Seit dem Wegfall der russischen Gaslieferungen ist Norwegen Deutschlands wichtigster Erdgas-Lieferant. 2023 stammten rund 43 Prozent der deutschen Gasimporte aus Norwegen – mehr als aus den Niederlanden oder Belgien. Auch 2024 blieb das Land mit etwa 865 Terawattstunden Importmenge Spitzenreiter. Auf EU-Ebene lieferte Norwegen zuletzt rund die Hälfte aller Pipelineimporte.
Norwegens wichtigsten Erdgas-Quellen
Norwegens Erdgas stammt im Wesentlichen aus zwei Schelfsystemen: der Nordsee und der Norwegischen See. Die Lagerstätten liegen mehrere Hundert Kilometer vor der Küste, in Wassertiefen von 100 bis über 1.000 Metern. Etwa 95 Prozent der norwegischen Erdgasproduktion werden dem Energieministerium des Landes zufolge über ein eng verknüpftes Pipeline-Netz in die EU exportiert.
Zu den wichtigsten Förderfeldern zählen…
- … in der Nordsee Troll, Sleipner, Statfjord, Oseberg, Ekofisk und Kvitebjørn.
- … in der Norwegischen See Ormen Lange, Åsgard, Kristin, Morvin, Heidrun und Aasta Hansteen.
Das Feld Troll ist das größte Gasvorkommen des Landes und liefert, betrieben von Equinor, rund 40 Prozent der norwegischen Reserven. Es liegt in etwa 1.00 Metern Tiefe und wird aus der Sognefjord-Formation erschlossen, entstanden vor etwa 155 Millionen Jahren im späten Jura. Die feinkörnigen Sandsteine, aus denen sie besteht, weisen eine außergewöhnlich hohe Porosität und Permeabilität auf – entscheidend für die effiziente Speicherung und Förderung des Erdgases.
Ormen Lange, in der Norwegischen See, liefert sehr „trockenes“ Erdgas mit geringem Kohlendioxid (CO2)-Anteil aus der Egga-Formation des Paläozäns. Das weiter nördlich liegende Aasta Hansteen-Feld gewinnt Gas aus der Nise-Formation der Oberkreide.
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Vom Feld zur Anlage – und dann nach Deutschland
Das geförderte Erdgas wird an Land in drei großen Anlagen aufbereitet. In Kårstø (Rogaland) werden Gasströme mit höherem Flüssiganteil getrocknet und von Kondensaten getrennt. Die Anlage hat laut dem staatlichen Betreibers Gassco eine Exportkapazität von rund 97 Millionen Kubikmetern pro Tag und speist die Pipeline Europipe II ein. Kollsnes, westlich von Bergen, verarbeitet Gas aus Troll, Kvitebjørn und Visund. Es kann bis zu 143 Millionen Kubikmeter täglich liefern. Nyhamna, an der Westküste bei Åndalsnes, ist die Zentrale für Ormen Lange und Aasta Hansteen mit einer Kapazität von 84 Millionen Kubikmetern (m3) pro Tag.
Drei Hauptleitungen verbinden Norwegens Gassco-Netz direkt mit Deutschland:
- Norpipe (1977): führt vom Ekofisk-Gebiet nach Emden, mit etwa 16 Milliarden m3 Kapazität pro Jahr.
- Europipe I (1995): verläuft von der Plattform Draupner E bis nach Dornum / Emden und transportiert rund 18 Milliarden m3 jährlich.
- Europipe II (1999): startet in Kårstø und endet ebenfalls in Dornum; Kapazität rund 24 Milliarden m3 pro Jahr.
In Dornum und Emden wird das Erdgas gemessen, auf Qualität geprüft und in das deutsche Fernleitungsnetz eingespeist. Eigentümer der Leitungen ist das Konsortium Gassled, ebenfalls betrieben von Gassco.
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CO2-Einlagerung für ganz Europa
Norwegen gilt als technischer Vorreiter beim Umgang mit CO2 in der Gasförderung. Auf der Sleipner-Plattform wird seit 1996 jährlich etwa eine Million Tonnen Kohlendioxid vom Erdgasstrom entfernt und in die Utsira-Formation unter dem Meeresboden eingelagert. Das Projekt gilt als weltweit erstes industrielles Beispiel für Carbon Capture and Storage (CCS). Eine bereits 2017 in der Energy Procedia veröffentlichte Langzeitstudie zeigt eine stabile Speicherung über Jahrzehnte. Diese Technologie mindert die Emissionen bei der Förderung, nicht jedoch bei der Verbrennung des Erdgases.
Ein ähnliches Verfahren kommt auch beim Snøhvit-Projekt in der Barentssee zum Einsatz. Dort wird das CO2 aus dem geförderten Erdgas abgetrennt, über eine Pipeline zurück zur Förderplattform gepumpt und rund 2.600 Meter tief in die Tubåen-Formation verpresst. Laut dem Norwegian Offshore Directorate werden auf diese Weise jährlich etwa 700.000 Tonnen CO2 gespeichert. Die Kombination aus Offshore-Förderung, Verflüssigung zu Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) und CO2-Rückführung gilt als technologische Blaupause für künftige Anlagen in der Arktis.
Zudem arbeitet Norwegen an einem neuen CCS-System für ganz Europa: dem Northern Lights Project, einer Kooperation von Equinor, Shell und TotalEnergies. Ab 2025 soll es ermöglichen, CO2 aus Industrieanlagen in anderen europäischen Ländern per Schiff nach Norwegen zu transportieren und dort sicher unter der Nordsee einzulagern. Das Projekt ist Teil der nationalen Initiative „Longship“ und gilt als Schlüssel für den Aufbau einer grenzüberschreitenden CO2-Infrastruktur in Europa.
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Rückgrat der deutschen Versorgung
Die norwegische Transportkapazität liegt laut Gassco bei rund 120 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. 2024 durchgeführte Wartungsarbeiten in Kårstø oder der Stromausfall in Kollsnes im April 2025 zeigten jedoch, wie empfindlich einzelne Knotenpunkte für den europäischen Markt sind. Um den Rückgang der Produktion nach 2030 zu bremsen, beschloss das norwegische Parlament eine neue Explorationsrunde in Grenzgebieten. Parallel investiert Norwegen in CCS-Projekte und Offshore-Windkraft, um fossile Exporte langfristig klimaneutraler zu gestalten.
Norwegisches Erdgas bildet weiterhin das Rückgrat der deutschen Energieversorgung – stabil, effizient, aber endlich. Gefördert wird es aus Feldern wie Troll, Ormen Lange und Aasta Hansteen, verarbeitet in Anlagen wie Kårstø und Kollsnes und gelangt über Dornum nach Deutschland. Solange fossiles Erdgas gebraucht wird, bleibt Norwegen die zentrale Brücke – eine, die auf geologischen Reserven und begrenzter Zeitspanne beruht.
Quellen: Energidepartementet; Gassco; „20 years of monitoring CO2-injection at Sleipner“ (Energy Procedia, 2017); Norwegian Offshore Directorate; Storting
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