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Russland: Bilder zeigen erstmals mysteriöse Waffe – Geheimdienst warnt vor neuer Bedrohung

Aus Berichten aus der Ukraine geht hervor, dass Russland erstmals gelenkte Gleitbomben mit integriertem Schub einsetzt.

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Russland setzt im Krieg gegen die Ukraine offenbar erstmals Gleitbomben mit eigenem Antrieb ein. Zertrümmerte Munitionsteile deuten auf Steuerungssysteme, Tragflächen und möglicherweise einen chinesischen Turbojet-Antrieb hin. Ukrainische Geheimdienste schätzen die Reichweite mit rund 150-200 km – womit die Bomben aus großer Distanz gegen Ziele eingesetzt werden könnten. Ihr technisches Konzept entspricht einer verkleinerten Version von Marschflugkörpern – mit potentiell erheblichen Konsequenzen für die Zivilbevölkerung.

Gleitbombe in Losova bestätigt Verdacht

Die ersten Hinweise auf eine neue Waffenklasse kamen über den ukrainischen Telegram-Kanal Polkovnik GSh. Dort veröffentlichte Fotos zeigen Trümmer einer russischen Gleitbombe, darunter das seriennummerierte Turbojet-Triebwerk Swiwin SW800Pro-Y – ein Modell aus chinesischer Produktion für Drohnen oder Modellflugzeuge. Auch das auf Militärtechnologie spezialisierten Portal The War Zone ordnet das Bauteil als Antriebseinheit für einen neuen Bombentyp ein – mit deutlichem Reichweitengewinn.

Der Generalstaatsanwalt der Region Charkiw bestätigte via Telegram den Einsatz einer solchen Gleitbombe bei einem Angriff auf die Stadt Losova. Die Bombe – mit der Aufschrift UMPB-5R – sei aus über 130 Kilometern Entfernung abgefeuert worden. Mindestens sechs Menschen seien verletzt, elf Wohnhäuser beschädigt worden.

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Das macht die Waffe so gefährlich

Nach Einschätzung des ukrainischen Militärgeheimdienstes (Holowne uprawlinnja roswidky Ministerstwa oborony Ukrajiny, HUR) handelt es sich um eine Weiterentwicklung des bekannten russischen UMPK-Moduls, das ursprünglich dazu diente, klassische Freifallbomben in gelenkte Gleitbomben zu verwandeln. Die neue Version – bezeichnet als UMPK-PD oder UMPB-5R – enthält zusätzlich ein kleines Triebwerk, das die Reichweite mehr als verdoppeln kann.

Der Buchstabe P steht vermutlich für „Dalniaya“ – russisch für „Langstrecke“. Der stellvertretende HUR-Chef Generalmajor Vadym Skibitsky sprach jüngst im Rahmen eines RBC-Ukraine-Forums von Reichweiten zwischen 150 und 200 Kilometern und von „neuen Steuermodulen“, die unempfindlicher gegenüber Störsignalen seien. „Nach unseren Informationen erreichten sie bei einem der letzten Tests eine Reichweite von 193 Kilometern.“

Technisch kombiniert die neue Gleitbombe:

  • ein Steuer- und Navigationsmodul mit Satellitennavigation (GLONASS) und Inertialnavigation,
  • ausklappbare oder starre Tragflächen,
  • ein kommerzielles Turbojet-Triebwerk mit etwa 80 Kilogramm Schubkraft (≈785 Newton).

Damit erhält die Waffe eine angetriebene Flugphase – ein Prinzip, das eher von Marschflugkörpern bekannt ist. Ruslan Pukhov, Direktor des russischen Thinktanks Center for Analysis of Strategies and Technologies (CAST), bezeichnete die neue Gleitbombe gegenüber der russischen Tageszeitung Kommersant als „hervorragende, aber vermutlich temporäre Lösung“, um Reichweitenlücken im russischen Arsenal zu überbrücken.

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Neue Bedrohung für Städte hinter der Front

Der größte strategische Vorteil für russische Streitkräfte: Kampfflugzeuge wie die Su-34 könnten die Gleitbombe aus sicherer Distanz – teils sogar aus dem russischen Luftraum – abwerfen. So geraten sie nicht in Reichweite der ukrainischen Flugabwehrsysteme wie Patriot oder IRIS-T SLM.

Ukrainischen Medienberichten zufolge kamen die neuen Bomben bereits bei Angriffen auf Dnipro, Mykolajiw und Sumy zum Einsatz. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte am Sonntag auf X, Russland habe allein in einer Woche mehr als 1.360 gelenkte Luftbomben, rund 1.200 Drohnen und über 50 Raketen gegen die Ukraine eingesetzt. Sollte sich die neue Gleitbombe flächendeckend durchsetzen, könnten gezielte Angriffe auf Stromnetze, Bahnhöfe und Wohngebiete in Städten weit hinter der Front zum Alltag werden.

Allein in der Nacht auf Sonntag habe Russland über 100 Drohnen gegen die Ukraine eingesetzt. „In mehreren Stadtteilen wurden gewöhnliche Wohnhäuser beschädigt“, so Selenskyj weiter. „Leider sind bislang drei Menschen bei dem Angriff ums Leben gekommen.“

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Völkerrechtlich heikel

Das ukrainische Strafrecht wertet den Angriff auf Losova als Kriegsverbrechen gemäß Artikel 438 des ukrainischen Strafgesetzbuchs. Die regionale Staatsanwaltschaft dokumentierte den Einsatz gegen zivile Wohnviertel. Und auch Beobachter*innen von Amnesty International sehen in den anhaltenden Angriffen auf die Zivilbevölkerung der Ukraine ein eskalierendes Mittel, das gezielt auf Einschüchterung, Zermürbung und die Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur abzielt – mit potenziellen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht.

Russland verändert seine Taktik im Luftkrieg: Statt teurer Marschflugkörper nutzt es zunehmend umgerüstete Altbestände, die mit günstiger, modularer Technik präzisionsfähig gemacht werden. Daraus entsteht eine neue Waffenklasse – zwischen Gleitbombe und Marschflugkörper – mit potenziell breiter Einsatzfähigkeit. Für die Ukraine bedeutet das eine weitere Eskalation, für westliche Partner den Druck, schnell zusätzliche Systeme zur weitreichenden Luftverteidigung bereitzustellen.

Quellen: Telegram/@war_home; The War Zone; Telegram/@prokuratura_kharkiv; RBC-Ukraine; Kommersant; X/@ZelenskyyUa; United Nations Office on Drugs and Crime; Amnesty International

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