Katherina Reiche ist seit Mai 2025 Bundeswirtschaftsministerin – und hat seither einen fossilen Kurs eingeschlagen. In nur zehn Wochen hat sie milliardenschwere Gaskraft-Pläne durchgesetzt, Förderprogramme gekappt – und dabei wissenschaftliche Fakten oft ignoriert.
Katherina Reiche teilte beim Wirtschaftsrat der CDU ihre Pläne für das Heizungsgesetz.
Credit: IMAGO / Mike Schmidt / Canva.com [M]
Nur zwei Tage nach ihrer Vereidigung stellt Katherina Reiche beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee den „Realitätscheck der Energiewende“ vor. Herzstück: Ausschreibungen für mindestens 20 Gigawatt fossiler Gaskraftwerke – doppelt so viel wie nach EU-Recht derzeit beihilfefähig. Umweltverbände warnen: Die geplanten Subventionen könnten 22 bis 32 Milliarden Euro kosten und Strompreise langfristig erhöhen.
Credit: IMAGO / RevierfotoIm Bundestag und auf Parteiveranstaltungen erklärt Reiche das Gebäudeenergiegesetz (GEG) für gescheitert und spricht von einem „Zwang zur Wärmepumpe“. Dabei war das GEG bereits seit 2024 technologieoffen – fossile und hybride Heizsysteme weiterhin erlaubt. Expert*innen sehen in Reiches Rhetorik eine bewusste Irreführung, die Sanierungsdynamik und Marktvertrauen gefährdet.
Credit: IMAGO / dts Nachrichtenagentur Vor dem Hintergrund eines Pressestatements mit EU-Vizekommissionspräsidentin Teresa Ribera im BMWK verteidigt Reiche ihre 20-GW-Pläne. Brüssel verweist auf den neuen Beihilferahmen CISAF: Solche Subventionen müssen bedarfsbasiert begründet sein – sonst drohen Rückforderungen. Die Auseinandersetzung markiert den ersten internationalen Konfliktpunkt ihrer fossilen Industriepolitik.
Credit: IMAGO / Bernd ElmenthalerIm Vorfeld der vierten Kabinettssitzung tauscht sich Reiche mit Umweltminister Schneider aus. Kurz darauf bringt die Bundesregierung das steuerliche „Wachstumsbooster“-Paket auf den Weg – flankiert von Reiches Kraftwerksstrategie. Während Reiche von „Planungssicherheit für Investoren“ spricht, kritisieren Ökonom*innen die milliardenschwere Bevorzugung fossiler Infrastruktur.
Credit: IMAGO / Jens SchickeAuf dem BDEW-Kongress präsentiert Reiche fossile Kraftwerke als „Rückgrat“ der Versorgungssicherheit. Gleichzeitig legt das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft eine Kostenanalyse vor: Die geplante Verdopplung von 10 auf 20 GW Gaskapazität könnte den Staat bis zu 32 Milliarden Euro zusätzlich kosten – ohne nachweisbaren Sicherheitsgewinn.
Credit: IMAGO / Mike SchmidtVor dem Hintergrund des Empfangs des neuen OECD-Wirtschaftsberichts warnt Generalsekretär Cormann vor einem Rückstand beim Ausbau Erneuerbarer und empfiehlt CO2-Bepreisung sowie Netzinvestitionen. Reiche zeigt sich dennoch zufrieden und betont erneut „klassische Standortpolitik“. Ein Bruch mit den Empfehlungen internationaler Institutionen, der wirtschaftlich riskant ist.
Credit: IMAGO / Bernd ElmenthalerNoch vor Vertragsabschluss lobt Reiche öffentlich die Einigung mit dem Emirat Abu Dhabi auf langfristige LNG-Lieferungen. Die staatliche SEFE bestätigt den Drei-Jahres-Deal wenige Tage später. Wissenschaftler*innen warnen: Die vereinbarten Mengen könnten als „stranded assets“ enden, wenn CO2-Preise und europäische Klimaziele greifen.
Credit: IMAGO / Bernd ElmenthalerIm Haushaltsentwurf 2025 reduziert das Wirtschaftsministerium die Mittel für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff um rund zwei Drittel. Verbände wie FNB Gas und DVGW zeigen sich irritiert – ausgerechnet während Europa seinen Wasserstoffmarkt hochfährt. Fachleute sprechen von einem strategischen Rückschritt mit langwierigen Folgen für die Industrie.
Credit: IMAGO / dts NachrichtenagenturDie Bundesregierung sichert auf Reiches Vorschlag hin die Arbeitsplätze im Werk Schwedt – bis Ende 2025 bleibt die Anlage weiter fossil betrieben. Der ursprünglich geplante Wasserstoffumbau ist nicht Teil der Einigung. Angesichts steigender CO₂-Preise halten Klimaökonom*innen das Signal für ökologisch und ökonomisch kontraproduktiv.
Credit: IMAGO / Future ImageEine Kleine Anfrage im Bundestag thematisiert mögliche Interessenkonflikte durch Reiches frühere Rolle als CEO bei Westenergie. NGOs und Transparenz-Initiativen fordern strengere Offenlegungspflichten. Der Zeitpunkt ist heikel: Die Ausschreibungsregeln für Milliardenförderungen fossiler Kraftwerke stehen unmittelbar bevor.
Credit: IMAGO / dts NachrichtenagenturWährend die Ausschreibung der ersten Gaskraftwerke für den Herbst vorbereitet wird, formieren sich Widerspruch und Widerstand. Ökonom*innen warnen vor dauerhaften Mehrkosten, Umweltverbände planen Klagen – und die EU-Kommission prüft, ob das 20-GW-Programm überhaupt beihilferechtlich zulässig ist. Der fossile Weg ist politisch durchgesetzt – doch rechtlich und finanziell steht er noch ganz am Anfang.