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Statt Russland: Das ist jetzt unser größter Erdgas-Lieferant – mit Folgen für deutsche Haushalte

Erdgas ist weiterhin ein wichtiger Energieträger in Deutschland. Doch die Herkunft der Importe hat sich stark verändert.

Der russische Präsident Wladimir Putin beobachtet Truppen bei einer Kampfübung während der gemeinsamen strategischen Militärübung „West 2025” auf dem Militärübungsgelände Mulino
© IMAGO / ZUMA Press / futurezone.de [M]

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Bis vor wenigen Jahren war Russland der bedeutendste Erdgaslieferant für Deutschland. Seit dem Ende der Pipeline-Lieferungen im Jahr 2022 hat sich die Energieversorgung jedoch grundlegend verändert. Inzwischen ist Norwegen zum wichtigsten Partner in der deutschen Gasversorgung aufgestiegen – mit deutlich spürbaren Folgen für private Haushalte.

Erdgas: Norwegen auf die Eins

Nach Zahlen der Bundesnetzagentur importierte Deutschland im Jahr 2024 rund 865 Terawattstunden (TWh) Erdgas. Fast die Hälfte davon – 48 Prozent – kam aus Norwegen. Dahinter folgen die Niederlande mit 25 Prozent und Belgien mit 18 Prozent. Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG), das über die neuen Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel oder Rügen angelandet wurde, machte etwa 68 TWh beziehungsweise acht Prozent der Gesamtimporte aus.

Russland dagegen spielt in der Statistik keine Rolle mehr. Seit Anfang 2023 weist die Bundesnetzagentur keine russischen Pipeline-Mengen mehr aus, und am 1. Januar 2025 endete auch der letzte Transit über die Ukraine.

Gemessene Gasflüsse, die nach Deutschland importiert worden sind (ohne inländische Gasproduktion)
Die Daten beruhen auf Berechnungen der Bundesnetzagentur auf Basis von Daten der Fernleitungsnetzbetreiber.
Letzte Aktualisierung 11.09.2025, 01:16 Uhr Credit: Bundesnetzagentur

Die Entwicklung der Importflüsse zeigt deutlich, wie sich die Herkunft des deutschen Erdgases in den vergangenen Jahren verschoben hat. Während bis Mitte 2022 noch erhebliche Mengen aus Russland nach Deutschland gelangten, sind diese Lieferungen seit dem Stopp der Nord-Stream-Pipeline nahezu vollständig entfallen. An ihre Stelle traten vor allem höhere Volumina aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden, die inzwischen das Rückgrat der Versorgung bilden.

Auch der zunehmende LNG-Anteil ist deutlich erkennbar. Seit der Inbetriebnahme mehrerer Terminals in Norddeutschland ab Ende 2022 konnten regelmäßig zusätzliche Mengen importiert werden, die das Pipelinegas ergänzen. Damit hat sich die Importstruktur insgesamt diversifiziert – die Abhängigkeit von einem einzigen Großlieferanten wie früher Russland besteht heute nicht mehr.

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Verbrauch bleibt gedämpft

Der Gasverbrauch stieg 2024 leicht an – auf 844 TWh, ein Plus von 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verglichen mit den Jahren vor der Energiekrise liegt er jedoch noch immer deutlich niedriger. Im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 verbrauchte Deutschland 14 Prozent mehr Gas. Haushalte und kleinere Gewerbebetriebe haben ihren Bedarf um 17 Prozent reduziert, die Industrie um 12 Prozent.

„Einfluss auf den Gasverbrauch hatten auch die Temperaturen“, erklärt die Bundesnetzagentur. „Sie lagen 2024 im Mittel knapp 0,9 °C über dem Durchschnitt der Jahre 2018-2021. Vor allem der Februar lag 4,4 °C über dem Monatsmittel, Januar und Dezember 2024 hingegen waren jeweils um rund 0,5 °C kälter als die Vergleichswerte der Vorjahre.“ Allerdings ist die geringe Nachfrage nicht ausschließlich auf die Witterung zurückzuführen, sondern auch auf dauerhafte Effizienzsteigerungen und den Einsatz alternativer Heiztechnologien wie Wärmepumpen.

Zum anderen verdeutlicht die Entwicklung, dass Temperaturschwankungen kurzfristig große Auswirkungen haben können: Ein besonders kalter Wintermonat kann den jahreszeitlichen Rückgang schnell überlagern. Für die Versorgungssicherheit bedeutet das, dass Speicherfüllstände und flexible Importkapazitäten entscheidend bleiben, um solche Spitzen abzufedern.

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Flüssigerdgas gewinnt an Gewicht

Parallel wächst der Anteil von LNG kontinuierlich. Im Juni 2025 stammten im Schnitt bereits 13 Prozent der täglichen Gasimporte aus diesem Energieträger. Der überwiegende Teil dieser Lieferungen kommt aus den USA, die sich in kurzer Zeit zu einem der wichtigsten Partner Deutschlands im Gasbereich entwickelt haben. Damit rangiert das Flüssiggas inzwischen auf Platz vier der zentralen Bezugsquellen und folgt direkt hinter Norwegen, Belgien und den Niederlanden, die zusammen den Großteil der Versorgung abdecken.

Für die Versorgungssicherheit stellt diese Entwicklung einen klaren Vorteil dar. Anders als Pipeline-Gas ist LNG kurzfristig und flexibel auf dem Weltmarkt beschaffbar, sodass Schwankungen bei anderen Lieferanten besser ausgeglichen werden können. Gleichzeitig bringt diese Flexibilität aber auch neue Abhängigkeiten mit sich. Vor allem die Preisgestaltung ist stark vom Wettbewerb mit asiatischen Abnehmer*innen geprägt, die ebenfalls große Mengen Flüssigerdgas benötigen. Wer dort die höheren Preise bietet, erhält die Lieferung – und Deutschland muss entsprechend reagieren, wenn es sich im globalen Bieterkampf behaupten will.

Der jüngste Anstieg ist eng verknüpft mit dem gezielten Ausbau der Infrastruktur in Deutschland, betont der Statista-Datenjournalist René Bocksch. „Seit der Inbetriebnahme mehrerer Terminals – unter anderem in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Rügen – hat sich die technische Kapazität zur Aufnahme von LNG deutlich erhöht.“ Durch diese zusätzlichen Standorte wurde es möglich, mehr Tanker mit Flüssigerdgas direkt anlanden zu lassen und so die Abhängigkeit von Transitpunkten in Nachbarländern zu verringern. Das erhöht nicht nur die Importmengen, sondern stärkt auch die Unabhängigkeit und Flexibilität der deutschen Gasversorgung insgesamt.

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Preise zwischen Beruhigung und Unsicherheit

Nach den dramatischen Preissprüngen von 2022 haben sich die Märkte deutlich beruhigt. Laut Statistischem Bundesamt zahlte Deutschland im ersten Halbjahr 2025 je nach Monat zwischen 36 und 52 Euro pro Megawattstunde (€/MWh) für seine Gasimporte. Das ist weit unter den Spitzenwerten von über 200 €/MWh im Krisenjahr 2022, aber immer noch über dem Niveau der Jahre davor.

Die Unsicherheit bleibt. Nach dem vergleichsweise kalten Winter 2024/25 lagen die europäischen Gasspeicher im Frühjahr rund 25 Milliarden Kubikmeter unter dem Vorjahreswert. Um diese Lücke zu schließen, müssen Importe im Sommer hochgefahren werden, was die Preise treiben kann. Gleichzeitig gilt: Je kälter oder windärmer ein Winter ausfällt, desto stärker steigt die Nachfrage nach (Flüssig-)Erdgas für Heizung und Strom. Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet deshalb, dass Europas LNG-Importe 2025 um rund 25 Prozent zulegen werden.

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Folgen für Haushalte

Für Haushalte bedeutet die neue Lage: Die Versorgung gilt als gesichert – nicht zuletzt, weil die Speicher bereits im Juli 2024 einen Füllstand von 85 Prozent erreichten und Anfang November sogar 98 Prozent. Gleichzeitig bleibt der Gaspreis anfällig für globale Schwankungen. Wenn Asien besonders viele LNG-Lieferungen nachfragt oder ein kalter Winter den europäischen Verbrauch in die Höhe treibt, können auch deine Heizkosten wieder steigen. Umgekehrt gilt: Ein milder Winter und ein hoher Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung wirken preisdämpfend.

Die gute Nachricht:
Weil Haushalte in den letzten Jahren spürbar effizienter geworden sind, liegt der Gesamtverbrauch deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Wer zusätzlich in Wärmepumpen investiert oder die Heizung optimiert, kann seine Abhängigkeit von Preisschwankungen weiter senken.

Mit Norwegen als größtem Lieferanten und LNG als flexiblem Baustein hat Deutschland die Abhängigkeit von Russland überwunden. Doch die neue Stabilität hat ihren Preis: Die Sicherheit der Versorgung ist größer, die Sensibilität gegenüber globalen Preisschocks ebenfalls. Für dich bedeutet das, dass die Gasrechnung in Zukunft nicht mehr von Russland abhängt – wohl aber von der Entwicklung auf dem internationalen LNG-Markt.

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Mehr Vielfalt und staatliche Eingriffe

Seit 2022 hat Deutschland seine Lieferbasis nicht nur in Richtung Norwegen verschoben, sondern auch die Import-Infrastruktur deutlich diversifiziert. Neben Pipelinebezügen wächst der Anteil verflüssigten Erdgases (LNG), neue Terminals und Floating-LNG-Anlagen wurden geplant beziehungsweise in Betrieb genommen, um Versorgungslücken zu schließen und Lieferquellen flexibler zu gestalten.

Parallel dazu spielen Füllstände und staatliche Maßnahmen eine zentrale Rolle für Haushalte. Deutschland hat seit 2022 auf einen stärkeren Speicheraufbau und Entlastungspakete gesetzt, und jüngste Berichte der Nachrichtenagentur Reuters zeigen, dass die Speicherstände überwiegend gut gefüllt sind, während die Bundesregierung Entlastungen sowie die Abschaffung der Speicherumlage nutzt, um Preiswirkungen für Privathaushalte abzumildern.

Das erklärt, warum sich die Versorgungslage stabilisiert hat, aber auch, weshalb die Entwicklung von Terminallösungen und die Politik weiterhin direkten Einfluss auf Gaspreise und Haushalts-Rechnungen haben.

Quellen: Bundesnetzagentur; Statista; „Gas Market Report, Q2-2025“ (IEA, 2025); Reuters

Hinweis: Ukraine-Hilfe

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