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„Legal Affairs“-Star Lavinia Wilson über illegale Anwaltsmethoden

Am Sonntag gibt es die Anwaltsserie „Legal Affairs“ zu sehen. Hauptdarstellerin Lavinia Wilson verrät überraschende Details.

"Legal Affairs: Hexenjagd": Kanzleichefin Leo (Lavinia Wilson
"Legal Affairs: Hexenjagd": Kanzleichefin Leo (Lavinia Wilson

Berlins Polit-, Medien- und Promiszene steht am Sonntag nach dem München-„Tatort“ im Mittelpunkt. Diesmal beschäftigt sich aber nicht wie gewohnt die Talksendung „Anne Will“ damit, sondern die neue Anwaltsserie „Legal Affairs“. Die ersten beiden der acht Folgen strahlt das Erste ab 21:45 Uhr aus. Die restlichen laufen zur gleichen Uhrzeit am 20., 22., und 23. Dezember.

Grimmepreisträgerin Lavinia Wilson (41, „Frau Böhm sagt Nein“) spielt in dem spannenden Format die Hauptrolle der erfolgreichen und gnadenlosen Staranwältin Leo Roth, die sich im Laufe der Serie in ein bedrohliches Dickicht aus politischen und privaten Intrigen verstrickt. Ihre Fälle – jede Episode erzählt einen abgeschlossenen Fall – behandeln aktuelle Themen wie die Macht von Boulevardmedien, Shitstorms, Rassismus oder Korruption.

Im Interview mit spot on news erzählt Schauspielerin Lavinia Wilson unter anderem, was sie sich bei der Vorbereitung beim realen Berliner Medienrechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz (55) angeschaut hat, was sie bei den Dreharbeiten an ihre Grenzen gebracht hat und was sie an Shitstorms verblüfft.

Was hat Sie an der Serie „Legal Affairs“ besonders gereizt?

Lavinia Wilson: Total spannend an dem Projekt ist für mich die Aktualität und Brisanz der Themen: der anonyme Hass im Netz, Shitstorms, Hatespeech. Aber auch die Absurdität, dass sich so viele Menschen online selbst entblößen, ohne dass jemand danach gefragt hat, was das mit unserer Gesellschaft macht. Und wie sowas wieder eingefangen werden kann. Unfassbar finde ich zudem, wie innerhalb kürzester Zeit die Reputation von Menschen zerstört werden kann – und zwar auch von Menschen, die nie Gegenstand des öffentlichen Interesses sein wollten.

Was finden Sie an Ihrer Rolle, der Staranwältin Leo Roth, besonders spannend?

Wilson: Leo Roth ist eine Frauenfigur, die es einem nicht leicht macht. Das finde ich erstmal toll. Wir erzählen zwar in jeder der acht Folgen einen abgeschlossenen Fall, trotzdem haben wir so eine weite Strecke zur Verfügung, die wir auch dazu nutzen, diese Figur in einer unglaublich großen Komplexität zu erzählen. Das bedeutet allerdings auch, dass sie Seiten hat, die dazu führen, dass ich nicht unbedingt mit ihr Kaffeetrinken gehen würde. Aber als Anwältin hätte ich sie natürlich schon gerne – zumindest, wenn sie gut drauf ist. Dass ich eine so überbordende, impulsive, manipulative und gleichzeitig auch verletzliche Figur spielen darf, fand ich total spannend.

Leo Roth ist extrem eloquent und spricht sehr schnell. Wie schwer war es, diese Texte zu lernen?

Wilson: Ja, das war der Horror. Als ich mir die ersten beiden Folgen vorab angesehen habe, habe ich mich auch ein bisschen erschreckt über das Tempo und diese Texte. Ich kann mich erinnern, dass es mich wahnsinnig viel Kraft gekostet hat, als wir das gedreht haben. Aber das es dann so krass wird, hatte ich unterschätzt. Vorher habe ich immer gesagt: Ach Textlernen, das bleibt doch hängen, sobald man versteht, welche Intention dahintersteht. So war es bei mir auch wirklich, bis Leo Roth um die Ecke kam.

Leos Texte sind wirklich wahnsinnig lang, weil sie sich gerne reden hört, und sehr komplex. Vor allem die juristischen Texte musste ich ganz präzise wiedergeben, weil es sonst inhaltlich schnell nicht mehr stimmt. Das bedeutete für mich schon einen Extrarechercheaufwand. Erst danach konnte ich mich mit den anderen Aspekten der Figur beschäftigen. Dieses Textlernen hat mich an meine Grenzen gebracht, was mir so bisher noch nicht passiert ist… Als nächstes würde ich ganz gerne einen Stummfilm machen (lacht).

Der reale Medienanwalt Christian Schertz stand Ihnen und dem ganzen Filmteam beratend zur Seite. Haben Sie das genutzt?

Wilson: Ja, ich habe ihn in der Kanzlei beobachten dürfen und war mit ihm auch vor Gericht. Da konnte ich mir schon ein bisschen was anschauen.

Ist er das männliche Pendant zu Leo Roth?

Wilson: Nein, das würde ich nicht sagen. Er hat schon sehr viel Inspiration gegeben. Beispielsweise sind die Fälle, die wir behandeln, typische Fallkonstellationen. Es sind aber keine realen Fälle. Was er aber immer betont hat, ist, dass die Schnelllebigkeit, der Druck, die Flexibilität und die ständigen Veränderungen, die wir in der Serie zeigen, real sind.

Und was die Parallele zu meiner Figur angeht, hat Christian Schertz auf jeden Fall schon auch diese Selbstverständlichkeit, sich den Raum zu nehmen und so eine Ungeduld. Einerseits argumentiert er in der Sache total präzise und wasserdicht. Und dann legt er plötzlich wieder so eine ganz rotzige Berliner Schnodderigkeit an den Tag. Das fand ich total interessant. Auch diese sehr schwungvolle Unterschrift habe ich mir eins zu eins von ihm abgeschaut. Und natürlich einzelne Sprüche, wie zu den Mitarbeitern zu sagen: „Einfach machen!“ Den Rest musste ich mir aber ausdenken. Denn um eine Figur spannend zu gestalten, muss ich mir ja ihre innersten Ängste, Wünsche und all das vergegenwärtigen und zusammenbauen.

Leo Roth beugt das Gesetz an manchen Stellen stark, beispielsweise „zahlt“ sie bei einem Boulevardjournalisten mit pikanten Informationen über Prominente. Was hat Christian Schertz dazu gesagt?

Wilson: Dazu hat er sich ganz klar positioniert: Die Methoden, die Leo Roth anwendet, die sich am Rande der Legalität bewegen, würde er nie anwenden. Das ist ihm auch ganz wichtig. Auch diese ganze horizontal erzählte Geschichte ist rein fiktional.

Sie haben das Thema Shitstorm schon angesprochen. Das ist ja heutzutage eine reale Gefahr. Was haben Sie bei den Dreharbeiten zur Serie für sich zum Umgang damit gelernt?

Wilson: Ich bin zum Glück noch nie Opfer eines Shitstorms geworden. Im Zuge der Recherche für die Serie habe ich mich zum ersten Mal so richtig mit Shitstorms beschäftigt und mich in die Kommentarspalten begeben. Ich war schon schockiert über die Häme, die da über Leute ausgegossen wird und wie Menschen aus dem vermeintlichen Schutz der Anonymität heraus ihre Abneigung ausdrücken. Ich frage mich, ob diese Menschen einem das auch so ins Gesicht sagen würden. Ich glaube nicht. Gleichzeitig frage ich mich: Wo kommt dieser Hass her? Das muss ein ganz großer Frust sein. Es ist einfach wahnsinnig traurig und ich kann es mir nicht wirklich erklären.

Was glauben Sie, wie würden Sie selbst mit einem Shitstorm umgehen?

Wilson: Das ist schwierig, aber ich glaube, die einzige Lösung ist, nicht zu reagieren. Wenn ich mal auf Social Media etwas poste, bekomme ich schon auch Gegenwind. Das gehört dazu. Aber wenn sich da so eine geballte Masse auf einen Menschen stürzt, das kann und will ich mir eigentlich nicht vorstellen. Ich glaube, ich würde immer versuchen, es in einem größeren Kontext zu sehen, weil nur dann habe ich keinen Grund, das Ding einfach auszuschalten.

… denn das Internet und insbesondere Social Media haben auch ihre guten Seiten?

Wilson: Ganz genau. Man kann natürlich die Dummheit und Hässlichkeit vieler Kommentare auf Social-Media-Plattformen ekelhaft finden. Aber gleichzeitig hätten Bewegungen wie „Metoo“ oder „Fridays for future“ nicht so eine Durchschlagskraft entwickeln können, wenn es die sozialen Medien nicht gäbe. Alles zu verteufeln, finde ich also schwierig.

Auch ich habe auf Social Media manchmal Begegnungen, die mich überraschen. Wenn ich zum Beispiel plötzlich einen langen Brief von einem Menschen aus Indien bekomme, der auf Netflix etwas mit mir gesehen hat, was ihn sehr berührt hat. Wenn ich so etwas lese, finde ich es natürlich ganz toll, dass so eine Form des Austausches möglich ist, die es vorher nicht gab. Das Internet ist ja eigentlich mal gestartet als eine Chance für mehr Gleichberechtigung, mehr Demokratie, mehr Freiheit und mehr Vernetzung. Inzwischen ist es vor allem auch eine kapitalistische Verkaufsplattform. Das sagt aber weniger über das Internet aus als über uns.

Leo Roth ist eine sehr elegante Erscheinung. Gefällt Ihnen dieser Style auch privat?

Wilson: Dass Leo Roth vor allem am Anfang so hell gekleidet ist, war die Idee der Kostümbildnerin. Wir wollten eine Frau, die so sehr am Abgrund wandelt, wie einen Unschuldsengel aussehen lassen. Das fand ich super und hat mir auch sehr geholfen, in die Rolle hineinzufinden. 

Aus Nachhaltigkeitsgründen kaufe ich mir seit Jahren kaum mehr neue Klamotten. Stattdessen kaufe ich die Kleidung, die ich in Filmen und Serien trage, den Produktionen ab. Die Folge davon ist, dass ich einen Kleiderschrank habe, der voll ist von Klamotten der Figuren, die ich gespielt habe. Und ich muss das dann irgendwie kombinieren.

Da die meisten Kleidungsstücke in diesem Fall aber aus dem Fundus oder Second Hand waren und zurückgegeben wurden, konnte ich diesmal fast nichts abkaufen – ja, auch die Filmbranche wandelt sich hin zu mehr Nachhaltigkeit. Was ich mir von Leo aber mitgenommen habe, ist diese sehr coole Sonnenbrille mit diesem großen Glamourappeal. Die habe ich auch den ganzen Sommer über gern getragen.

(ili/spot)

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