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„Sissi“ mit Romy Schneider: Warum die Cotillon-Szene so bedeutend ist

Jahr für Jahr locken die legendären „Sissi“-Filme mit Romy Schneider ein Millionenpublikum vor die Fernseher. Das macht die Trilogie so besonders.

Romy Schneider und Karlheinz Böhm in der legendären "Sissi"-Trilogie.. © imago images/United Archives
Romy Schneider und Karlheinz Böhm in der legendären "Sissi"-Trilogie.. © imago images/United Archives

Weihnachten ohne die „Sissi“-Filme mit Romy Schneider (1938-1982) und Karlheinz Böhm (1928-2014) im Fernsehen? Für viele unvorstellbar. Ab dem 10. Dezember zeigt RTL+ die drei „Sissi“-Klassiker aus den Jahren 1955 bis 1957 plus den Film „Mädchenjahre einer Königin“ (1954), ebenfalls mit Romy Schneider in der Hauptrolle. Das Erste präsentiert den ersten Teil der „Sissi“-Trilogie pünktlich an Heiligabend im TV. Auch wenn Millionen die Filme mittlerweile auswendig kennen dürften, die Liebesgeschichte zwischen Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz Joseph gehört zum Fest wie der Weihnachtsbaum und Plätzchen.

Dass die Klassiker nicht wirklich das echte Leben der legendären Kaiserin widerspiegeln, spielt für die vielen Fans nicht wirklich eine Rolle. Doch nicht alles in den Filmen ist frei erfunden, weiß Dr. Martina Winkelhofer. Sie ist Expertin für die Habsburger Monarchie sowie für Hof- und Alltagsgeschichte. Ihre Arbeit umfasst mehrere Standardwerke zur Adelsgeschichte sowie zahlreiche Beiträge in internationalen Medien. Im September erschien ihr neues Buch „Vom Mädchen zur Frau – Kaiserin Elisabeths erste Jahre am Wiener Hof“, in dem sie erstmals zahlreiche Originalquellen zum Alltagsleben Elisabeths ausgewertet und den Sisi-Mythos neu hinterfragt hat. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news blickt die Expertin auf die berühmten „Sissi“-Filme zurück.

Die „Sissi“-Trilogie gilt als wenig historisch korrekt. Was könnte wirklich so gewesen sein und was ist frei erfunden?

Winkelhofer: Die „Sissi“-Trilogie muss man als Gesamtkunstwerk, als österreichisches Kulturerbe betrachten: Handwerklich exzellent gemacht, mit den besten Schauspielern ihrer Zeit, in einem wunderschönen Setting – an den Originalschauplätzen Schloss Schönbrunn, Wiener Hofburg, Salzkammergut, gedreht. Und man muss zugeben: Romy Schneider war die entzückendste „Kaiserin“, die es je gab. Ihre Darstellung hat das Interesse an der historischen Kaiserin unglaublich angeheizt: Der „Sisi“-Fan kommt zur historischen Elisabeth über Romy Schneider und diese wunderbaren „Sissi“-Filme. Diese erhoben auch gar nicht den Anspruch, historisch korrekt zu erzählen, es zählte die liebliche Geschichte des „Landmädels“, das mit seinem Liebreiz das Herz des Kaisers von Österreich im Sturm erobert. Frei erfunden ist etwa in Teil 1 die Szene des Kennenlernens: „Sissi“ geht unbegleitet Fischen und gibt sich als Lisl von Possenhofen, eine Angestellte der herzoglichen Familie aus. Einer Wittelsbacher Prinzessin wäre das niemals möglich gewesen. Korrekt ist wiederum die berühmte „Cotillon“-Szene beim abendlichen Verlobungsball: Kaiser Franz Joseph überreicht Elisabeth vor dem Tanz das Blumenbouquet – damals ein nonverbaler Heiratsantrag.

War die Heirat mit Franz-Joseph eine Liebesheirat, oder doch nur arrangiert?

Winkelhofer: Die Heirat von Elisabeth und Kaiser Franz Joseph war eine der ganz wenigen Liebesheiraten in Königshäusern im 19. Jahrhundert. Vor allem aber war es der schnellste Heiratsantrag in der royalen Geschichte. An einem Sommertag des Jahres 1853 begegnete Kaiser Franz Joseph seiner Cousine Elisabeth, am nächsten Morgen sagte er seiner Mutter: „Diese oder keine!“ 48 Stunden später waren sie verlobt. Und das zu einer Zeit, als königliche Heiratspolitik vor allem der Sicherung von politischen und dynastischen Allianzen diente und jeder Verlobung monatelange Verhandlungen vorausgingen. Mehr Herz vor Politik ging damals nicht.

War das Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter wirklich so schlecht?

Winkelhofer: Es gab Spannungen und Konflikte, und hinter den Kulissen wurde um Einfluss gerungen. Allerdings: Das war normal an Königs- und Kaiserhäusern, es lief immer gleich ab: Eine junge Frau kam an den Hof, es wurde erwartet, dass sie sich klaglos einfügt, was für viele „Neulinge“ nicht leicht war. Die meisten Frauen resignierten, machten gute Miene zum bösen Spiel und warteten, bis ihre Zeit kam. Die Strategien waren so unterschiedlich wie die Protagonisten. Die Ausnahme bei Kaiserin Elisabeth war, dass sie sich bereits in sehr jungen Jahren – und mit der Hilfe ihres Ehemannes – aus der klassischen Rolle der devoten Schwiegertochter befreite. Dennoch: „Schwiegermonster“ war Erzherzogin Sophie sicher keines, das würde sie erst durch die „Sissi“-Trilogie. Und wie es scheint, wird sie diese Zuschreibung auch nicht mehr los.

Wie war sie selbst als Mutter?

Winkelhofer: Es gibt zwei Bilder von Elisabeth als Mutter: Es gibt die Frau, die mit 17 zum ersten Mal Mutter wird, und in den ersten vier Ehejahren drei Kinder zur Welt bringt und es gibt die Frau von 30 Jahren, die noch mal Mutter wird. Dazwischen liegt eine große persönliche Entwicklung, deshalb muss man Kaiserin Elisabeth als Mutter von unterschiedlichen Perspektiven aus wahrnehmen. Die ersten Kinder waren Kinder der Krone, vor allem der Sohn. Sisi hatte zu Beginn kaum Einfluss auf die Erziehung und sie traute sich noch nicht, ihre Mutterrolle auszuleben. Lange Abwesenheiten von den Kindern, als Elisabeth fern vom Hof ihre körperliche und psychische Gesundheit wiederherstellte, taten ein Übriges. Die primäre Bezugsperson der älteren Kinder war der Vater. Erst bei ihrem jüngsten Kind lebte Kaiserin Elisabeth in der Mutterrolle auf: Sie verbrachte viel Zeit mit ihrer Jüngsten und ließ sich in Erziehungsfragen nicht mehr dreinreden.

Sie haben unzählige Quellen zum Sisi-Mythos hinterfragt. Wie würden Sie Sisi heute beschreiben?

Winkelhofer: Als Frau, die für ihre Zeit und ihren Stand eine bemerkenswerte persönliche Entwicklung an den Tag legte: Aus einem verschreckten Teenager, der auf dem glatten Wiener Parkett ausrutschte, der manipuliert wurde und missgünstigen Höflingen nicht gewachsen war, wurde eine Frau, die für sich und ihre Bedürfnisse einstehen konnte. Sie überwand schwierige persönliche Krisen – der Tod des geliebten Kindes, Traumata und Enttäuschungen – und definierte ihre Rolle neu. Kaiserin Elisabeth erkämpfte sich ein Maß an persönlicher Freiheit, das für ihre Zeit außergewöhnlich war. Sie hatte den Mut, ihre Komfortzone zu verlassen, um ein Leben zu führen, das in Einklang mit ihren Werten stand.

(obr/spot)

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