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Porträt über Angela Merkel: Wie sie sich an den Männern vorbeimogelte

Das TV-Porträt „Angela Merkel – Im Lauf der Zeit“ erzählt von der Kindheit in Templin, dem Aufstieg in der „Männerrepublik“, ihrem Arbeitsstil – und Top-Politiker wie Barack Obama erklären sie zur „Außenseiterin“ oder der „Late-Night-Lady“.

"Angela Merkel - Im Lauf der Zeit": Bundeskanzlerin Angela Merkel im Interview mit Dokumentarfilmer Torsten Körner.. © MDR/BROADVIEW TV
"Angela Merkel - Im Lauf der Zeit": Bundeskanzlerin Angela Merkel im Interview mit Dokumentarfilmer Torsten Körner.. © MDR/BROADVIEW TV

Im dokumentarischen TV-Porträt „Angela Merkel – Im Lauf der Zeit“ (Arte/Das Erste) erklärt die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (67) unter anderem mit wenigen, aber deutlichen Worten ihre Entscheidungen in der Flüchtlings- und Corona-Krise. Endlich, könnte man sagen. Denn das Public-Relations-Motto „Tu Gutes und rede darüber“ hat die erste Frau, die von 22. November 2005 bis zum 8. Dezember 2021 an der Spitze der Bundesregierung war, selten beherzt. Der Film des renommierten Dokumentarfilmers Torsten Körner (56) hat aber viel mehr zu bieten, als die vielen Krisen ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft in Erinnerung zu rufen.

„Late-Night-Lady“ und „Außenseiterin“

„Angela Merkel – Im Lauf der Zeit“ enthält Passagen aus zwei Interviews mit Angela Merkel, Gespräche mit Experten unterschiedlichster Couleur, darunter auch einige kritische Stimmen. Dazwischen zeigt Körner klug ausgewähltes Archivmaterial, auch von ihrem selbstbestimmten Abgang, sowie Exklusivgespräche mit internationalen Polit-Größen wie Barack Obama (60), der als erster afroamerikanischer US-Präsident (2009-2017) eine klare Parallele zwischen sich und Merkel sieht: „Wir waren beide Außenseiter im Politikbetrieb unseres jeweiligen Landes.“

Auch die Französin Christine Lagarde (66), die seit 2019 als erste Frau Präsidentin der Europäischen Zentralbank ist, stand Körner Rede und Antwort und erklärt Merkel respektvoll zur „Late-Night-Lady, die immer am Ball bleibt“. Damit meint sie Merkels „Strategie“, spät und lang zu tagen. Ursula von der Leyen (63), seit 2019 erste Präsidentin der Europäischen Kommission, betont im Gespräch zudem Merkels „strategische Geduld“.

Und die ehemalige Premierministerin des Vereinigten Königreichs (2016-2019), Theresa May (65), weiß ebenfalls Interessantes zu berichten: „Eine der Herausforderungen für Frauen in der Politik ist, dass Presse und Öffentlichkeit wollen, dass man Gefühle zeigt. Aber sobald man sie zeigt, wird es als Schwäche ausgelegt.“ Im Laufe des Films wird Angela Merkel davon erzählen, wie es ihr erging, als sie Gefühle zeigte…

Als „U-Boot“ in der „Männerrepublik“

Die genannten Polit-Stars und Vorreiter in ihren Bereichen, aber auch andere Experten heben in dem Film Merkels Geduld, Eigenwilligkeit und Hartnäckigkeit hervor sowie ihre Fähigkeit zur „Entdramatisierung“ und ihre Beobachtungsgabe. „Sie hat die Männer analysiert und durchschaut und sie kann warten“, heißt es im Kapitel „In der Männerrepublik“, in dem ihr Weg von „Helmut Kohls Mädchen“ an der männlichen Konkurrenz vorbei an die Macht erzählt wird.

„Hätte Angela Merkel jemals ihre Ambitionen zur Macht erkennen lassen, hätten die Männer sie sofort ausgeschaltet“, erklärt Fotografin Herlinde Koelbl (82), die Merkel ab 1991 porträtierte und interviewte. Stattdessen sei die Politikerin „wie ein U-Boot“ vor Ort gewesen und „rechtzeitig aus dem Schatten der Männer herausgetreten“. Und Politikwissenschaftler Herfried Münkler (70) erklärt weiter: „Diese Männer haben sie [Angela Merkel] lange Zeit unterschätzt und sind hinterher zum Opfer ihrer eigenen Unterschätzung geworden. Und dann hätten sie auch noch am „Spielfeldrand geheult“. Das war eigentlich sehr unästhetisch, was wir da erlebt haben.“ Bilder von Roland Koch (63) und dem jüngeren Friedrich Merz (66) werden eingeblendet.

Schauspieler und Nachbar Ulrich Matthes (62) ergänzt in diesem Zusammenhang bildgewaltig: „Die haben sich zum Großteil selber erledigt und sie hat teils lächelnd zugeguckt und ein bisschen hat sie vielleicht auch mal mit dem kleinen Finger geschubst. Aber dass sie diejenige war, die da mit dem Messer hinterrücks nach links, nach rechts gestochen hat und dann lagen die ganzen Kochs dieser Welt am Wegesrand… das ist Quatsch.“

Die kleine Angela Kasner

Besonders spannend ist auch das Kapitel „Kindheitsmuster“, das von der kleinen, blonden, allzu friedliebenden Hamburgerin aus dem beschaulichen Templin erzählt und mit entsprechend niedlichen Kinderfotos illustriert wird. „Mein Elternhaus war sehr offen zu Menschen verschiedenster Herkunft. Und wenn jemand ein Problem hatte, Sorgen hatte oder etwas erzählen wollte, dann haben meine Eltern dafür immer Zeit gefunden“, erzählt Merkel über ihren Vater, den charismatischen evangelischen Theologen Horst Kasner (1926-2011) und ihre Mutter, die zugewandte Lehrerin Herlind Kasner (1928-2019).

„Sie ist aufgewachsen in einem Haushalt, der sich auch sehr gekümmert hat um geistig wie körperlich gehandicapte Menschen in Templin in dieser Waldhof Schule“, erklärt Matthes. Und Merkel ergänzt: „Das hat mein Leben geprägt, weil ich mit ihnen gemeinsam oft ganze Teile des Tages verbracht habe und mich daran gewöhnt hatte, dass das, was vielen absonderlich erschien, dort Normalheit war, und dass man dort auch sehr sehr gute Freude finden konnte. Die Zeit blieb nie stehen, da war immer was los.“ Matthes fasst es so zusammen: „Sie ist in einem bunten Durcheinander von Menschenmöglichkeiten groß geworden.“

Wann und wo ist der Film zu sehen?

Das dokumentarische Porträt „Angela Merkel – Im Lauf der Zeit“ wird am 22. Februar um 20:15 Uhr bei Arte gezeigt und am 27. Februar um 21:45 Uhr im Ersten – an Stelle der Talksendung „Anne Will“ – sowie jeweils zwei Tage vorab in den Mediatheken.

(ili/spot)

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