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Merz-Regierung: Neue Erdgas-Regeln Ende 2025 erwartet – diese Haushalte könnten profitieren

Gaskraftwerke rücken ins Zentrum der deutschen Energiepolitik. Zwischen Versorgungssicherheit und Klimarisiken entscheidet sich ihre Zukunft als Brückentechnologie.

Bundesministerin für Wirtschaft und Energie Katherina Reiche (CDU)
© IMAGO / dts Nachrichtenagentur / futurezone.de [M]

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In der deutschen Energiepolitik zeichnen sich neue Weichenstellungen ab. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche kündigte auf dem Stadtwerkekongress in Mainz an, dass bis Ende 2025 neue Rahmenbedingungen stehen könnten. Geplant ist, Gaskraftwerke stärker in den Fokus zu rücken, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Während Reiche sie als notwendige Übergangstechnologie für eine klimafreundlichere Energiezukunft beschreibt, warnen Expertinnen und Experten vor den unterschätzten Risiken und Klimafolgen fossiler Energieträger.

Gaskraftwerke als Brücke – aber wie lang?

Reiche stellte klar, dass neue Kapazitäten gebraucht werden: Rund zwölf Gigawatt steuerbare Leistung sollen aufgebaut werden, um die schwankende Stromproduktion aus Wind und Sonne abzufedern. Die ersten Ausschreibungen für neue Anlagen sind allerdings nicht mehr, wie zunächst geplant, für dieses Jahr vorgesehen, sondern erst für 2026. Ende 2025 wolle das Ministerium lediglich das Ausschreibungsdesign, also das Regelwerk für die Vergabe der Aufträge für neue Gaskraftwerke, bekannt machen. Bis Mitte 2026 soll Klarheit herrschen, wie die Finanzierung dieser Projekte aussehen wird.

Für Reiche ist die Richtung eindeutig. So zitiert die Zeitung für kommunale Wirtschaft vom Stadtwerkekongress: „Gas ist besser als Kohle. Gas mit CCS ist noch besser.“ CCS meint in diesem Kontext Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2) aus den Abgasen von Gaskraftwerken, damit diese trotz fossiler Brennstoffe mit deutlich geringeren Emissionen betrieben werden können.

Mit dieser Formel unterstrich die Ministerin also die Bedeutung von Technologien zur CO2-Abscheidung, die Gaskraftwerke klimaverträglicher machen sollen. Wissenschaftlich ist jedoch umstritten, wie groß dieses Potenzial tatsächlich ist. Der Weltklimarat (IPCC) sieht CCS als mögliches Instrument zur Emissionsminderung, betont aber gleichzeitig, dass hohe Kosten, technische Unsicherheiten sowie die Gefahr eines Lock‐in-Effekts bestehen, wenn dadurch der konsequente Ausstieg aus fossilen Energieträgern verzögert wird.

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Neue Regeln ab Ende 2025

Schon bevor die ersten neuen Gaskraftwerke gebaut werden, treten Regeln in Kraft, die die Branche unmittelbar betreffen. Dazu gehört die geplante Abschaffung der Gasspeicherumlage, die seit 2022 die Füllung von Gasspeichern finanziert. Endet sie wie vorgesehen Ende 2025, würden private Haushalte ab Januar 2026 spürbar entlastet – ein durchschnittlicher Haushalt mit 20.000 Kilowattstunden Verbrauch spart etwa 60 Euro im Jahr.

Parallel passt die Bundesregierung das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) an. Damit werden Vorgaben der neuen europäischen Gasbinnenmarktrichtlinie umgesetzt. Verbraucher*innen sollen künftig leichter den Anbieter wechseln können, und im Fall einer Insolvenz bleibt die Versorgung gesichert. Auch für Betreiber*innen von Gaskraftwerken bedeutet das mehr Regulierung: Sie müssen ihre Netzintegration anpassen und sich gleichzeitig auf strengere europäische Umweltvorgaben einstellen.

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Methan-Verordnung und wissenschaftliche Kritik

Besonders ins Gewicht fällt die neue Methan-Verordnung (EU) 2024/1787, die ab Mai 2025 verbindlich wird. Methan ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, die der Weltklimarat bereits 2021 veröffentlichte, rund 82-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid über einen Zeitraum von 20 Jahren. Gaskraftwerke selbst sind nicht die Hauptquelle dieser Emissionen – es geht vor allem um Lecks in der Förderung und im Transport. Dennoch werden Betreiber verpflichtet, Programme zur Lecksuche und Reparatur vorzulegen.

Das Umweltbundesamt wies in einem schon 2023 veröffentlichten Bericht darauf hin, dass diese Maßnahmen zwar einen wichtigen Schritt darstellen, aber nicht alle Probleme lösen. Selbst wenn Methanverluste sinken, bleibt Erdgas ein fossiler Energieträger, der CO2-Emissionen verursacht. Langfristig, mahnen die Fachleute weiter, könne Versorgungssicherheit nicht allein durch den Bau neuer Gaskraftwerke garantiert werden, sondern nur durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien und Speichertechnologien.

Grafik: Vergleich der Methanemissionen (CH₄) in der Europäischen Union nach Sektor in den Jahren 1990 und 2023 (in Kilotonnen CO₂-Äquivalent).
Vergleich der Methanemissionen (CH₄) in der Europäischen Union nach Sektor in den Jahren 1990 und 2023 (in Kilotonnen CO₂-Äquivalent). Die Darstellung zeigt deutliche Rückgänge in fast allen Bereichen, insbesondere im Kohlebergbau (−73 %) und in der Abwasserbehandlung (−56 %). Die Rinderhaltung bleibt jedoch mit Abstand die größte Einzelquelle. Credit: European Energy Agency / futurezone.de

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Zwischen Sicherheit und Klimaschutz

Die Bundesregierung steht damit vor einem Balanceakt. Einerseits drängen Stadtwerke und Industrie auf den schnellen Ausbau von Gaskraftwerken, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten. Andererseits warnen wissenschaftliche Institutionen davor, sich in einer neuen fossilen Abhängigkeit einzurichten. Milliardeninvestitionen in CCS-fähige Gaskraftwerke könnten zu Lock-in-Effekten führen: Sind die Anlagen erst einmal gebaut, werden sie womöglich jahrzehntelang betrieben – auch dann, wenn erneuerbare Alternativen längst wirtschaftlicher wären.

Reiche betont die Notwendigkeit konkreter Projekte, die von den Bundesländern ausgelobt werden sollen. Für sie scheint klar: Ohne Gaskraftwerke kann die deutsche Energiewende nicht gelingen. Doch der Zeitplan – Ausschreibungen ab 2026, Klarheit über die Finanzierung ebenfalls erst Mitte 2026 – zeigt, dass noch viele offene Fragen bleiben.

Ab Ende 2025 kommen damit wichtige Veränderungen auf Gaskund*innen zu: Die Gasspeicherumlage soll fallen, neue Verbraucher*innenrechte treten in Kraft, und mit der Methan-Verordnung beginnt eine strengere Regulierung. All das schafft die Grundlage für den geplanten Ausbau von Gaskraftwerken, die ab 2026 ausgeschrieben werden sollen.

Ob sie jedoch tatsächlich die Rolle einer Brückentechnologie erfüllen können oder ob sie am Ende den Ausstieg aus fossilen Energien verzögern, ist eine Frage, die die Energiepolitik und die Wissenschaft in den kommenden Jahren intensiv begleiten werden. Sicher ist nur: Die kommenden Reformen betreffen nicht nur Betreiber*innen, sondern auch jeden Haushalt, der Erdgas nutzt – sei es für Wärme, Strom oder beides.

Quellen: Zeitung für kommunale Wirtschaft; „AR6 Synthesis Report: Climate Change 2023“ (IPCC, 2023); Amtsblatt der Europäischen Union; „Climate Change 2021: The Physical Science Basis“ (IPCC, 2021); „Carbon Capture and Storage: Diskussionsbeitrag zur Integration in die nationalen Klimaschutzstrategien“ (UBA, 2023)

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