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Felix Petersen zur Blockchain: „Wir werden in Zukunft Regularien brauchen“

Der Managing Director von Samsung NEXT Europe, Felix Petersen, meint im Interview mit futurezone: Die Blockchain-Debatte ist der Entwicklung voraus.

Managing Direktor bei Samsung NEXT Europe. Foto: Lukas Gansterer

Blockchain ist ein Wort das nun bereits seit einigen Jahren seine Kreise zieht – nicht nur in der Berliner Start-up-Szene, sondern weltweit. Immer mehr Unternehmen schließen sich dem Hype um die dezentralisierten Netzwerke und Apps an und wollen herausfinden, was die treibende Technologie hinter Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum kann und worin ihre Zukunft liegt.

An diesem Trend beteiligen sich jedoch keineswegs nur Programmierer und Investoren, denn ganze Staaten haben bereits ihr interesse an dieser neuen Technologie gezeigt und die Möglichkeiten erkannt, die Blockchain mit sich bringt. Überlegungen zu digitalen – jedoch dezentralisierten – Wahlen sind dabei nur der Anfang von dem, was noch kommen könnte.

Berliner Start-ups und das Potential der Blockchain

Auch futurezone interessiert sich für die Technologie, die derzeit für Aufregung sorgt. Deshalb haben wir uns von Felix Petersen, dem Managing Director von Samsung NEXT Europe, der Innovationszentrale des Unternehmens in Europa, neben der Hauptstadt-Szene auch das Potential der Blockchain erklären lassen.

Der gebürtige Berliner Felix Petersen stellt bereits seit einigen Jahren eine treibende Kraft in der Berliner Start-up-Szene dar und kann sich für nahezu alles begeistern, was mit bahnbrechenden neuen Technologien zu tun hat. So hat er sich mit Samsung NEXT unter anderem auch an dem Blockstack-Event beteiligt, das Anfang März in Berlin stattgefunden hat, und er nimmt regelmäßig an internationalen Konferenzen teil.

futurezone: Was macht Berlin im Vergleich zu anderen Städten zu einem solchen Nährboden für neue Start-ups?
Felix Petersen:
Berlin war ja bekanntlich jahrzehntelang in der damaligen DDR eingeschlossen und gleichzeitig auch noch in sich geteilt. Deshalb hat sich hier keine große Industrie ansiedeln können oder wollen. Daraus entstand ein Nährboden mit einer unvergleichlichen Energie und Kulturszene, auf dem sich Berlin zur Stadt mit dem größten sozialen Kapital in der Welt entwickelt hat.

Ein Ort mit einer großen Anziehungskraft für kreative Menschen aus aller Welt – und da sind eben auch viele Personen mit Ideen für Startups dabei, die dann wiederum weitere Menschen mit Ideen in die Stadt ziehen. Daraus entstanden dann Firmen wie EyeEm oder SoundCloud, die es so nur in Berlin geben konnte.

Meinen Sie, staatliche Regulierungen könnten Blockchain-basierten Projekten wie Blockstack einen Strich durch die Rechnung machen – beispielsweise wenn es um Sachen wie Zahlungsmethoden geht?
Das ist eine komplexe Frage, die sich schwierig pauschal beantworten lässt. Regulierung ist zunächst erst einmal gut, weil sie eine Beschäftigung mit dem Thema voraussetzt. Die deutsche Bundesregierung zum Beispiel hat sich im Gegensatz zu Malta oder Estland ja bisher nur sehr vage im Koalitionsvertrag zu dem Thema geäußert.

Es geht außerdem primär nicht darum, Blockchain als Technologie zu regulieren, das wäre auch völlig abwegig. Die Debatte dreht sich um die Regulierung von ICOs als de facto Verkauf von Wertpapieren an ungeschützte und uninformierte Kleinanleger. Da ist 2017 viel Schaden angerichtet worden und muss reguliert werden.

Dezentrale Technologien wie Blockchain bieten immense Möglichkeiten, Wohlstand und Chancen weltweit gerechter zu verteilen und Datenmonopole zu brechen. Es ist aber ein schwer zu verstehendes Thema und so ist ein großes Maß an Expertise notwendig, um sinnvolle und wirkungsvolle Regulierungen ein- und umzusetzen.

Die gesamte Entwicklung aller dezentralen Konzepte inklusive der Blockchain stehen noch ganz am Anfang. Wir loten gerade also überhaupt erst noch die technischen Möglichkeiten aus – in diesem Fall ist die öffentliche Debatte der eigentlichen Entwicklung zum Teil sogar voraus. Wir werden in Zukunft aber Regularien brauchen – sie sind weniger ein Hindernis als mehr ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Blockchain vom Nischenprodukt hin zu einem weltweit akzeptierten Konzept.

Wo, glauben Sie, werden dezentralisierte Apps zukünftig zu finden sein?
Das Netz ist im Kern ja eine dezentrale Architektur. Die Entwicklung der letzten zehn Jahre mit zentralisierten Clouds, zentralisierten Newsfeeds und zentralisierten Identitäten war im Grunde unnatürlich und dem Pragmatismus und der Machbarkeit geschuldet. Facebook oder Twitter hätte sich niemals auf eine Milliarde Nutzer skalieren lassen ohne eine zentrale Architektur mit einem Betreiber.

Dezentrale Technologien wie Blockchain haben das Potential, das zu ändern. Das Internet selbst hat ja gezeigt, dass offene Protokolle wie TCP/IP zu mehr und nicht zu weniger Innovation führen und haben sich am Ende gegen geschlossene Systeme wie Compuserve oder AOL durchgesetzt.

Ein dezentrales Uber muss man sich dann weniger als Firma und mehr als Nahverkehrsprotokoll für Städte vorstellen. Das ist ein völlig anderer Ansatz mit unvorstellbarem Potential. Wir sind der Meinung, dass dezentrale Technologien und Protokolle das Potential haben, einen Schub ähnlich dem der Erfindung des Web auszulösen. Das wird sich in den nächsten zehn bis 15 Jahren entfalten. Heute weiß noch keiner genau, wie dies vonstatten gehen wird.

Sehen Sie die Blockchain als eine Technologie mit starkem Zukunftspotential oder ist das vielleicht nur ein Trend?
Blockchain ist definitiv eine Technologie mit einem großen Zukunftspotential – zum einen passiert in dem Bereich derzeit global sehr viel, zum anderen birgt die Technologie als solche in sich aber auch die Möglichkeit, die bestehenden Systeme grundlegend zu verändern – eben weil sie dezentral aufgebaut ist. Mit anderen Worten: Auch etablierte Unternehmen und Plattformen, die momentan zu den ganz Großen im Geschäft zählen, können durch die Blockchain-Technologie auf den Kopf gestellt werden.

Außerdem kann die Blockchain-Technologie auch in ganz „un-technischen“ Bereichen ihre Kreise ziehen – zum Beispiel durch Smart Contracts, die traditionelle Papierverträge überflüssig machen und gleichzeitig eine größere Vertragssicherheit erreichen.

Welche Technologien könnten in den nächsten drei Jahren mit Blockchain gleichziehen – angeblich wird die Verarbeitung mit jeder Transaktion aufwendiger und andere Verfahren wie Tangle setzten daher auf Netze statt auf Ketten?
Zum momentanen Zeitpunkt könnte man keinen Massendienst auf der Blockchain aufbauen. Derzeit gibt es verschiedene Ansätze wie zum Beispiel Sharding, auf das die Ethereum-Community setzt, oder aber auch das von Ihnen erwähnte Tangle. Lightning Network ist wieder ein anderer Ansatz. Da stehen wir noch am Anfang.

Das Entscheidende ist aber, dass die besten Entwickler von Google und Facebook gerade scharenweise in diese Projekte strömen, um diese Probleme, wie beispielsweise Scaling und Energieverbrauch beim Mining, zu lösen. Das wird noch zwei, drei Jahre dauern, aber sie werden gelöst werden.

Open-Source-Technologie zusammen mit den eingebauten Incentivierungs-Mechanismen der Krypto-Ökonomie ergeben so eine kraftvolle Mischung – und so verläuft die Entwicklung derzeit atemberaubend rasant.

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Was raten Sie Unternehmen die heute beginnen, Blockchain-Kompetenz aufzubauen und noch keine eigenen Kompetenzzentren haben, die sich damit beschäftigen?
Es gilt, die Augen und Ohren offenzuhalten. Die Geschichte lehrt, dass die Zukunft eben nicht genau vorhergesagt werden kann: Es gibt immer wieder Entwicklungen, mit denen keiner gerechnet hat – in solchen Momenten ist es wichtig, gleichzeitig flexibel zu agieren, aber auch einen langen Atem mitzubringen. Bahnbrechende Entwicklungen brauchen oftmals eben auch Zeit in der Vorbereitung.

Unternehmen, die Blockchain-Kompetenz aufbauen wollen, rate ich, zum einen natürlich qualifiziertes Personal zu suchen und zum anderen aber auch, auf neue Ideen nicht mit der Stoppuhr in der Hand zu warten. Große Unternehmen können darüber hinaus durch Innovationsarme wie Samsung NEXT die globalen technologischen Entwicklungen aktiv unterstützen.

Herr Petersen, vielen Dank für das Interview!

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