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Lügendetektor: Deshalb müsste er ganz anders heißen

Der Lügendetektor dürfte eigentlich gar nicht so heißen. Dennoch fasziniert er Menschen seit 100 Jahren. Wir erklären, wie er die Wahrheit aufspüren will.

Mann an einem Lügendetektor
Lügendetektoren sind ein heikles Thema. Foto: Getty Images/D-Keine

Seit jeher versuchen Menschen Lügen und Lügnern auf die Schliche zu kommen. Deshalb war es eine Revolution, als vor rund 100 Jahren der erste Lügendetektor erfunden wurde. Bis heute ist das Gerät allerdings höchst umstritten. Wir erklären dir, warum das so ist – und wieso manche Experten die Bezeichnung anzweifeln.

Mann an einem Lügendetektor

Lügendetektor: Deshalb müsste er ganz anders heißen

Der Lügendetektor dürfte eigentlich gar nicht so heißen. Dennoch fasziniert er Menschen seit 100 Jahren. Wir erklären, wie er die Wahrheit aufspüren will.

Lügendetektor: Die Geschichte des Entlarvens

Die Grundidee für Lügendetektoren hatten zwei Psychologen Anfang des 20. Jahrhunderts. Den ersten Apparat entwickelte schließlich Vittorio Benussi 1913 – er nannte ihn Polygraph. Das Gerät registrierte die Atmungsphasen und den Puls der Versuchsperson. Die Annahme: Menschen sind beim Lügen mindestens geringfügig nervös.

Diese Nervosität erzeugt im vegetativen Nervensystem unwillkürliche Reaktionen, die der Polygraph darstellen kann. Die Interpretation obliegt allerdings dem Polygraphisten.

Die gängigsten Reaktionen sind:

  • Änderung der Atemfrequenz
  • Änderung des Pulses
  • Änderung des Blutdrucks
  • Änderung des Hautwiderstands durch Schwitzen
  • Zittern

Bewerbungsgespräche und Vernehmungen

Getestet wurde er erstmals 1935 in einem Experiment. Seither hat er sich weiter verbreitet, kommt aber vor allem in den USA zum Einsatz. Dort existiert sogar eine Lobby-Organisation namens American Polygraph Association.

Dort nutzt sie beispielsweise die Polizei für Bewerbungsgespräche und bei Vernehmungen. Auch das FBI und die CIA verwenden Lügendetektoren, unter anderem, um die Vertrauenswürdigkeit ihrer Mitarbeiter zu testen.

Wie funktioniert ein Lügendetektortest?

Beim Lügendetektortest unterscheidet man zwischen zwei gängigen Verfahren: dem Tatwissens- und dem Vergleichsfragentest. Sie alle dienen dem einen Zweck: den potenziellen Lügner zu entlarven. Natürlich können sie auch einen tatverdächtigen Lügenbaron entlasten, wenn sich herausstellt, dass er die Wahrheit sagt und unschuldig ist.

Tatwissenstest

Das ist eine indirekte Methode, weil dabei gefragt wird, ob der Tatverdächtige etwas über die aufzuklärende Tat weiß statt ihn direkt zu fragen, ob er sie begangen hat. Das Ziel ist es herauszufinden, ob er Einzelheiten weiß, die nur der Täter wissen kann.

Vergleichsfragentest

Beim Vergleichsfragentest, auch Kontrollfragentest geht es nicht um Täterwissen, sondern um direkte Fragen nach der aufzuklärenden Tat: Hat er sie begangen? Sowohl ein wirklicher Täter als auch ein fälschlicher Verdächtiger reagieren sehr stark darauf, wobei Letzterer noch stärker reagiert. Die Fragen sollen so gestellt werden, dass sie den Befragten während des gesamten Lügendetektortests „beschäftigen“. Auch missbilligtes Verhalten aus der Vergangenheit des Befragten wird in die Fragen miteingearbeitet.

Dafür wird im Voraus ein Gespräch geführt, für das kein Lügendetektor genutzt wird. Dabei geht es auch um biografische Details. Es ist quasi ein Probedurchlauf. Danach wird dem Befragten berichtet, der Durchgang sei zufriedenstellend gewesen. Ihm wird dann offen gelassen, ob er den Test wirklich durchführen möchte. Dann werden die eigentlichen Fragen gestellt und mit den Antworten auf die Probefragen in Verbindung gebracht.

Kritik am Lügendetektor

Die Kritik an Lügendetektoren und Lügendetektortests sind zahlreich. Ist das Gerät unzuverlässig, kann großer Schaden entstehen. Kritiker meinen, es gebe keine wissenschaftlich haltbaren Beweise für seine Zuverlässigkeit, Fehleinschätzungen seien aber zahlreich. Daher ist die Verbreitung der Polygraphen relativ gering.

Zudem können Fehler leicht dadurch entstehen, dass ein Proband versucht, den Psychologen auszutricksen. So kann er unmerklich den Kopf bewegen oder die Zähne zusammenbeißen, um Reaktionen hervorzurufen, die den Test verfälschen.

Rechtslage: Sind sie in Deutschland erlaubt?

In Deutschland ist der Einsatz in Strafverfahren und bei Vorermittlungen seit einem Bundesgerichtshofurteil von 1954 verboten, selbst wenn Angeklagte dem zustimmen würden. Der Test verletze die Menschenwürde, er beeinträchtige den Willen des Beschuldigten und untergrabe außerdem das gesetzliche Verbot der Misshandlung.

Ungenaue Bezeichnung

Ein Kritiker ist der Bayreuther Psychologe Wolfgang Vehrs, ein langjähriger Gutachter für Gerichte. Er ist einer der wenigen, der Lügendetektoren hierzulande einsetzt. Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk macht er deutlich, dass er diese Bezeichnung der Geräte für eine Mogelpackung hält. Sie würden schließlich nicht messen, ob jemand lüge oder die Wahrheit sage, sondern lediglich körperliche Reaktionen erfassen und aufzeichnen, die der Befragte nicht kontrollieren könne.

Eine ausgefeilte Befragung durch den Tatwissenstest sei daher ambivalent zu betrachten. Vehrs zufolge lasse sich dadurch nur beurteilen, ob jemand über eine Tat Bescheid weiß. Damit ist noch nicht klar, ob er sie begangen hat. Er verwendet wie andere Gutachter lieber den Vergleichsfragentest.

Lügendetektor als App: Kann das funktionieren?

Lügendetektoren faszinieren, so viel ist klar. Kein Wunder, dass es mittlerweile auch Lügendetektor-Apps gibt. In den App Stores kannst du sie herunterladen. Sei allerdings gewarnt: Sie sind nicht dafür entwickelt worden, deinen Partner zu kontrollieren oder andere solcher Dinge zu tun. Das könnte schnell nach hinten losgehen. Es handelt meist sich um Spaß-Produkte zum Zeitvertreib.

Dennoch gibt es auch etwa Lügendetektor-Apps für Menschen mit sozialen Ängsten oder dem Asperger-Syndrom. Sie sollen Betroffenen helfen, Emotionen besser zu verstehen.

Auf eine zuverlässige, seriöse Lügendetektor-App kann man derweil lange warten, erklärt auch das MWP-Institut für Lügendetektortest und forensische Polygraphie: So sind für einen Polygrafen empfindliche Sensoren nötig, „dies ist über ein Smartphone leider technisch gar nicht möglich“. Zudem fehle es an Rechenleistung und entsprechender Software. Das alles würde einen horrenden Preis kosten, den sicher nicht jeder Handynutzer bereit wäre zu zahlen.

Quelle: Bayerischer Rundfunk, Spiegel, eigene Recherche

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