Veröffentlicht inDigital Life

Retro-Serie #ThrowbackThursday: „badday.mpg“ und die ersten viralen Videos im Internet

Keine Frage: Wir mögen es, wenn Technik zerstört wird. Vor allem, wenn wir es uns im Netz anschauen können. Eines der ersten „viralen“ Videos handelt davon – auch wenn es den Begriff „viral“ 1997 noch gar nicht gab.

Büroangestellter hämmert mit Tastatur auf Computer
Ein Büroangestellter wird wütend – und zwar aus gutem Grund. Foto: Screenshot/sn0wsh00

Viele mögen sich vielleicht noch an Zeiten erinnern, als das Großraumbüro noch aus sogenannten Arbeitsnischen bestand. Kein Homeoffice, kein Coworking, auch eine offene Kommunikationskultur, die heute so gepriesen wird, hatte kaum einen Stellenwert im derartigen Arbeitsleben. So erging es auch Vinny Licciardi. Mit seinem gefilmten Ausraster am Computer soll die Erfolgsgeschichte der Videos, die wir heute als „viral“ bezeichnen, begonnen haben.

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Wie Wired.com berichtete, war Licciardi 1997 bei Loronix, einem Tech-Unternehmen aus Colorado, USA, angestellt. Er entwickelte Technologien für Überwachungskamera-Systeme. Um potenziellen Kunden anschaulicher zeigen zu können, wie das funktionierte, was er konstruierte, tat er sich mit seinem Chef, Peter Jankowski, zusammen. Gemeinsam drehten sie ein Video mit einer Analog-Kamera, das in der folgenden Zeit tausende Male und bis heute wohl Millionen Male geteilt wurde.

Zuerst sollte Licciardi so tun, als würde er das Lager von Loronix ausrauben. Mit der Überwachungskamera würden sie ihn fassen. Dann kam ihnen jedoch eine bessere Idee: „Es war ziemlich ad hoc“, sagt Jankowski gegenüber Wired.com. „Wir hatten ein paar defekte Computer, Monitore und Tastaturen im Büro, die haben wir einfach in einer der Arbeitsnischen aufgebaut.“ Licciardi spielte den übellaunigen Mitarbeiter, der das Equipment zerstören sollte. Zwei Anläufe brauchte es, bis die Szene im Kasten war. „Beim ersten Take mussten wir einfach zu sehr lachen“, berichtet Licciardi.

„badday.mpg“: Erst vergessen, dann viral

Sie konvertierten das Video in MPEG-1-Format und gaben ihm den Titel „badday.mpg“, das für den damals weit verbreiteten Windows Media Player am besten kompatibel war. „Großartige Auflösung – 352 x 240“, scherzt Jankowski. Die Promo-CDs, auf die sie den Clip brannten, verteilten sie zusammen mit einer Informationsbroschüre über ihr Unternehmen auf Messen – und vergaßen die Aktion schließlich.

Andernorts geriet das Video nicht in Vergessenheit. Im Folgejahr begann es sich schlagartig zu verbreiten. Die mit 5 MB enorm große Datei brauchte Licciardi zufolge sogar die E-Mail-Server ganzer Unternehmen zum Absturz. Er selbst konnte die Geschichte kaum fassen. Nicht, dass er auf der Straße erkannt wurde, aber wenn er Fremden davon erzählte, war er doch davon überrascht, wie viele seinen Clip gesehen hatten.

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„Katharsis des irgendwie ständig frustrierenden Computer-Erlebnisses“

Vor dem Hintergrund, dass heute, im Zeitalter von YouTube, Reddit, Vimeo, Facebook und so weiter nahezu täglich Videos „viral gehen“, erscheint es umso erstaunlicher, wie sich der Clip 1997 derart schnell verbreiten konnte. Web-Entwickler Benoit Rigaut berichtet auf Wired.com, er habe erst einmal 20 Minuten gebraucht, um das Video aus einer E-Mail heraus in guter Qualität herunterzuladen. Und dann war es auch noch nötig, einen der wenigen Media Player installiert zu haben, um es abzuspielen. Aber: „Es war definitiv etwas Besonderes an diesem Video“, so Rigaut. „Eine regelrechte Katharsis des irgendwie ständig frustrierenden Computer-Erlebnisses.“

Also baute er eine Fanpage für das Video. Darauf nimmt er im Detail auseinander, wieso es ein Fake sein muss. In Screenshots markiert er, vermutlich mit MS Paint, mit roten Kreisen die inhaltlichen Fehler. Es ist seine Art, Web-Inhalte auseinanderzunehmen, die man auch heute noch unter Verschwörungstheoretikern findet. Rigauts Vorgehensweise könnte die Methode popularisiert haben. Sogar eine Nachricht von Licciardi selbst hat der Web-Entwickler erhalten und auf seiner Seite veröffentlicht.

Wie auch immer: Rigauts Fanpage zog täglich tausende Besucher (damals hieß das noch so) an und war dadurch auch leichter zu teilen. Monetär lukrativ wurden virale Clips aber erst mit YouTube und anderen Sharing-Plattformen, und vor allem mit Facebook. So wird etwa auch „Evolution of Dance“ als erste virales Video angesehen (über 302 Millionen Aufrufe bei YouTube) – jedenfalls, wenn es nach seinen Fans geht, die den Tänzer in den Kommentaren feiern.

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Wieder andere sehen das Video eines Teenagers, der vor seiner Webcam ausgelassen (und ganz schön bescheuert) singt und tanzt, als erstes virales Video an (über 28 Millionen Aufrufe bei YouTube).

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Zerstören, tanzen, singen

Beweise dafür, welches nun das erste virale Video war, gibt es nicht. Typisch Internet eben. Am Ende ist aber wohl das Geheimnis der viralen Clips recht banal: Mehr als einen Menschen, der absichtlich oder unabsichtlich etwas zerstört, der zu schmissiger Musik tanzt oder singt, braucht es offenbar nicht. Gerade in Zeiten, in denen die Angst größer wird, dass Technologien die Oberhand über unser Leben nehmen, ist es schließlich befriedigend, Geräte zerstört zu sehen. Hauptsache, das Ganze ist unterhaltsam. Währenddessen zirkuliert Licciardis Computer-Ausraster weiter im Netz.

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