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Erdgas: Merz-Ministerin plant neue Regeln – mit Folgen für Hausanschlüsse

Die deutschen Gasnetze stehen vor einer grundlegenden Neuausrichtung. Künftig sollen die Kommunen selbst festlegen, welche Leitungen weiterbetrieben, auf Wasserstoff umgestellt oder stillgelegt werden – abgestimmt auf ihre jeweilige Wärmeplanung.

Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, vor einem gemeinsamen Pressestatement mit Stéphane Séjourné, Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission
© IMAGO / Metodi Popow / futurezone.de [M]

Heizung: Dieser kleine Trick sorgt für mehr Wärme

Eine simple Methode reicht, um die eigene Heizung um einiges effizienter zu machen. Viele wissen allerdings nicht, wie es geht.

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat die Anhörung von Ländern und Verbänden zur geplanten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) eingeleitet. Mit dem Entwurf setzt die Bundesregierung das europäische Gas- und Wasserstoff-Binnenmarktpaket vom 4. April 2024 um. Ziel ist, die künftige Struktur der Gasnetze neu auszurichten – stärker dezentral und kommunal gesteuert.

Neue Planung für die Gasnetze

Laut einer aktuellen Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) sollen künftige Planungsentscheidungen über die Gasnetze auf kommunaler Ebene getroffen werden. Grundlage dafür sind die kommunalen Wärmepläne, die in allen Städten und Gemeinden bis spätestens 2028 vorliegen müssen.

Zentrales Element der Reform ist der Verteilernetzentwicklungsplan (VNEP). Er verpflichtet Netzbetreiber dazu, langfristig zu planen, welche Leitungen erhalten, umgenutzt oder stillgelegt werden. Grundlage ist die tatsächliche Gasnachfrage und die örtliche Wärmeplanung. Der VNEP muss öffentlich konsultiert werden. Kommunen, Energieversorger und Verbraucher*innen können sich beteiligen. Anschließend prüfen Landesbehörden oder die Bundesnetzagentur den Plan.

Ein Pflicht-Rückbau der Gasnetze ist nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Der Referentenentwurf betont, dass außer Betrieb genommene Leitungen aus Kostengründen nicht automatisch entfernt werden sollen. Hintergrund sind die hohen volkswirtschaftlichen Aufwendungen und die Möglichkeit, Leitungen später für Wasserstoff (H₂) zu nutzen. Zudem müssen Eigentumsrechte der Grundstücksbesitzer*innen gewahrt bleiben.

Kommunale Wärmepläne und Fristen

Die geplante EnWG-Novelle ist eng mit der kommunalen Wärmeplanung verknüpft. Gemäß  § 4 Wärmeplanungsgesetz (WPG) müssen Städte mit mehr als 100.000 Einwohner*innen bis 30. Juni 2026 und kleinere Gemeinden bis 30. Juni 2028 einen Wärmeplan vorlegen. Diese Pläne entscheiden maßgeblich, ob ein Gebiet künftig an die Gasnetze, an ein Wärmenetz oder an ein Wasserstoffnetz angeschlossen bleibt.

Besonders relevant für Verbraucher*innen: Hausanschlüsse dürfen künftig nicht getrennt werden, wenn keine alternative Wärmeversorgung absehbar ist. Das geht direkt aus dem Referentenentwurf hervor. Geplant sind lange Vorlaufzeiten und umfassende Informationspflichten der Netzbetreiber. Bevor ein Gebiet vom Gasnetz getrennt wird, müssen betroffene Haushalte frühzeitig informiert werden. Ziel ist, dass niemand ohne Wärmeversorgung bleibt.


Topaktuell


Europäischer Hintergrund

Kommunen und Netzbetreiberinnen erhalten also mehr Verantwortung, aber auch mehr Pflichten: Sie müssen den Rückgang der Gasnutzung aktiv steuern und gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleisten. Für Verbraucher*innen bringt das Transparenz und Schutz, aber auch die Notwendigkeit, sich frühzeitig mit alternativen Heizoptionen zu befassen. Zugrunde liegen dem verschiedene Vorgaben der Europäischen Union.

Der Gesetzentwurf setzt die Richtlinie (EU) 2024/1788 sowie die Verordnung (EU) 2024/1789 um, die den Binnenmarkt für erneuerbare Gase, Erdgas und Wasserstoff regeln. Beide traten im Sommer 2024 in Kraft. Deutschland muss die Richtlinie spätestens bis zum 5. August 2026 umsetzen.

Parallel gilt die Verordnung (EU) 2024/1787 über Methanemissionen. Sie verpflichtet Betreiber*innen von Gasnetzen, Leckagen zu messen und zu beheben und das Abfackeln („Flaring“) zu begrenzen. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) stammen weltweit jährlich über 120 Millionen Tonnen Methan aus dem Energiesektor. Das Problem: Über einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet gilt Methan als rund 82-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid (CO2).

Das heißt: Die EnWG-Novelle unter Leitung von Ministerin Reiche bedeutet keinen abrupten Ausstieg aus Erdgas, wohl aber den Beginn einer lokal gesteuerten Transformation.

Finanzierung und wirtschaftlicher Rahmen

Das Finanzierungsgerüst steht auf zwei Säulen: einem zentralen Amortisationskonto und regulierten Netzentgelten. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stellt hierfür einen Kreditrahmen von 24 Milliarden bereit; aus dem Konto werden anfängliche Fehlbeträge der Kernnetzbetreiber ausgeglichen. Parallel hat die Bundesnetzagentur ein einheitliches Hochlaufentgelt von jährlich 25 Euro pro Kilowattstunde pro Stunde festgelegt, das bis 2055 die Kosten decken soll und regelmäßig überprüft wird.

Beihilferechtlich ist der Rahmen durch Brüssel abgesichert: Die EU-Kommission hat Deutschland bereits Unterstützung in Milliardenhöhe genehmigt, mitunter in Form von Garantien für die Anfangsphase. Das reduziert das Ausfallrisiko und senkt Finanzierungskosten, bis das Netz ausreichend ausgelastet ist. Politisch flankiert das den stufenweisen Aufbau des Kernnetzes mit Investitionen von rund 18,9 Milliarden Euro bis Anfang der 2030er Jahre.

Offen bleibt die Finanzierung jenseits des Kernnetzes: Für weitere Ausbaustufen existiert noch kein vollumfänglicher Regulierungsrahmen, was die Branche als Lücke markiert. Denkbar ist eine Weiterentwicklung bekannter Mechanismen wie bundesweite Umlagen, die heute schon biogas- und marktraumbezogene Kosten verteilen; Entscheidungen dazu stehen aus und hängen auch vom EU-Rahmen ab. Kommunale Anbindungen an das Kernnetz können lokale Umwidmungen wirtschaftlich erleichtern, solange klare Entgelt- und Umlagepfade definiert werden.

Quellen: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie; „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften zur Umsetzung des Europäischen Gas- und Wasserstoff-Binnenmarktpakets“ (BMWE, 2025); Gesetze im Internet; Amtsblatt der Europäischen Union; International Energy Agency

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