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Das Internet, wie wir es kennen, steht vor dem Aus

Das EU-Parlament wird am 20. Juni über eine Reform des Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt entscheiden. Warum man diesen Beschluss plant und welche für Konsequenzen nach sich zöge, erfahrt ihr hier.

EU
Die EU will ein umstrittenes Gesetz zum Urheberrecht auf Europaebene durchbringen. Foto: pr0gramm / SirManiac

Das Urheberrecht des digitalen Binnenmarktes ist eine Thematik, die derzeit innerhalb der EU flächendeckend diskutiert wird. Es würde das Internet, wie wir es kennen, massiv verändern und Folgen nach sich ziehen, die nicht nur für den Endverbraucher, sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen verheerend sein könnten. Dies geschieht unter dem Deckmantel des Schutzes der Urheberrechte und schränkt im selben Zug die Informationsfreiheit ein.

## Update ##

Am 4. Juli 2018 ist den Kritikern der Urheberrechtsreform ein Sieg gelungen: Das EU-Parlament sprach sich vorerst gegen die Reformvorschläge aus. Im September wolle man sich noch einmal mit dem Entwurf befassen und Änderungen beschließen.

Reform ist dringend nötig

Die Ziele der EU-Mitgliedstaaten sowie der Kommission sind an und für sich löblich. Seit 2001 wurde das Urheberrecht nicht mehr auf europäischer, Staaten-übergreifender Ebene angepasst, was unter anderem zur Folge hat, dass selbst die versiertesten Juristen sich nicht länger darüber im Klaren sind, was man im Internet überhaupt machen darf und was nicht.

Dieses Dilemma resultiert vor allem aus der enormen Entwicklung, die das World-Wide-Web innerhalb der vergangenen 17 Jahre hingelegt hat. Mit dieser Entwicklung kamen nämlich nicht nur neue Möglichkeiten sowie ein gewaltiges Potential, sondern ebenso neue Gefahren. Das sind Gefahren für den Nutzer und dessen Privatsphäre, jedoch auch das Urheberrecht wurde in dieser Zeit zum Teil massiv vernachlässigt.

Was gefordert wird

Mit dem Vorschlag, den die EU-Kommission erarbeitet und bereits 2016 veröffentlicht hat, will man den Journalismus, die Wissenschaft und die Künste schützen. Dieser verständliche Gedanke soll jedoch mit der Hilfe von Mitteln durchgesetzt werden, die bereits jetzt zum Scheitern verurteilt sind.

Durch den Einsatz von „Inhaltserkennungstechniken“ soll laut Artikel 13 des Entwurfes das Netz gefiltert werden.

Im Klartext bedeutet das: Alles, was bereits online ist und alles, was du neu hochladen möchtest, wird von einer KI geprüft. Diese künstliche Intelligenz in Form eines fehleranfälligen Algorithmus‘ soll alle Online-Inhalte nach potentiellen Urheberrechtsverletzungen filtern und das rauswerfen, was dem Anschein nach gegen ebendieses Recht verstößt.

Anfällige Algorithmen

Plattformen wie YouTube und Facebook haben bereits eigene Algorithmen, die vor Verletzungen des Copyrights schützen sollen. Bereits hier wird jedoch auffällig: Auch der ausgereifteste Algorithmus ist nicht perfekt. Die angehende EU-Richtlinie würde jedoch nicht nur dich treffen. Sie würde vielmehr alle Portale dazu verpflichten, einen solchen Filter zu integrieren. Denn sie sind für das verantwortlich, was mit ihrer Hilfe gepostet wird und müssen im Zweifelsfall dafür haften.

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Artikel 11 des Entwurfes für das Leistungsschutzrecht befasst sich vor allem mit den Urheberrechten von Nachrichtenseiten. Stärkere Presserechte sollen die Inhalte jener schützen und erfordern den Erwerb einer Lizenz, sofern man diese dennoch nutzen möchte.

Hierbei gibt es jedoch ein recht einfaches Problem: Viele dieser Nachrichtenseiten leben von dem Traffic, der erzeugt wird, wenn Nutzer über externe Links auf sie zugreifen. Diese Einbettungen würden jedoch durch den Beschluss hinfällig, sofern diese externen Seiten nicht willens sind, für eine Lizenz zu zahlen. Das Gesetz, das diese Seiten schützen soll, könnte ihnen also im selben Zug stark schaden.

Save the Internet

Mit dem Blick auf diese drastische Veränderung, die dem Internet durch die Urheberrechtsänderung der EU bevorstehen könnte, mobilisieren sich die Menschen EU-weit. Nicht nur Politiker, sondern auch die Communities diverser Web-Portale schließen sich derzeit in Gruppen zusammen, um sich gegen die Reform (in ihrer derzeitigen Ausarbeitung) zu erheben.

Auch das pr0gramm hat eine Bewegung gestartet, um unter anderem Artikel 13 zu stoppen.
Auch das pr0gramm hat eine Bewegung gestartet, um unter anderem Artikel 13 zu stoppen.
Foto: pr0gramm / Psytreiser

Auch das pr0gramm, welches zuletzt durch die Spendenaktion unter dem Ruf „Krebs ist Scheiße“ an Aufmerksamkeit gewann, hat Arbeitsgruppen erstellt. In ihnen arbeiten die Mitglieder der Community zusammen, um die Medien zu informieren, Parlamentarier zu überzeugen und die Öffentlichkeit auf ebendas aufmerksam zu machen, was aktuell kaum zur Sprache zu kommen scheint: Das „Leistungsschutzrecht“.

Hello Orwell, my old friend

Was wir bisher wissen:

  • Das EU-Parlament will einen Beschluss durchbringen, der die Informationsfreiheit massiv einschränken würde.
  • Plattformen müssen ihre Inhalte mit einer kostenpflichtigen Datenbank abgleichen, die Verletzungen des Leistungsschutzrechts vermeiden soll.
  • Seiten, die vom Traffic leben, würden verdursten, da sich ihre Einbettungen mit ebendieser Datenbank beißen würden.
  • Nutzer könnten keine Inhalte mehr hochladen, die auch nur entfernt das Urheberrecht angreifen könnten (dazu gehören auch Memes).
  • EU-weit setzen sich Aktivisten für den Erhalt unseres geliebten Internets ein.

Fasst man die Fakten zusammen und behält das Potential des Webs im Hinterkopf, so bekommt man gerade vor dem Hintergrund des Facebook-Skandals ein Gefühl, das ein wenig an George Orwells „1984“ erinnert. Denn der „Big Brother“ weiß mittlerweile nicht nur, was du postest. Er kann es noch dazu gezielt filtern und kontrollieren.

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