Die derzeitige Hitzewelle, die weite Teile Europas fest im Griff hat, treibt nicht nur die Temperaturen in die Höhe, sondern sorgt auch für außergewöhnlich hohe Strompreise. Da Atomkraftwerke in Frankreich und der Schweiz ihre Leistung deutlich reduzieren müssen, steigen auch in Deutschland die Preise spürbar – besonders für Haushalte mit flexiblen Stromtarifen.
Strompreis: Hitze zwingt Atomkraft in die Knie
Seit Mitte Juni herrscht in Westeuropa eine extreme Hitzewelle. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) meldet für den Juni Temperaturen, die im Durchschnitt um 3,1 Grad Celsius über dem Wert der Referenzperiode von 1961 bis 1990 lagen. Besonders im Südwesten wurden an mehr als zehn Tagen über 30 Grad Celsius gemessen – mit direkten Auswirkungen auf den Strompreis.
Frankreich, wo etwa 70 Prozent des Stroms aus Atomkraft stammen, musste Reaktoren wie im Kraftwerk Golfech ganz vom Netz nehmen, um eine Überhitzung des Flusses Garonne zu verhindern. Das geht aus einem aktuellen Bericht des öffentlich-rechtlichen französischen Nachrichtenportals Franceinfo.fr hervor. Auch an anderen Standorten wie Blayais und Saint-Alban reduzierten zuständige Stellen die Leistung deutlich. In der Schweiz fuhren Betreiber die Produktion in mehreren Reaktoren auf 50 Prozent herunter.
Warum das Ganze?
Atomkraftwerke brauchen kühles Fluss- oder Meerwasser zur Kühlung ihrer Anlagen. Steigt die Temperatur dieses Wassers stark an, sinkt die Effizienz der Kraftwerke. Gleichzeitig schränken strenge Vorgaben zur maximal erlaubten Erwärmung von Flüssen und Seen den Betrieb zusätzlich ein. Wird diese Grenze überschritten, droht ein ökologisches Ungleichgewicht in den betroffenen Gewässern.
Die Stromproduktion muss also gedrosselt oder gar gestoppt werden. Bisher führten hitzebedingte Einschränkungen im Schnitt zu einer jährlichen Reduktion der französischen Atomstromproduktion um 0,3 Prozent. In heißen Jahren wie 2003 oder 2022 war der Effekt jedoch deutlich größer. Solche Situationen werden mit dem Klimawandel wohl häufiger auftreten, wie der französische Rechnungshof mitunter in einer 2023 veröffentlichten Mitteilung zur „Anpassung des Kernreaktorparks an den Klimawandel“ an den Finanzausschuss des Senats betonte, – und sich wohl auch langfristig maßgeblich auf den Strompreis auswirken.
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Dynamische Stromtarife im Nachteil
Deutschland ist eng mit dem europäischen Stromnetz verbunden. Fällt in Frankreich Atomstrom aus, während hier wenig Wind weht und die Nachfrage wegen Klimaanlagen hoch ist, schnellen die Preise nach oben. Anbieter wie Tibber, die ihre Tarife direkt am Marktpreis orientieren, meldeten dem Handelsblatt zufolge an einzelnen Abenden Strompreise von bis zu 76 Cent pro Kilowattstunde – ein Vielfaches des Üblichen.
Besonders Haushalte mit dynamischen Stromtarifen merken das sofort. Für viele kommt der Schock auf der Abrechnung – unerwartet hohe Kosten für den Strom, der in diesen heißen Stunden aus der Steckdose kam.
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Betreiber planen Anpassungen
Das Bild, das sich in diesem Sommer zeigt, könnte ein Blick in die Zukunft sein. Der Fluss Rhône hat sich in den letzten hundert Jahren um etwa zwei Grad Celsius erwärmt. Wie Eaufrance, das offizielle Informationsportal des Office français de la biodiversité (OFB), erklärt, ist das ein direktes Resultat des Klimawandels und industrieller Einleitungen.
Betreiber wie Électricité de France (EDF) müssen bestehende Kraftwerke anpassen und neue so bauen, dass sie auch bei höheren Temperaturen zuverlässig arbeiten können. Doch viele der notwendigen Anpassungen stecken noch in den Anfängen, wie ein EDF-Dokument aus dem Jahr 2022 zeigt.
Die Verbindung zwischen fernen Flüssen und dem eigenen Strompreis wird künftig wohl noch spürbarer. Für Haushalte in Deutschland heißt das: Nicht nur die Temperaturen klettern – auch die Kosten können an heißen Tagen ungeahnte Höhen erreichen.
Quellen: Deutscher Wetterdienst; Franceinfo.fr; Cour de comptes; Handelsblatt; Eaufrance; Électricité de France