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Trotz Krankheit am Unterricht teilnehmen – Roboter machen es möglich

Roboter, sogenannte Avatare, sollen auch schwerkranken Kindern die Teilnahme am Unterricht und soziale Interaktion ermöglichen.

Entwicklerin Karen Dolva zeigt ihren Roboter-Avatar AV1
Entwicklerin Karen Dolva zeigt ihren Roboter-Avatar AV1. Foto: dpa

Die Schule ist für viele Kinder nicht unbedingt ihr Lieblingsort. Sie wird oft genug mit unangenehmen Aufstehzeiten, Prüfungen und anderen Stressfaktoren assoziiert. Richtig zu schätzen wissen die Schule dagegen jene Kinder, die aufgrund von Erkrankungen nicht die Möglichkeit haben, diese zu besuchen. Für sie gibt es nun eine Möglichkeit, wenigstens virtuell anwesend zu sein.

Roboter erlauben Teilhabe per Kamera, Mikrofon und Lautsprecher

Seit Anfang März kommen kleine Roboter, sogenannte Avatare, in Deutschland zum Einsatz. Kinder, die ihren Alltag in der Berliner Charité oder im Kinder-Krebszentrum des Uni-Klinikums Hamburg Eppendorf verbringen, sollen dadurch die Möglichkeit bekommen, trotz schwerer Erkrankungen ebenfalls am Schulalltag teilzunehmen und so nicht nur zu lernen, sondern zudem soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.

Der eingesetzte Roboter AV1 ist circa 27 Zentimeter groß und wiegt etwa ein Kilogramm. Seine Steuerung erfolgt via Smartphone oder Tablet und ermöglicht den Schülern per eingebauter Kamera, Lautsprecher und Mikrofon vom Kranknebett aus eine aktive Teilnahme am Unterrichtsgeschehen.

Das Projekt „No Isolation“

Mitentwickelt wurde der AV1 von der Norwegerin Karen Dolva. „Kinder haben so gut wie keine Berührungsängste. Die meisten sind schon mit dem Konzept von Avataren vertraut“, sagt sie. Bereits 2015 hat die heute 27-Jährige gemeinsam mit zwei Partnern das Projekt „No Isolation“ ins Leben gerufen. Mehr als 400 Roboter seien bereits in Betrieb gegangen – unter anderem in Norwegen, Schweden und Großbritannien.

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„Kinder sind soziale Wesen“

„Wir wollen, dass die Kinder damit spielen“, erklärt Dolva. „Der soziale Aspekt ist das Wichtigste. Deshalb soll jedes Kind den Avatar auch problemlos mit sich herumtragen können.“ Die Batterie reicht für sechs bis acht Stunden Videoübertragung – zwischendurch kann sie ganz einfach an einer Steckdose aufgeladen werden. Damit ist der AV1 auch in den Pausen und auf dem Schulweg dabei.

„Kinder sind – wie wir alle – soziale Wesen. Für sie hat die Schule auch die Funktion, mit Gleichaltrigen in Kontakt zu kommen“, erklärt Markus Appel, Psychologe und Professor für Medienkommunikation an der Universität Würzburg. „Das vermissen Kinder natürlich auch.“ Appel begrüßt deshalb grundsätzlich die Möglichkeiten, die die Avatare für erkrankte Kinder bieten.

Schweizer Pendant „Avatar Kids“

Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sieht die Avatare ebenfalls als grundsätzlich positiv an, bemerkt allerdings zudem, dass diese „keinen analogen Kontakt zu Lehrkräften sowie zu den Mitschülerinnen und -schülern“ ersetzen können.

„Avatar Kids“ heißt das Schweizer Pendant des Unternehmens Avatarion. Im Rahmen des hiesigen Projekts kommen laut dem Unternehmen selbst rund 25 der Avatare zum Einsatz. Im Gegensatz zum AV1 ist das Schweizer Modell etwa 60 Zentimeter groß, hat Arme und Beine und hört auf den Namen Nao. Die Kosten für einen Nao belaufen sich auf rund 21.400 Euro.

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Technologie gegen Fachkräftemangel

Der AV1 kann hierzulande für 290 Euro pro Monat gemietet werden. Die Kosten würden meist von Stiftungen oder privaten Firmen getragen, sagt Entwicklerin Dolva. Die Macher des AV1 rechnen mit rund 75.000 Kindern in Deutschland, die zum Teil über Monate hinweg nicht die Schule besuchen können.

Für Krankenhaus- oder Hausunterricht, wie ihn Kinder mit schweren und langfristigen Erkrankungen beanspruchen können, sind ausgebildete Lehrkräfte nötig. „Die Gefahr besteht, dass der Fachkräftemangel durch den Einsatz von Technologie gelöst werden soll“, warnt deshalb Ilka Hoffmann.

Spielerischer Umgang

Die Kinder selbst könnten den Robotern allerdings durchaus etwas abgewinnen, sagt Appel: „Wenn man bei der Einführung der Roboter auch den spielerischen Aspekt betont, kann diese Technik dem betroffenen Kind und auch den Mitschülern durchaus Spaß bereiten.“

Wie man es nicht anders von Kindern gewohnt ist, zeigen sie sich im Rahmen der verschiedenen Projekte erfinderisch. So verkleiden sie die kleinen Roboter etwa, oder bekleben sie mit Stickern, so Dolva. Sogar einen selbstgestrickten Pullover erhielt einer der Avatare von seiner Klasse.

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