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„Citizen Kane“: Der zeitlose Geniestreich von Orson Welles

Vor genau 80 Jahren und unter widrigsten Umständen feierte Orson Welles' „Citizen Kane“ 1941 seine Premiere. Die Geburtsstunde eines Meisterwerks.

Orson Welles als Zeitungsmogul Charles Foster Kane in "Citizen Kane" Foto:

Eine zerbrochene Schneekugel und ein letztes, geflüstertes Wort: „Rosebud!“ Es sind die ersten Szenen von Orson Welles‘ (1915-1985) Film „Citizen Kane“, der am 1. Mai 1941 seine Premiere im Palace Theatre im Herzen von New York City feierte. Heutzutage gilt das Drama als einer der besten, wenn nicht als der beste Film aller Zeiten. 1942, bei der 14. Oscar-Verleihung mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde er noch nicht einmal zum besten Film des Jahres gekürt – das wurde ein Film namens „Schlagende Wetter“. Doch es ist nicht der Film von John Ford, der noch immer, genau 80 Jahre später, mit seinen Innovationen zu überraschen weiß.

Die Armut des reichen Mannes – darum geht es

„Citizen Kane“ erzählt die Geschichte des aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Charles Foster Kane (Welles). Der Zuschauer lernt ihn jedoch als verboten reichen Zeitungsmagnat kennen, der auf seinem Privatschloss in Einsamkeit seinen letzten Atemzug verlebt. Ein Journalist namens Thompson wird nach dem Tod des Multimillionärs damit beauftragt, herauszufinden, was es mit Kanes letztem Wort auf sich haben könnte. War „Rosebud“ der Kosename einer alten Flamme? Das Symbol für etwas, das sich Kane trotz seines Reichtums nie leisten konnte?

Über die Recherche von Thompson erfahren die Zuschauer nach und nach, wie aus einem charismatischen Visionär ein einsames Scheusal wurde, das jeden Menschen vergrault hat, der ihm mal lieb war. Und im Gegensatz zum Reporter erfahren die Zuschauer mit der finalen Einstellung des Films auch, was es mit „Rosebud“ auf sich hat.

Die Entstehungsgeschichte – Stoff für einen neuen Film

Viel Fantasie bedurfte es nicht, um zu erkennen, wer die Vorlage für Charles Foster Kane darstellte. Allein der Dreiklang des Namens der Figur war ein Fingerzeig auf den realen Medientycoon William Randolph Hearst. Wie im Fall von Kane kam auch der durch den Bergbau-Betrieb seiner Eltern an ein Vermögen, das er dafür nutzte, um eine eigene Zeitung zu kaufen. Wie Kane verwandelte er sie in ein Boulevardblatt, das mit reißerischem, mehr als fragwürdigem Sensationsstil die Auflage in die Höhe schnellen ließ. Und wie Kane baute er sich ein Schloss.

Besagter Hearst, 1941 78 Jahre alt, zeigte sich dementsprechend wenig begeistert über den Film. Mit aller Macht versuchte er die Veröffentlichung von „Citizen Kane“ zu verhindern, jeder seiner Zeitungen war es streng untersagt, den Film auch nur zu erwähnen. Und einige Kinos verzichteten aus Sorge, von Hearst „kaputtgeschrieben“ zu werden, tatsächlich darauf, „Citizen Kane“ zu zeigen. Es sei gar der Versuch unternommen worden, Welles als Pädophilen zu brandmarken, nur um seinen Ruf und damit den Film auf ewig zu zerstören. Aber das sei nicht auf Hearsts Mist gewachsen, wie Welles später verriet. „Das war ein Lakai von einer von Hearsts lokalen Zeitungen, der dachte, sich damit in der Gunst nach oben kämpfen zu können.“

Die Querelen rund um die Entstehung von „Citizen Kane“ sind derartig filmreif, dass genau dies unlängst passierte. Mit dem Netflix-Film „Mank“, zehnfach für einen Oscar nominiert und zweifach ausgezeichnet, widmete sich David Fincher (58) dem Stoff. Beim titelgebenden „Mank“ handelt es sich um Herman J. „Mank“ Mankiewicz, der größtenteils als Drehbuchautor von „Citizen Kane“ verantwortlich zeichnete. Der war viele Jahre selbst Mitarbeiter und Vertrauter von Hearst, überwarf sich schließlich mit dem Mogul – und verfasste seine persönliche Rache als Filmdrehbuch.

Das Wunderkind Hollywoods

In einem Alter, in dem andere ihr zweites Studium abbrechen, schrieb Orson Welles Filmgeschichte. Gerade einmal 26 Jahre war das Wunderkind Hollywoods alt, als er „Citizen Kane“ drehte, die Hauptrolle verkörperte und als Co-Autor das Drehbuch verfasste. Neben der Erzählstruktur galten vor allem technische Kniffe als bahnbrechend, auch wenn Welles diese eher pragmatisch herunterspielte.

So jung wie das Kino noch sei, wäre es „einfach lächerlich, wenn es einem nicht gelänge, ihm ein paar neue Seiten abzugewinnen“, so der Filmemacher. Und woher er die Gewissheit nahm, manche Dinge machen zu können, obwohl ihm immer wieder gesagt wurde, dass sie technisch nicht möglich seien? „Pure Dummheit“, verriet Welles 1970 in der „Dick Cavett Show“. „Ignoranz. Es gibt keine mächtigere Autorität auf dieser Welt.“

Im Gegensatz zu manch einem weit jüngeren Werk hält der Film von 1941 selbst heutigen Standards noch stand. Das gilt auch für das zu seiner Zeit herausragende Make-up, das einen 26-Jährigen noch immer glaubhaft in einen alten Mann verwandelt.

Auf die Frage, ob „Citizen Kane“ wirklich der beste Film aller Zeiten ist, antwortete Welles: „Ganz sicher nicht. Aber mein nächster wird es sein. Der wird Geschichte schreiben. Ich habe nur noch nicht entschieden, um was es gehen wird.“ Von welchem Film genau er 1970 sprach, dieses Geheimnis nahm er 1985 im Alter von 70 Jahren mit ins Grab. Wenn man so will Orson Welles‘ ganz persönliches „Rosebud“…

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