Wie weit geht die Meinungsfreiheit in Deutschland, was darf gesagt (oder getwittert) werden, was nicht? Und was geht noch als Satire durch? Seitdem das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gilt, scheint die Antwort auf diese Fragen, zumindest für Twitter, nicht mehr so einfach zu sein. Der Kurznachrichtendienst sperrte nämlich den Account des Satire-Magazins „Titanic“ – weil dieses in Ton und Namen von Beatrix von Storch Tweets absetzte.
Tweet der Kölner Polizei
Doch von vorne. Stein des Anstoßes für das aktuelle Twitter-Chaos war ein Tweet der AfD-Frau von Storch (futurezone berichtete). Diese reagierte auf eine Kurznachricht der Kölner Polizei am Silvesterabend. Um möglichst viele Personen mit ihren Nachrichten erreichen zu können, setzten die Kölner Polizisten ihre Tweets nämlich in verschiedenen Sprachen ab, darunter auch Arabisch.
Von Storch nahm genau diese Nachricht, nicht aber die englisch- oder französischsprachige Botschaft, zum Anlass, um loszupöbeln. „Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf Arabisch“ (Tweet mittlerweile gelöscht) fragte sich die Politikerin via Twitter. Die Reaktionen entsetzter Politiker und Bürger ließen nicht lange auf sich warten, kurze Zeit später sperrte Twitter von Storchs Account.
„Titanic“ nutzt die Gunst der Stunde
Nun kommt das Satire-Magazin ins Spiel und tut das, was es immer tut – provozieren. Wie die Seite meedia.de berichtet, setzten die Satiriker in Ton und Namen der AfD-Politikerin mehrere Tweets ab. Bereits die erste Nachricht sorgte scheinbar bei Twitter für Irritationen und wurde gelöscht.
Der zweite Tweet jedoch schien den Zensurwächtern bei Twitter viel zu weit zu gehen. Der Microblogging-Dienst sperrte kurzehand den Account des Satire-Magazins. Was Twitter damit zeigte: Das NetzDG hat so seine Tücken – und auch Satire kann davon betroffen sein. Während Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland durch das Grundgesetz geschützt sind, scheint das neue NetzDG Plattformen wie Facebook oder eben Twitter zu willkürlicher Zensur zu zwingen. Löschen sie nämlich Nachrichten, die rechtswidrige Inhalte enthalten, nicht regelmäßig, drohen den Firmen empfindliche Geldstrafen.
Um ganz sicher zu sein, scheint Twitter nun auch die Nachrichten der „Titanic“ aus Angst vor Strafe moniert zu haben. Der Kurznachrichtendienst sperrte der Redaktion den Zugang zum eigenen Account – und verlangt die Löschung der „rechtswidrigen“ Tweets. Die Redaktion weigert sich und bittet ausgerechnet, Achtung, Satire!, Heiko Maas um Hilfe bei der Lösung des Problems.
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Der Blogger Sascha Lobo bringt es in seiner Spiegel-Online-Kolumne auf den Punkt: „Seit 1. Januar 2018 gilt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vollumfänglich, schon einen Tag später zeigt sich seine stumpfe Pracht.“ Weiter merkt Lobo an, dass es „letztlich unerheblich“ sei, „ob der konkrete Tweet der ‚Titanic‘ auf das NetzDG hin gemeldet wurde oder aus anderen Gründen“ – „Da löscht man im Zweifel lieber mal ein bisschen mehr (…)“.