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Smart Guns: Das Wundermittel gegen Waffengewalt?

In der Theorie könnten smarte Waffen viele Tote und Verletzte durch Schusswaffen verhindern, doch in der Praxis haben die neuen Technologien noch ihre Tücken.

Logo der NRA mit Grabsteinen im Hintergrund
Smart Guns könnten Leben retten. Selbst die Geldgeber der Waffenlobby und Waffenhersteller würden davon profitieren. Foto: imago

Eine Szene, wie aus einem Actionfilm: Ein Feuergefecht zwischen dem Helden und dem Bösewicht, nach einem Handgemenge verliert der Held seine Pistole und sie gelangt die Hände des Schurken. Angesicht zu Angesicht stehen sie sich gegenüber. Die verlorene Waffe ist auf die Stirn des Helden gerichtet. Die Finger des Schurken drücken den Abzug – doch kein Schuss löst sich. Der Held kann seinen verdutzten Gegenspieler entwaffnen und überwältigen.

Smart Guns funktionieren mit personengebundener Autorisierung

So oder so ähnlich könnte ein Werbespot für Smart Guns – auch unter der Bezeichnung Signaturwaffen oder personalisierte Waffen geläufig – aussehen. Eine Waffe, die durch einen Sicherheitsmechanismus an seinen Besitzer gebunden ist, nur wer über die nötige Autorisierung verfügt, kann sie abfeuern. Technikfans sind begeistert vom futuristischen Versprechen der smarten Waffen, Politiker und Waffengegner erhoffen sich mehr Sicherheit für die Bevölkerung, Hersteller sehen neue Möglichkeiten auf dem Markt und die Waffenlobby empört sich über die zusätzlichen Zugangsbeschränkungen der Bevölkerung zu Handfeuerwaffen.

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Das Wundermittel, das keines sein kann

Es ist keine Seltenheit, dass Waffenbesitzer Opfer ihrer eigenen Besitztümer werden, selbst Polizisten werden regelmäßig Pistolen aus dem Holster gestohlen, mit denen sie im Anschluss verletzt oder sogar getötet werden. Vor allem in den USA kommt es immer wieder zu Unfällen, bei denen Kinder mit den Schusswaffen ihrer Eltern hantieren. In den Vereinigten Staaten hat das Ausmaß an Zwischenfällen mit Handfeuerwaffen beängstigende Dimensionen erreicht. Für Waffenhersteller und Gesetzgeber, die durch die beinahe täglichen Vorfälle medial unter Druck geraten, gelten Smart Guns als neues Wundermittel gegen Waffengewalt. Die smarte Technologie würde gestohlene oder illegal erworbene Waffen unbrauchbar machen, das Waffenproblem wäre gelöst.

Das ist natürlich eine verkürzte Darstellung, die kaum den Tatsachen entspricht, denn die Mehrzahl an Opfern von Schusswaffen wird von legal erworbenen und geführten Waffen getroffen. Auch Selbstmorde mit der eigenen Waffe werden damit kaum verhindert werden können. Zudem ist keines der bisher etablierten Systeme vollständig sicher. Jedes elektronische System kann geknackt, jeder Zugangscode entschlüsselt werden. Immer wieder werden Fälle publik, bei denen Smart Guns auf ganz einfache Weise mit billigstem Equipment wie etwa herkömmlichen Magneten gehackt wurden.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Wegen des großen – oder zumindest groß propagierten – Potenzials der smarten Waffentechnologie, wird sie auf jeden Fall heiß diskutiert und das vor allem in den USA, dem Land mit dem wohl größten Schusswaffenproblem der Welt: Laut einer Studie des American Journal of Medicine aus dem Jahr 2013 führen die USA die Statistik der Toten durch Delikte mit Feuerwaffen je 100.000 Einwohner unter 27 entwickelten Staaten weltweit an. Auch in der Popkultur sind die smarten Waffen schon angekommen. Im Film Skyfall bekam Daniel Craig als James Bond eine ausgehändigt.

James Bond nutzt in Skyfall eine Pistole mit Dynamic Grip Recognition (DGR), also einer Technologie, die den spezifischen Griff seines Trägers erkennt. Bisher gibt es noch keine markttauglichen Waffen, die mit DGR ausgestattet sind, ein Projekt des New Jersey Institute of Technology arbeitet jedoch an der Entwicklung einer solchen Waffe. Etwas weniger futuristisch sind Fingerabdrucksensoren, wie sie sich in den letzten Jahren bereits für Smartphones etabliert haben. Der damals 18-jährige MIT-Student Kai Kloepfer präsentierte 2015 die erste funktionsfähige Schusswaffe dieser Art und arbeitet seither mit seiner Firma Biofire Technologies an der Marktreife.

Andere Hersteller nutzen weniger elaborierte Mechanismen, haben allerdings bereits smarte Waffen auf den Markt gebracht. Etwa der deutsche Hersteller Armatix, dessen Pistole Armatix iP1 durch einen Funksensor mit einer Armbanduhr verbunden ist. Entfernt sich die Waffe aus einem bestimmten Radius um die Uhr, so kann die Pistole nicht abgefeuert werden. Andere Hersteller verbauen ihre RFID-Chips (Radio Frequency Identification) in Ringen oder anderen Accessoires – in der Zukunft ist es auch denkbar den Chip unter der Haut einzusetzen. Frühere Varianten von Smart Guns mussten durch einen PIN-Code freigeschalten werden.

Ausbildung statt Technologie

Fakt ist, keine smarte Waffe wird verhindern können, dass Menschen erschossen werden oder Schusswaffen gestohlen werden. Es gibt dafür keine perfekte technische Lösung und es wird sie vermutlich auch nie geben. Medien und Politik stürzen sich trotzdem gerne auf die smarten Waffen, denn sie geben prächtige Headlines ab. Die Senkung der Todesfälle und -verletzungen durch Schusswaffen lässt sich aber auf konventionellem Weg weitaus effektiver bekämpfen: Bessere Ausbildung für Waffenbesitzer und strengere Regelungen für den Erwerb von Waffen und Waffenscheinen haben sich historisch als die beste Methode zur Verhinderung von Schusswaffengewalt erwiesen. Beides sind aber Forderungen, die zumindest in den USA von der mächtigen Waffenlobby rund um die NRA (National Rifle Association), unter Berufung auf die freiheitlichen Grundsätze der amerikanischen Verfassung, vehement bekämpft werden.

NRA und Hersteller würden von Smart Guns profitieren

Gerade die Geldgeber der Waffenlobby – die Hersteller – dürften sich über die Zulassung von Smart Guns oder eine Verkaufsbeschränkung für Privatpersonen auf Signaturwaffen am meisten freuen. Eine solche gesetzliche Regelung würde den Waffenabsatz wohl um einiges steigern, da viele Besitzer dazu gezwungen wären, ihre Waffen zu ersetzen. Staatliche Organisationen wie Polizei und Militär hingegen stehen den smarten Waffen noch skeptisch gegenüber, da die Technologien noch nicht ausgereift genug erscheinen, um im Ernstfall auch tatsächlich die gewünschte Leistung zu erbringen: Greift ein Polizist oder Soldat zur Waffe, könnte ein Fehler im Identifikationsprozess fatale Folgen haben. Wie so vieles, was in der heutigen Zeit mit dem Label „Smart“ versehen wird, brauchen auch die intelligenten Schusswaffen noch einiges an technischem Feinschliff.

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