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Einmal Bundeskanzler spielen: Der „Kanzlersimulator“ im Kurztest

Wir haben Kanzlerin gespielt – mit dem „Kanzlersimulator“. Das Game ist nicht nur etwas für Schüler. Wir haben den Test gemacht.

Kanzlersimulator
Kanzlersimulator Foto: Screenshot

Wie wäre es wohl, einmal Bundeskanzler zu sein? Wie wäre es wohl, Koalitionen zu bilden, Parlamentsabstimmungen zu verfolgen, die eigenen Wahlversprechen durchzusetzen? Natürlich würde jeder von sich behaupten, alles besser zu machen, Schulden ebenso abzubauen wie Steuern, seine Wahlversprechen zu halten. Ganz so einfach ist es aber nicht. Das zeigt auf lehrreiche Art und Weise der „Kanzlersimulator“, ein Lernspiel von Planet Schule, dem Schulfernsehen von SWR und WDR. Zur Bundestagswahl 2009 ist es gestartet und wird seither zu jeder neuen Wahl aktualisiert. 2014 erhielten die Macher dafür den Grimme Online Award. Wir haben den Kurztest gemacht.

Zunächst sollen wir uns entscheiden, welche Spielzeit wir wünschen. Man kann wählen zwischen 15, 30, 40 und 90 Minuten. Für den Test genügt uns allerdings die 15-minütige Variante „für alte Hasen und Sportliche mit Hang zur Katastrophe“, wie uns versprochen wird.

Anprobe

Wer sich zu diesem Zeitpunkt bereits fragt, wieso denn der Kanzler-Avatar nur eine Unterhose trägt, wird bei Spielstart beruhigt (oder enttäuscht) sein: Im nächsten Schritt ziehen wir ihn oder sie nämlich an. Je nach Geschmack können wir Hüte, Anzüge, Frisuren, Bärte und Brillen wählen. Schließlich entscheiden wir uns für Frau Bundeskanzlerin, ganz seriös mit langen, dunkelbraunen Haaren, Lederhose und Hipster-Brille.

Wahlversprechen

Dann geht es um die eigenen Wahlversprechen. Fünf Ressorts mit je drei Themen sind zur Auswahl vorgegeben. Äußerst lehrreich dabei: Hat man seine Wahl getroffen und zum Beispiel mit „Ja“ für ein einheitliches Schulsystem in allen Bundesländern gestimmt, wird auch angezeigt, inwieweit man damit mit den Parteien in Deutschland übereinstimmt. In diesem Fall ist die Mehrheit der Partien ebenfalls für die Abschaffung des föderalen Schulsystems, davon mehrheitlich Sozialdemokraten, Linksdemokraten und die „Nationale Alternative“. Bis man den Timestamp gefunden hat, der anzeigt, wie weit die Zeit fortgeschritten ist, dauert es etwas. Ob das Spiel dann automatisch beendet wird, ist unklar.

Bereits in diesem Schritt wird die erste politische Lektion fällig: Erstens ist der Politikbetrieb nicht so einfach, wie man ihn sich vorstellt. Die eigene Themenauswahl beansprucht Zeit und reifliche Überlegung. Zweitens ist es nötig, Abstriche zu machen. Denn spätestens wenn der kleine Reichstag am unteren Bildschirmrand aufploppt und uns mitteilt, dass mehr als sechs Wahlversprechen in einer Amtszeit nicht zu schaffen sind, müssen wir uns zurücknehmen.

Partei wählen

Im Anschluss wählen wir unsere Partei, die Gründemokraten. Klimaschutz ist schließlich wichtig. Und als Tech-News-Website sind wir natürlich auch technikbegeistert. Das Ergebnis: TGP, die Technikbegeisterte Gründemokraten Partei.

Die Wahl

Dann können wir uns erst einmal entspannt zurücklehnen, denn, dass unsere Partei gewählt wird, steht in diesem Spiel außer Frage. Dazu schauen wir uns in einem kleinen Film die Nachrichten an, ein weiteres, schönes Detail des Spiels.

Regierungsbildung: Koalition, Kanzler, Minister

Hier wird es wenigstens für Schüler knifflig. Es geht darum, passende Regierungspartner für eine Mehrheit im Parlament zu wählen, Koalitionsbildung also. Wir als TGP haben nämlich nur 37,5 Prozent der Stimmen. Da wir uns nicht gleich mit mehreren „Gegnern“ herumschlagen wollen, wählen wir die Freidemokraten, mit denen wir zusammen eine 55-prozentige Mehrheit bilden. Immerhin sehen wir links, dass diese Partei in den meisten Punkten thematisch mit uns übereinstimmt. Nur beim Thema „Vorratsdatenspeicherung für 10 Wochen wieder verbieten“ gehen unsere Interessen weit auseinander. Ob das noch Probleme geben wird?

Außerdem müssen wir uns noch zum Kanzler wählen lassen. Durch Klicken auf die Abgeordneten der unterschiedlichen Parteien müssen wir uns innerhalb von zehn Sekunden die Mehrheit sichern. Gar nicht so einfach. Dann gilt es auch noch Minister zu ernennen. Dafür gibt es nun wieder mehr Zeit. Aber wollen wir uns wirklich mit Carola Groß, ihres Zeichens bildende Künstlerin und als „medienblass“ eingestuft, als Umweltministerin herumschlagen? Natürlich ist es gut, jemandem vom Fach zu haben, aber Künstler können anstrengend sein.

Dann lieber Ökowirt Antoine Neugebauer. Das wird sicher auch nicht leicht, aber erstens ist uns Umwelt wichtig und zweitens soll er ein Medienprofi sein und ein politisches Schwergewicht dazu. Gut für Umweltthemen. Aber nein, Antoine passt nur als Kulturminister, für ein anderes Ministerium können wir ihn nicht auswählen. Dann noch Juri Slavicheck für Sicherheit, damit uns auch niemand vorwerfen kann, wir wären nicht divers.

Haushalt planen

Geschafft? Von wegen. Weiter geht es mit der Haushaltsplanung, wieder so eine politische Lektion. Wir erinnern uns, dass wir viel in Bildung investieren wollten. Wenn dafür allerdings bereits die Hälfte des Haushalts draufgeht, bleibt kaum etwas für unsere andere Lieblingsthemen wie die Umwelt. Ein Geschachere, aber immerhin schaffen wir es noch, etwas vom Haushalt zu sparen, statt weitere Schulden zu machen.

Gesetzesentwurf

Parteiendeal oder Kompromiss? Leider hat unser Gesetzesentwurf zum einheitlichen Schulsystem in Deutschland nicht die Mehrheit im Parlament gebracht. Wir wollen ja diplomatisch sein, also reden wir, am besten natürlich mit unserer eigenen Partei. Aber macht das Sinn? Oder wären die Freidemokraten als Gesprächspartner besser gewesen? immerhin sind auch sie gegen den Entwurf. Bei einem Kompromiss muss man dann die Figuren, also unsere Kanzlerin und den Abgeordneten der Partei, mit der man verhandelt, aufeinander zu bewegen, bis sie schließlich einschlagen und den Deal klarmachen. Ein simples Prinzip, da hatten wir mehr erwartet.

Upps, Zeit abgelaufen

Dann wird schließlich doch die Frage vom Anfang beantwortet: Wir haben die Zeit überschritten, die „Wiederwahl ist fehlgeschlagen“, wir haben „wenige politische Erfolge vorzuweisen“ und das Spiel ist beendet. Der Ratschlag: Wir müssen „politisch einfach noch mehr punkten“. Das könnte mit einem anderen Koalitionspartner vielleicht besser funktionieren. Demokratie ist eben „kein Zuckerschlecken“.

Das ist etwas ärgerlich, aber immerhin ein besseres Feedback als ein schlichtes „Die Zeit ist abgelaufen“. Allerdings müssten wir für eine neue Legislaturperiode noch einmal ganz von vorne anfangen, inklusive Einkleiden. Und diese Prozedur bedarf Sorgfalt. Denn, wie Dr. Disselbeck (Wo kommt er eigentlich auf einmal her und wer ist er?) rät: Wer will schon einen Kanzler in Unterhosen?

In den nächsten Spielpartien geht es dann nach dem gewohnten Prinzip weiter. Der Kanzler oder die Kanzlerin muss Themen aus allen Ressorts mit dem Parlament aushandeln, in Kompromissen eben oder in Parteideals, deren Spielweise allerdings kaum ersichtlich ist. Schnickschnack oder Machtkampf sind auch noch zwei Optionen für den Spieler, die aber selten auswählbar sind. Schade.

Dazwischen sind dann noch andere Aufgaben zu absolvieren, zum Beispiel im Multiple-Choice-Stil Themen der eigenen Rede zum Tag der deutschen Einheit auswählen. Präsentiert wird das Fazit der Rede dann wieder in den Nachrichten. Gescheiterte PR-Kampagnen können so auch durchgespielt werden, kamen in unseren Spielverläufen aber nicht vor. Über weitere Gesetzesentwürfe wird dann sehr anschaulich mit Kreuzchen oder Häkchen abgestimmt. Das läuft so lange, bis die Zeit bereit ist für eine Wiederwahl – und damit dem Start eines neuen Spiels.

Fazit

Der „Kanzlersimulator“ ist vergnüglich, lehrreich und grafisch gut aufbereitet. Aber das Spiel ist in der Bedienung auch behäbig und Anweisungen bleiben oftmals vage. Aber vielleicht gehen Digital Natives im besten Schulalter intuitiver heran als wir Digital Immigrants. Das Versprechen der Hersteller, „auf spielerische Weise jede trockene Institutionenlehre“ zu schlagen, wird jedenfalls gehalten.

Mehr zur Bundestagswahl gibt es auf unserer Themenseite Bundestagswahl und hier:

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