend, sondern eine politische Absichtserklärung. Derzeit liegt das tatsächliche Handelsvolumen bei etwa 90 bis 100 Milliarden USD pro Jahr. Das Ziel von 250 Milliarden USD jährlich gilt als kaum erreichbar. Kritiker*innen warnen deshalb vor einer neuen Abhängigkeit – diesmal von amerikanischem Fracking-Gas, das wegen hoher Methanemissionen ökologisch problematisch ist.

Flüssigerdgas wird häufig als klimafreundlichere Brücke dargestellt. Doch das Treibhausgas Methan (CH4) macht die Bilanz problematisch:

  • Über 100 Jahre ist Methan 29,8-mal klimaschädlicher als Kohlenstoffdioxid (CO2).
  • Über 20 Jahre sogar 82,5-mal.

Bei Förderung, Transport und Verarbeitung entweichen regelmäßig relevante Mengen – sogenannter Methanschlupf. Die EU reagierte 2024 mit einer Methan-Verordnung (EU) 2024/1787, die ab 2027 strengere Standards und Importauflagen vorsieht.

Aktuell liegt das Handelsvolumen der Kommission zufolge jedoch nur bei 90 bis 100 Milliarden USD pro Jahr. Das politische Ziel von 250 Milliarden USD jährlich ist daher kaum erreichbar. Kritiker*innen warnen vor einer neuen Abhängigkeit – diesmal von amerikanischem Fracking-Gas, das ökologisch noch einmal anders bewertet werden muss.

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Deutschlands 20-Gigawatt-Strategie

Die Bundesregierung unter Friedrich Merz plant, bis 2030 bis zu 20 Gigawatt neue Gaskraftwerkskapazität zu schaffen – doppelt so viel wie die Vorgängerregierung. Diese Anlagen sollen nur im Bedarfsfall mit Erdgas oder LNG laufen und später auf Wasserstoff umgestellt werden. Das Bundeswirtschaftsministerium bereitet erste Ausschreibungen noch für 2025 vor. Die Finanzierung soll über einen Kapazitätsmarkt erfolgen; Details dazu stehen noch aus.

Auch die Versorgung mit Kernbrennstoffen möchte die Europäische Kommission diversifizieren. Reaktoren in Osteuropa, die bisher russische Brennelemente nutzten, werden auf westliche Hersteller wie Westinghouse und Framatome umgestellt, wie die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) in ihrem Jahresbericht für 2024 aufzeigt. Engpässe gibt es noch bei Urananreicherung und Umwandlung.

Auch setzt die EU auf Wasserstoff: Bis 2030 sollen zehn Millionen Tonnen in Europa selbst produziert und weitere zehn Millionen Tonnen importiert werden. Neue Gaskraftwerke müssen daher von Beginn an für den künftigen Einsatz von Wasserstoff vorbereitet sein.

Von ihnen plant die Bundesregierung unter Friedrich Merz bis 2030 bis zu 20 Gigawatt – also doppelt so viele Gaskraftwerke wie die Vorgängerregierung. Sie sollen nur im Bedarfsfall mit Erdgas beziehungsweise LNG laufen und perspektivisch auf Wasserstoff umstellen. Die Finanzierung soll über einen Kapazitätsmarkt erfolgen; das konkrete Ausschreibungsdesign befindet sich derzeit in Vorbereitung.

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Folgen für deutsche Haushalte

Die geopolitischen Beschlüsse wirken sich direkt auf private Haushalte aus:

KostenfaktorStand 2025Effekt für Verbraucher*innen
Mehrwertsteuer auf Gas19 % seit April 2024+ ca. 70 – 150 € pro Jahr
Netzentgelte Gas+ Ø 23 %, regional bis + 56 %+ 100 – 400 €
Gasspeicherumlage0,289 ct/kWh (seit 01.07.2025)+ ca. 58 €
CO₂-Preis55 €/t (2025)+ ca. 200 €
Neuer EU-Emissionshandel (ETS 2)Start 2027 – evtl. 2028weitere Preissteigerung für Gas, Öl, Benzin

Für viele bedeutet das mehrere Hundert Euro mehr auf der Gasrechnung. Beim Strom zeichnet sich dagegen leichte Entlastung ab: Durchschnittspreise sanken im April 2025 auf 40,1 Cent pro Kilowattstunde, bei günstigen Anbietern sogar auf 38,2 Cent pro Kilowattstunde.

Mit dem neuen Europäischen Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr (EU-ETS2) werden ab 2027 fossile Brenn- und Kraftstoffe wie Erdgas, Heizöl, Benzin und Diesel noch einmal teurer. Für Haushalte bedeutet das zusätzlichen Druck, auf klimafreundlichere Technologien umzusteigen – etwa Wärmepumpen, Photovoltaik-Anlagen oder Elektroautos.

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Zwischen Versorgungssicherheit und Klimazielen

Ein zentrales Instrument, mit dem die EU ihre neue Unabhängigkeitsstrategie energetisch-klimatisch absichert, ist die Methanregulierung (EU) 2024/178). Sie verpflichtet ab 2027 Importeure fossiler Energieträger dazu, den Methanausstoß entlang der gesamten Lieferkette systematisch zu überwachen, zu berichten und zu verifizieren – sogenannte MRV-Standards. Exporteure aus Drittstaaten müssen äquivalente Mess- und Kontrollverfahren nachweisen, damit ihre Produkte überhaupt auf den europäischen Markt gelangen dürfen.

Die Verordnung legt zudem die Vorlage von Emissionsdaten fest und sieht bei Verstößen empfindliche Sanktionen vor. Parallel dazu tritt mit dem neuen Europäischen Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr (EU-ETS2) ab 2027 eine weitere Kostensteigerung für fossile Energien in Kraft – eine Verschiebung auf 2028 ist nur möglich, falls die Energiepreise außergewöhnlich hoch sind.

Der Ausstieg aus russischem Erdgas ist ein historischer Schritt hin zu mehr Unabhängigkeit. Doch er birgt auch das Risiko neuer Abhängigkeiten – und stellt die Klimapolitik auf die Probe.

Für Deutschland ist der Bau von 20 Gigawatt neuer Gaskraftwerke ein Balanceakt: Sie müssen als Sicherheitsnetz dienen, ohne zu dauerhaften fossilen Investitionsruinen zu werden. Für Haushalte ist die neue Energieordnung längst spürbar: in Form von Steuern, Umlagen und Gebühren, die den Preis für Versorgungssicherheit und Energiewende sichtbar machen.

Quellen: Europäische Kommission; Verordnung (EU) 2024/1787; Europäische Atomgemeinschaft

Hinweis: Ukraine-Hilfe

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