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„Binge Race“ löst „Binge Watching“ ab

Eine Statistik von Netflix belegt, dass immer mehr Nutzer ganze Staffeln am Stück durchgucken. Der Streaming-Anbieter erfindet zudem auch eine neue Disziplin: das „Bing Race“.

Die zehn häufigsten "gebingeraceten" Serien auf Netflix. Foto:

Früher machte man das so: Feierte die neue Staffel der Lieblingsserie im Fernsehen Premiere, schaufelte man sich den Abend frei, lud vielleicht noch ein paar Freunde ein, stellte Snacks bereit – und hätte am Ende der Folge zu gerne gewusst, wie es weitergeht. Doch das erfuhr man erst eine Woche später. Gleiche Zeit, gleicher Ort.

Streaming verführt zu Serien-Sucht

Heute sind die Voraussetzungen anders. Für Abonnenten eines Streamingdienstes sind die Lieblingsserien rund um die Uhr verfügbar, neue Staffeln werden oft am Erscheinungstag komplett veröffentlicht. Den Cliffhangern am Ende jeder Folge zu widerstehen, wird damit umso schwieriger. Denn die Auflösung wartet womöglich nur einen Klick entfernt. Oder zwei Klicks. Oder drei.

Schon länger bekannt ist daher das Phänomen des „Binge Watching“, bei dem Nutzer mehrere Folgen einer Serie hintereinander schauen. Nun hat sich aber ein Trend entwickelt, bei dem Nutzer noch einen drauf legen.

„Binge Watching“ war gestern

Beim „Binge Racing“ versuchen Streaming-Kunden, neue Staffeln oder gar ganze Serien so schnell wie möglich zu schauen – am besten komplett und innerhalb von 24 Stunden nach Veröffentlichung. Laut Netflix haben weltweit 8,4 Millionen Nutzer schon einmal ein sogenanntes „Binge Race“ durchgezogen. Von 2013 bis 2016 habe sich die Zahl der „Races“ zudem verzwanzigfacht. Jeden Nutzer treibe dabei das gleiche Ziel an: der Erste zu sein, der eine Staffel bis zum Ende geschaut hat.

„Es ist ein besonderes Erlebnis, eine Geschichte als Erster zu beenden”, sagt Brian Wright, Netflix-Vizepräsident im Bereich „Original Series“. „Es erinnert mich an die Leute, die die ganze Nacht Schlange stehen, um das neueste ,Harry Potter’-Buch oder Tickets für ‚Star Wars‘ zu bekommen.“

Deutschland auf Platz sechs

Netflix zufolge liegt Deutschland im internationalen „Binge-Race“-Vergleich auf Platz sechs hinter Kanada, USA, Dänemark, Finnland und Norwegen. Die beliebteste Show für diese Art des Serienguckens ist hierzulande sowie weltweit die „Gilmore Girls“-Fortsetzung „Ein neues Jahr“. Womöglich, weil sie bei einer Gesamtlänge von sechs Stunden vergleichsweise machbar erscheint.

Wright hat noch eine andere Erklärung. Dass die Serie ganz oben stehe, überrasche ihn nicht, weil „es sehr viele Fans gab, die die Fortsetzung kaum abwarten konnten. Also stürzten sie sich darauf und sahen sie in einem durch.“ Auf Platz zwei landete in Deutschland die Manga-Serie „The Seven Deadly Sins“, gefolgt von der Actionserie „Marvel’s The Defenders“.

Eine Faustformel, welche Art von Show großes Binge-Potenzial hat, kann Wright nicht ausmachen. „Wir sehen zwar, dass Dramen mit vielen Cliffhangern und Schubkraft in den Charts sind, aber das Gleiche gilt auch für Komödien“, sagt er. „Was die Rankings aber durchaus zeigen, ist, dass Geschmäcker weltweit extrem vielseitig sind.“

Geschmäcker sind verschieden

So erzielte Deutschland weltweit die höchste Prozentzahl an „Binge Racern“ für die Shows „The Last Kingdom“, „Sherlock“ und „Orphan Black“ – alles Serien, die im weltweiten Ranking gar nicht in den Top 20 auftauchen.

Und Deutschland kann sogar einen Rekord verbuchen: Ein Abonnent hat es fertiggebracht, 13 verschiedene Serien als „Binge Race“ anzuschauen. Und das allein 2017. Beunruhigt so eine exzessive Nutzung Netflix gar nicht?

Binge Racing sei nicht gefährlich

„Ich glaube nicht, dass wir vor ,Binge Racing’ warnen müssen. Ich halte es für eine völlig gesunde Reflexion dessen, wie sehr Menschen eine Geschichte lieben“, sagt Netflix-Vize Wright. „Denken Sie an jemanden, der ein Buch kauft und so begeistert davon ist, dass er es vom Anfang bis zum Ende lesen will und dafür zehn Stunden braucht. Ich glaube nicht, dass sich auch nur irgendwer Sorgen um die Person machen würde.“

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