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Erdgas: Industrie warnt vor falschen Signalen – Folgen spüren auch Millionen Haushalte

Grünes Gas wird zum Brennpunkt eines neuen energiepolitischen Konflikts: Zwischen Klimazielen und Wettbewerbsfähigkeit warnt die Industrie vor vorschnellen Quotenregelungen.

Grüner-Wasserstoff-Projekt im chinesischen Xinjiang
© VCG / Kontributor / Visual China Group via Getty Images / futurezone.de [M]

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Die Debatte über eine nationale Quote für grünes Gas gewinnt an Dynamik – obwohl ein konkreter Gesetzentwurf noch aussteht. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) warnt vor „zusätzlichen Belastungen“ und einem „falschen Signal“ für den Industriestandort Deutschland. Eine solche Regelung würde Unternehmen verpflichten, einen steigenden Anteil erneuerbarer Gase – etwa grünen Wasserstoff oder Biomethan – in den Markt einzuspeisen.

Grünes Gas: Eine Quote zur falschen Zeit?

VIK-Hauptgeschäftsführer Christian Seyfert hält die Idee einer Quote für grünes Gas für „unverständlich und wirtschaftlich bedenklich“. Sie führe zu Mehrkosten, die energieintensive Betriebe nicht weitergeben könnten, und verschärfe so den internationalen Wettbewerbsdruck. Der Verband warnt in seiner aktuellen Pressemitteilung zudem vor sogenanntem Carbon Leakage.

Unter Carbon Leakage versteht man die Verlagerung von Industrieproduktion in Länder mit geringeren Klimaschutzauflagen. Dadurch sinken zwar die Emissionen im Inland, global ändern sie sich aber kaum – oder steigen sogar.

Die Europäische Union will dieses Risiko durch den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ab 2026 begrenzen: Er belegt Importe energieintensiver Güter wie Stahl, Zement oder Düngemittel mit einem CO2-Preis, der dem europäischen Emissionshandel entspricht. Damit sollen Wettbewerbsverzerrungen und Abwanderungsanreize reduziert werden.

Tatsächlich greift die EU bereits mit mehreren Instrumenten in die Gas- und Energiemärkte ein: Der neue Emissionshandel für Gebäude und Verkehr (ETS 2) startet 2027 und verteuert fossile Brennstoffe automatisch. Gleichzeitig schreibt die überarbeitete Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III) Mindestanteile erneuerbarer, nicht-biologischer Kraftstoffe in der Industrie vor – entsprechend der Verordnung (EU) 2023/1184 42 Prozent bis 2030, 60 Prozent bis 2035 (). Eine nationale Quote für grünes Gas würde diese Verpflichtungen überlagern.


Topaktuell


Knapp und teuer

Laut einem Konzept der Beratungsfirma Frontier Economics im Auftrag der Gas- und Wasserstoffbranche könnte die Grüngasquote 2027 starten und schrittweise bis 2045 auf 100 Prozent steigen. Verpflichtet wären die Inverkehrbringer fossiler Gase. Doch bislang handelt es sich lediglich um einen Branchenvorschlag, nicht um eine Initiative der Bundesregierung.

Der VIK verweist derweil auf die begrenzte Verfügbarkeit sogenannter „grüner Moleküle“. Auch die Deutsche Energie-Agentur (dena) bestätigt in ihrem Biomethan-Barometer 2025, dass heimische Potenziale bislang kaum ausgeschöpft sind und Projekte an Genehmigungen, Förderung und Zertifizierung scheitern.

Beim Wasserstoff sieht es ähnlich aus: Bis etwa 2032 soll das geplante Wasserstoff-Kernnetz rund 9.700 Kilometer umfassen – derzeit existiert jedoch kaum Infrastruktur. Grüner Wasserstoff ist zudem kostspielig. So dürften allein die Produktionskosten wegen hoher Strompreise und Investitionen bis Ende des Jahrzehnts deutlich über dem Preis fossilen Erdgases liegen.

Sinnvoll, aber nicht überall

Forscher*innen des Weltklimarats (ICCT) warnen, dass Wasserstoff im Heizungseinsatz energetisch ineffizient ist. Grünes Gas eigne sich vor allem für Hochtemperaturprozesse in der Industrie oder für saisonale Energiespeicher, nicht jedoch zur flächendeckenden Wärmeversorgung von Haushalten.

Auch beim Biomethan kommt es auf Details an: Laut dem Joint Research Centre (JRC) der EU-Kommission kann es nur dann klimawirksam sein, wenn Methanlecks entlang der Produktionskette streng überwacht und minimiert werden. Die neue Methan-Verordnung (EU) 2024/1787 verschärft diese Pflichten und gilt ab 2030 auch für Importe.

Folgen für Verbraucher*innen

Erdgas bleibt der wichtigste Energieträger in Deutschland: 2024 wurden der Bundesnetzagentur zufolge 844 Terawattstunden verbraucht – 61 Prozent in der Industrie, 39 Prozent bei Haushalten und Gewerbe. Jede neue Quote würde also indirekt auch Privatkund*innen treffen, weil Lieferanten ihre höheren Beschaffungskosten weitergeben.

Erdgasverbrauch in Deutschland in den Jahren 2021 bis 2024
Zu erkennen ist ein deutlicher Rückgang des Gesamtverbrauchs seit 2021. Während die Industrie in allen Jahren den größeren Anteil stellt, blieb der Anteil von Haushalten und Gewerbe relativ stabil. Nach dem Rückgang 2022 und 2023 zeigt sich 2024 wieder ein leichter Anstieg. Credit: Bundesnetzagentur

Eine pauschale Grüngasquote könnte folglich dazu führen, dass Haushalte die teuren grünen Moleküle der Industrie mitfinanzieren. Eine Beispielrechnung zeigt: Wenn 5 Prozent des gelieferten Gases durch grünes Gas ersetzt würden und dieses 60 Euro pro Megawattstunde teurer wäre als fossiles Erdgas, läge der Aufschlag bei etwa drei Euro pro Megawattstunde – rund 60 Euro im Jahr für einen Durchschnittshaushalt mit 20.000 Kilowattstunden Verbrauch.

Die Bundesregierung hat zugleich angekündigt, die sogenannte Gasspeicherumlage abzuschaffen – eine Entlastung, die ab 2026 greifen soll. Eine nationale Grüngasquote ab 2027 könnte diesen Effekt teilweise wieder aufheben. Bis klare Rahmenbedingungen, Zertifikate und Preisstabilität geschaffen sind, bleibt die Warnung des VIK also ein Signal, das Politik und Verbraucher*innen gleichermaßen betrifft.

Quellen: Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V.; Amtsblatt der Europäischen Union; „Konzeption einer Grüngasquote“ (Frontier Economics, 2025); „Branchenbarometer Biomethan 2025“ (dena, 2025); „Hydrogen for heating? Decarbonization options for households in Germany in 2050“ (ICCT, 2021); „Methane emissions in the biogas and biomethane supply chains in the EU“ (JRC, 2024); Bundesnetzagentur

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