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Überwachung in Deutschland: Augen und Ohren überall – was darf der Staat?

Die Frage nach der staatlichen Überwachung ist aktueller denn je. In Zeiten terroristischer Bedrohungen sucht der Staat nach neuen Mittel der Gefahrenabwehr. Datenschützer befürchten den Missbrauch von Techniken wie Apple Face ID. Wie viel Überwachung ist zu viel? Welche Mittel stehen dem deutschen Staat zur Verfügung? Ein Überblick.

Wie privat ist unsere Privatsphäre noch?
Wie privat ist unsere Privatsphäre noch? Foto: pixabay

Kurz vor der Bundestagswahl nimmt die Diskussion über das Thema Überwachung mit der Veröffentlichung des iPhone X nochmal Fahrt auf. Die Gesichtsentsperrung Face ID des neuen Apple-Smartphones ist Traum aller Technik-Nerdsund zugleich Albtraum der Datenschützer, allen voran Edward Snowden.

Der Whistleblower lobt zwar die technische Umsetzung der Funktion, jedoch kritisiert er, dass die Implementierung die Gesellschaft an eine flächendeckenden Gesichtserkennung durch Geheimdienste und Behörde gewöhne.

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Eine Woche vor der Wahl beleuchten wir den Stand der Überwachung in Deutschland. Wie viel ist die Bevölkerung bereit zu akzeptieren, für ein Gefühl von mehr Sicherheit? Über welche Maßnahmen verfügt der deutsche Staat bereits und in welchem Umfang werden diese Mittel eingesetzt? Fragen, die unser aller Zukunft maßgeblich beeinflussen können und daher auf jeden Fall einen genaueren Blick wert sind.

Überwachung stark umstritten

Die Überwachung unserer elektronischen Kommunikation ist nach wie vor stark umstritten. Kritiker sehen in ihr die Verletzung von Grundrechten. Konkret beziehen sie sich auf die Artikel 10 und 13 des Grundgesetzes. In diesen Artikeln wird deutschen Staatsbürgern das Brief,- beziehungsweise Post- und Fernmeldegeheimnis sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert. Verschiedene Urteile setzen der Überwachung durch den Staat daher enge Grenzen.

Und jetzt der Bundestrojaner: Was ist in Deutschland erlaubt?

Erst vor zwei Monaten hat der Bundestag die Erweiterung des sogenannten Bundestrojaners beschlossen. Der Ausdruck beschreibt umgangssprachlich den etwas sperrigen Begriff der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und damit die in Deutschland zulässige Online-Durchsuchung von Tablets, Smartphones oder Computern. Strafverfolgungsbehörden soll mit der Erweiterung nun ermöglicht werden, auch verschlüsselte Kommunikation auf etwa WhatsApp oder Telegram mitlesen zu können.

Dies war bis vor kurzem nicht gestattet. Im Gegensatz zur „normalen“ Telekommunikationsüberwachung werden die Daten nicht bei der Übertragung (also über die Leitungen) abgegriffen, sondern direkt auf dem Endgerät des jeweiligen Nutzers, bevor die Daten überhaupt verschlüsselt werden können. Ermittler müssen die Spähsoftware daher direkt auf das Gerät der Zielperson aufspielen.

Keine Überwachung „auf Verdacht“

Quellen-TKÜs dürfen nur erfolgen, wenn ein wirklich begründeter Verdacht vorliegt und die Überwachung von einem Richter angeordnet worden ist. Anders als bei der ebenfalls sehr umstrittenen Vorratsdatenspeicherung, werden die Daten also nicht „auf Verdacht“ gesammelt. Solche Präventivmaßnahmen sind ausdrücklich nicht gestattet. Bei der Vorratsdatenspeicherung hingegen werden personenbezogenen Daten, meist handelt es sich um Telekommunikationsdaten, über einen Zeitraum von vier bis zehn Wochen gespeichert. Der Gesetzgeber hat die Telekommunikationsanbieter dazu verpflichtet, Informationen zu Anrufen, SMS und Datenverbindungen zu sammeln, ohne dass dafür ein konkreter Grund vorliegt. Aktuell ist die Durchsetzung dieser Maßnahme ausgesetzt, eine abschließende richterliche Entscheidung steht noch aus.

Können Strafverfolgungsbehörden beliebig Bürger abhören und überwachen?

Die Antwort ist: nein. Zwar haben die Behörden durch die Erweiterung der Quellen-TKÜ nun weitreichendere Möglichkeiten der Überwachung. Im Fokus der Großen Koalition standen vor allem die beliebten Messenger. Anbieter wie WhatsApp verschlüsseln die Nachrichtenverläufe inzwischen und sind so für die Behörden nicht lesbar – unverantwortlich, so fand die Politik, gerade in Zeiten terroristischer Bedrohungen. Jedoch bedarf auch diese neue Form der staatlichen Schnüffelei einer richterlichen Anordnung. Und diese gibt es nicht einfach so.

Deutsche sind skeptisch

Ganz egal, wie die Maßnahmen letztendlich genannt werden: Laut einer aktuellen Statista-Umfrage geben 52 Prozent der Deutschen an, gegen die Online-Durchsuchung zu sein. Nur 43 Prozent sprechen sich klar dafür aus. Die Deutschen haben also etwas dagegen, online überwacht zu werden. Auch als Ende der 1990er Jahre die akustischen und optischen Überwachungsmaßnahmen eingeführt worden sind, war schnell vom „Großen Lauschangriff“ die Rede. Und nun treibt eben der Staatstrojaner Datenschützer und Bürger wieder auf die Barrikaden. Wie futurezone bereits berichtet hat, will zum Beispiel der Datenschutzverein eine Überprüfung der Maßnahmen durch das Bundesverfassungsgericht erwirken.

Fazit

Deutschland ist weit entfernt von einem Überwachungsstaat. Online-Durchsuchungen, genau wie die Durchsuchungen von Häusern oder Wohnungen, können nicht beliebig angeordnet werden. Es müssen konkrete Verdachtsmomente bestehen und diese müssen einen Richter überzeugen, der Durchsuchung zuzustimmen. Der Staat muss bei diesem sensiblen Thema beiden Seiten gerecht werden. Einerseits will und muss er seine Bürger und deren Rechte schützen, andererseits braucht er genau dafür auch die entsprechenden (Überwachungs-)Möglichkeiten.

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