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„Vom Punk bis zum Hemdenträger ist alles dabei“ – futurezone im Gespräch mit der Linksjugend solid

futurezone trifft Lucas Kannenberg, den Bundessprecher der Linksjugend solid. Wir sprechen mit ihm über die Arbeit einer politischen Jugendorganisation, Fake News, die Digitalisierung und wieso das E-Auto nicht die Lösung aller Probleme ist.

„Wir als Linksjugend solid nehmen im Prinzip eine Scharnierfunktion zwischen der Partei auf der einen Seite und sozialen Bewegungen auf der anderen Seite ein“, erklärt der 22-jährige die Funktion der politischen Jugendorganisation. Die Wahlkampfarbeit sei jedoch nur ein Teil dessen, was die Linksjugend leistet. „Zum anderen arbeiten wir aber auch ganz viel mit sozialen Bewegungen und der außerparlamentarischen Opposition zusammen, das funktioniert vor allem in Bündnissen, in denen wir aktiv sind“, so Kannenberg.

Kannenberg, der seit April 2017 als einer der sechs Bundessprecherinnen und Bundesprecher der Linksjugend fungiert, fasst die Arbeit des Vorstandsteams kurz und knapp zusammen: „Wir versuchen, den Laden zusammenzuhalten.“ Er sei sehr glücklich über den bunten Mix, den die Jugendorganisation der Partei die Linke in sich vereint. „Da hat man vom Punk bis zum Hemdenträger alles dabei und das finde ich auch sehr sympathisch, dass wir so durchmischt sind.“

Fake News vor der Bundestagswahl

Angesprochen auf die zunehmend gefährlicher werdenden Fake News gibt auch der Bundessprecher an, dass seine Partei von diesem Phänomen betroffen sei. So gäbe es beispielsweise immer wieder Postings auf Facebook, in denen Politikern der Linke oder Mitgliedern der Linksjugend Aussagen in den Mund gelegt würden, die niemals getätigt worden seien. Gesetzliche Initiativen seitens der Bundesregierung hält Kannenberg in solchen Fällen jedoch für überzogen und will beim Kampf gegen Fake News und Hate Speech vor allem auf eine „wache Zivilgesellschaft“ setzen. Falsche oder bösartige Kommentare sollten gemeldet und dann entsprechend von den Netzwerken gelöscht werden. Die Politik müsse bei diesen Themen Fingerspitzengefühl beweisen, es drohe sonst die Gefahr der Zensur.

Generell sieht der 22-jährige die Rolle der Politik bei Fragen der digitalen Zukunft eher passiv. Man brauche nicht weitere Ministerien um die Digitalisierung oder den Breitbandausbau voranzutreiben. Viel mehr seien eine parteiübergreifende Zusammenarbeit, verschiedene Ausschüsse und eine gemeinsame Agenda im Rahmen von Landes- und Bundesausschüssen von Nöten.

Recht auf Internet für alle Bürger

Große Ungerechtigkeiten gibt es für den Jungpolitiker beim Thema Internetzugang. Angesprochen auf die Frage, ob es in Deutschland ein Recht auf den Zugang zum Netz geben sollte, antwortet der Linkspolitiker überzeugt. „Absolut! Und ich finde, dass wir da sehen, dass es immer noch total viele Menschen gibt, die nicht in der Form einen Zugriff auf das Internet haben, so, wie es eigentlich sein müsste. Wir haben da ein gespaltenes Land, wie wir es auch ansonsten erleben, in arm und reich. Menschen mit geringerem Einkommen haben einen schlechteren Zugang zum Internet.“ Man dürfe hier auch nicht die älteren Menschen vergessen. Diese Generation werde bei digitalen Themen nämlich gerne aus den Augen verloren, gibt Kannenberg zu bedenken.

Digitalisierung

Er sieht jedoch auch bei jungen Menschen noch weiteren Bedarf wenn es um die Ausbildung digitaler Kompetenzen geht. So sei etwa im Bildungssystem noch sehr viel „Nachholbedarf da“, der Prozess der Digitalisierung stecke hier noch in den Kinderschuhen.

Der Digitalisierung steht der junge Bundessprecher dabei gar nicht nur kritisch gegenüber. Man dürfe diese nicht nur schlecht reden, müsse jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass „technische Errungenschaften im Kapitalismus“ oftmals das Potenzial hätten „ins Negative abzudriften und gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingesetzt zu werden.“ Das müsse man im Blick haben und dürfe nicht in einen blinden Technikoptimismus verfallen.

Lieber öffentliche Verkehrsmittel fördern als E-Autos

Genau diesen sieht Kannenberg nämlich auch als Problem bei den Diskussionen rund um die E-Mobilität. Großen Investitionen durch den Staat in Zukunftsprojekte wie den Hyperloop steht Kannenberg skeptisch gegenüber. Er sei „als Berliner ganz dankbar“ wenn zumindest die Ringbahn der deutschen Hauptstadt „vernünftig fahren würde“. Kannenberg spricht sich daher eher für einen Ausbau und eine Förderung von Fortbewegungsmitteln aus, die schon existieren. Begrüßen würde er somit einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, etwa durch den Ausbau des U-Bahn-Netzes.

Auch vom E-Auto scheint der Jungpolitiker nicht hinreichend überzeugt. Er hält es nämlich für keine gute Idee, die Anschaffung der Stromer durch den Staat subventionieren zu lassen und gibt zu bedenken, dass die Ökobilanz der Elektrowagen durchaus zweifelhaft sei. „Elektroautos sind kein Allheilmittel“, sagt Kannenberg und verweist auf Norwegen. Das Land, bezogen auf seine Einwohnerzahl, bringt es auf die weltweit höchste Dichte an E-Wagen. Real habe dies jedoch bloß dazu geführt, dass „Städte wie Oslo mit Autos geflutet werden“. Der E-Wagen sei de facto nicht die sauberere Alternative. Die Menge an Ressourcen, die für die Herstellung der Stromer verwendet werden würden, sei signifikant höher als bei herkömmlichen Verbrennern. Der bessere Weg, zeigt sich der junge Linke überzeugt, sei der, für eine bessere Fahrradinfrastruktur zu sorgen und den öffentlichen Nahverkehr zu priorisieren.

Mehr Überwachung bietet keinen besseren Schutz

Bei den Themen Datenschutz und Überwachung bezieht der Jungpolitiker klar Stellung gegen Allmachtsfantasien des Staates. Die Politik müsse sich von der Idee verabschieden, dass mehr Überwachung auch ein Mehr an Sicherheit bedeute. Den Behörden hätten beispielsweise im Falle des Terrorristen Anis Amri alle relevanten Informationen vorgelegen, mehr Überwachung hätte also auch in diesem Fall den Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt nicht verhindern können. Es habe lediglich an der Kommunikation und der Koordination zwischen den verschiedenen Behörden gemangelt, kritisiert der Linke. Auch das Pilotprojekt am Berliner Südkreuz lehnt Kannenberg entschieden ab. Das Projekt, bei dem die mit Kameras gefilmten Gesichter der Passanten mit einer Datenbank abgeglichen werden, bezeichnet Kannenberg als „anmaßend“. Das Projekt sein ein drastischer Eingriff in die Privatsphäre eines jeden Bürgers und dürfe so nicht passieren.

Mehr rund um die Bundestagswahl findet ihr außerdem auf unserer Themenseite zur Wahl.

Klick auf die einzelnen Interviewfragen und schaue dir Lucas‘ Antworten im Video an:

—Über die Linke—

00:05 Wer bist du?

00:47Warum bist du bei den Linken?

01:20Was macht die Linksjugend bei den Linken?

02:34 Wie sieht ein typisches Mitglied der Linken aus?

03:47Die 3 wichtigsten Themen der Linken?

—Digital Life / Digitaler Alltag—

05:15Sind die Linken von Fake News betroffen?

06:18 Heiko Maas‘ „Hatespeech-Gesetz“: Dafür oder dagegen?

07:31Reicht ein Internet-Minister für Deutschland aus?

08:15 Sollte jeder Deutsche das Recht auf Internet bekommen?

— Digitalisierung —

09:15 – Bildet Deutschland seine Bürger ausreichend für den digitalen Job-Markt der Zukunft aus…?

09:51 Könnten Roboter irgendwann unsere Jobs ersetzen?

11:11eCommerce: Chance oder Bedrohung?

12:16Sollte der Staat den Einsatz digitaler Geräte in Einrichtungen für Kleinkinder regulieren?

13:29 Illegale Downloads & Streaming: Wer sollte bestraft werden?

15:11 Sollten Behörden digitaler werden?

— (Elektro) Mobilität —

15:38 – Drohnen in der Luft, Lieferroboter auf dem Gehweg…Könnte es bald zu viel Technik auf der Straße geben?

16:15Hyperloop, autonomes Fahren uvm.: Sollte Deutschland investieren oder abwarten?

16:55 E-Auto für privat: Sollte der Staat den Kauf finanziell unterstützen?

17:56 Wie wird Deutschland schnell zu einem Elektro-Auto-Land?

18:56Der CO2-Ausstoß steigt: Was macht Deutschland falsch?

— Überwachung / Sicherheit —

19:36 Immer mehr Länder investieren in Kampfdrohnen & Kampfroboter. Was sollte Deutschland machen…?

20:43Überwachungsstaat Deutschland? Dafür oder dagegen?

22:05 Bundestrojaner: Sollte der Staat unsere Chatverläufe mitlesen dürfen..?

23:06Überwachungskameras mit Gesichtserkennung: Dafür oder dagegen?

24:04 Vorratsdatenspeicherung: Dafür oder dagegen?

24:41 Ist Deutschland gegen groß angelegten Hacker- / Cyberangriffen gewappnet?

—Netzausbau—

25:30 Internet mit Giga-Geschwindigkeit bis 2025: Lassen wir uns zu lange Zeit?

27:32 Zu wenig Hotspots in den Innenstädten – Woran scheitert es?

28:13 Handyempfang: Bald kommt 5G & manche Orte empfangen nicht mal 3G. Sollte der Staat handeln?

28:57 – Deine Meinung zum Thema Digitalisierung…?

— Schlusswort —

30:04 Trump & Twitter: Wie nutzt eure Partei das Social Media?

31:13Wo kann man sich vor der Wahl über euch informieren?

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