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Unser Test: Der neue VW eGolf im Stadtverkehr Berlins

Der neue eGolf von Volkswagen soll mit nur einer Ladung auf 300 Kilometer Reichweite kommen. Wir haben ihn auf seine Alltagstauglichkeit hin geprüft – inklusive Schweißausbrüchen und Bierkistentest.

eGolf
Der eGolf hat den Ladetest bestanden. Foto: Katharina Nickel/Lars Hügemeier

Seit Sommer 2017 ist die neue Version des eGolf auf dem Markt. Denn Elektromobilität ist für Volkswagen gerade enorm wichtig. Nach dem Abgasskandal 2015 hat sich der Konzern neben einer Geldstrafe in Millionenhöhe dazu verpflichten müssen, Elektroautos für ein „Green City“-Projekt herzustellen.

Volkswagen ist also unter Zugzwang, verfolgt das Thema Elektromobilität in seiner Unternehmensstrategie aber ohnehin schon konsequent. Bis 2025 will er Marktführer sein. „e-Power“ nennt sich die Produktlinie, in die sich der Elektro-Golf einreiht. Wir haben ihn eine Woche lang auf seine Tauglichkeit im Alltag getestet – im Stadtverkehr, beim Einkaufen und natürlich beim Laden.

Der eGolf im Stadtverkehr

Baustellen, kuriose Ampelschaltungen, lebensmüde Fußgänger, Fahrradfahrer und BMWs, dazu Tempo-30-Zonen und ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern auf vielen Abschnitten der Stadtautobahn: Das ist der Berliner Stadtverkehr in Reinkultur. Wir haben ihn dem eGolf nicht erspart und sind vom Stadtteil Wedding über die Stadtautobahn durch das Verkehrschaos in Mitte bis ins futurezone-Büro in der Friedrichstraße gefahren.

Das Ergebnis: Das Elektroauto fährt sich extrem geschmeidig. So ist beim ständigen Stop-and-Go allein schon das Automatikgetriebe des uns zur Verfügung gestellten Modells eine Erleichterung. Darüber hinaus sorgt der E-Antrieb nicht nur für ein vollkommen geräuschloses Fahrerlebnis, sondern auch für ein angenehm leichtes. Wer bereits Erfahrungen mit einem Original-Golf mit Benzinmotor hat, wird mit der Elektrovariante mehr als zufrieden sein.

Die Power

Die Lithium-Ionen-Batterie tut hier ihr Übriges: Beim neuen eGolf ist der Energiegehalt von 24,2 kWh auf 35,8 kWh erhöht worden. Damit schafft er 136 PS statt vorher 115 bei einer – elektronisch begrenzten – Höchstgeschwindigkeit von 150 Stundenkilometern. Dazu kommt ein Drehmoment von 290 Nm (vorher: 270 Nm), womit der „Zero Emission Golf“ das Niveau des aktuellen Golf 1.8 TSI übertrifft. Beim Anfahren sind diese technischen Optimierungen spürbar: Auf 80 Stundenkilometer beschleunigt der Wagen in nur 6,9 Sekunden, nach 9,6 Sekunden ist er bei 100 Stundenkilometern. Wer nicht gerade in der Pole Position an einer Ampel auf gerader Strecke steht, kann die Beschleunigung im Stadtverkehr nicht ohne weiteres ausfahren. Auf der Stadtautobahn wiederum ist die Power des eGolfs nützlich und spaßig.

Der Durchschnittsstromverbrauch bleibt damit laut VW mit 12,7 kWh recht niedrig, im Alltag allerdings nur, wenn man auch mit einer konstanten Geschwindigkeit fährt. Im Stadtverkehr bietet der Motor also keine Vorteile für den sparsamen Fahrer.

Der Sound

Wer es nicht gewohnt ist, ein Elektroauto zu fahren, wird vom Sound beziehungsweise Nicht-Sound überrascht sein. Ein Gadget, das mittlerweile viele Elektroautos innehaben, hat auch Volkswagen in seinen neuen eGolf eingebaut: einen „Sound-Modus“. Der kann über die Mittelkonsole aktiviert werden. Er erzeugt Motorgeräusche, mit denen man sich bei den anderen Verkehrsteilnehmern besser bemerkbar machen kann.

Innenraum-Ausstattung

Design-technisch ist der Innenraum des eGolf auf den ersten Blick typisch VW. Die technische Ausstattung ist allerdings umfangreicher. Besonders auffallend ist das 9,7 Zoll große Display mit dem integrierten Infotainment-Angebot „Discover Pro“. Dies kann per Gestensteuerung bedient werden, im Praxistest hat sich diese allerdings als etwas behäbig erwiesen. Wir maßen uns nämlich an, zu den vielen Smartphone-verwöhnten Fahrern zu gehören, die erst einmal nach rechts wischen. Links ist jedoch die richtige Richtung im eGolf. Gewöhnungsbedürftige Handhabung also.

Ebenso schwerfällig ist der Touchscreen. Das ist besonders ärgerlich, da das gesamte Armaturenbrett digital umgesetzt wurde. Nur das Lenkrad hat Hardkeys, zum Beispiel für die Lautstärkeregelung. Im Stadtverkehr kann es sich aber als gefährlich erweisen, wenn das Display allein beim Auswählen des Radio-Buttons mit dem Finger erst nach dreimaligen Versuchen reagiert.

Zum Innenraum des Elektro-Golf gehören zudem Komfortsitze vorn, ein Multifunktionslenkrad, der Lederschalthebelknauf mit blauen Ziernähten und neu designte Dekoreinlagen. Die Freisprechfunktion funktioniert problemlos, unser iPhone 6 ließ sich einfach mit der Anlage koppeln. Somit kann man auch Musik vom Smartphone im Auto abspielen.

Ganz und gar nicht behäbig verhält sich die Sprachsteuerung im eGolf. Gewöhnenbedürftig ist lediglich die Tatsache, dass VWs Assistent keine natürliche Sprache versteht und deshalb auf einen Befehl angewiesen ist, der Nutzern von Smart Home-System bekannt vorkommen dürfte: „Hallo, Volkswagen“. Unterstützung folgt auf dem Display, das System schlägt dem Fahrer naheliegende Sprachbefehle wie „Navigier mich nach Hause“ vor. Läuft also.

Assistent-Systeme des eGolf

Fußgänger und andere Hindernisse sind im Stadtverkehr alles andere als eine Seltenheit. Die neue Hinderniserkennung (Front Assist) hält allerdings, was sie verspricht: Sie registriert nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Fußgänger. Allerdings nur die, die sich quer zur Fahrbahn bewegen. Für die, die parallel passieren, ist der Blind Spot Sensor da, den wir nicht nur aus Elektroautos bereits kennen. Besonders in Tempo-30-Zonen ist das häufige Piepen manchmal etwas nervtötend, aber Sicherheit geht schließlich vor. In Gefahrensituationen warnt das System den Fahrer und bremst den Golf autonom ab. So weit wollten wir es im Test aber lieber nicht kommen lassen.

Neben dem Front Assist ist besonders der Stauassistent für den Stadtverkehr wichtig. Denn er reagiert auch auf Stop-and-Go-Verkehrsfluss. Das macht die Feierabend-Fahrt von der Friedrichstraße in den Wedding – diesmal nicht über die Stadtautobahn, sondern durch den Feierabendverkehr der Stadtmitte – deutlich komfortabler. Der eGolf fährt nämlich bis 60 Stundenkilometer teilautonom. Mit der adaptiven Spurführung bleibt er beim Überqueren von Kreuzungen im dichten Verkehr in der Spur. Zusammen mit dem ACC-System (automatische Distanzregelung) erfolgt dann auch das Bremsen und Gasgeben automatisch. Wer sich einmal darauf eingelassen hat, wird es lieben.

Der Emergency Assist ist ein weiterer nützlicher Helfer, besonders für diejenigen, die Zebrastreifen leicht übersehen. Denn wenn die eGolf-Sensoren erkennen, dass der Fahrer weder lenkt, bremst noch beschleunigt, rüttelt ihn das System wach. Wer nicht weiß, dass dabei verschiedene sogenannte Eskalationsstufen eingeleitet werden, kann leicht überrascht werden: zunächst vom Einschalten der Warnblinkanlage, aber spätestens von den unverhofften, aber nur leichten Lenkmanövern des Fahrzeugs, die das Umfeld auf eine mögliche Gefahrensituation aufmerksam machen sollen.

Das ACC verhindert schließlich das Auffahren auf den vorausfahrenden Verkehr. Ebenso wie beim Front Assist bremst das System den Golf kontinuierlich bis zum Stillstand ab. Besonders für Fahrer, die sich erst an die Beschleunigungs- und damit auch Bremskraft des Elektroautos gewöhnen müssen, ist dieser Assistent eine gute Unterstützung.

Der Park Assist ist das wohl beste Feature, aber auch nichts Neues. Nervig war lediglich, dass der Parkassistent anscheinend nur in einer bestimmten Position zur gewünschten Parklücke aktiviert werden kann. Welche das ist, blieb auch nach mehrmaligen erfolgreichen Einparkversuchen ungeklärt. In Berlin-Mitte ist der Park Assist, wenn er denn funktioniert, jedoch ein wahrer Segen.

Einkaufen – Kofferraum passt

Kurz und schmerzlos: Es passt. Taschen, Curver, Tüten bekommt man bestens im wirklich geräumigen Kofferraum des eGolf verstaut. Für noch mehr Platz lässt sich die Rückbank nach vorne klappen, dann passen für eine Reise auch komfortabel vier große Koffer hinein.

Und natürlich haben wir auch den Bierkisten-Test gemacht: Drei Kisten à 24 Flaschen passen bequem nebeneinander– und eine weitere Reihe locker obendrauf.

Aufladen – ein zunächst schweißtreibendes Unterfangen

An einer Schnellladesäule (40 kW) schafft es der eGolf in einer Stunde auf 80 Prozent Batterieniveau. Mit dem Ladekabel für die Steckdose, beispielsweise in der heimischen Garage, würde er für eine Vollladung allerdings ganze sieben Stunden benötigen. Eine Stunde ist also der perfekte Zeitraum für das Laden in der Mittagspause – Gesetz dem Fall man findet die passende Ladesäule. Der Anbieter ist dabei entscheidend: Während man bei Volkswagen-Niederlassungen einwandfrei laden können soll (natürlich haben wir es nicht bei allen versucht), ist auch enercity unkompliziert zu bedienen.

Da der Tachostand bei unserem Ladeversuch noch genau fünf Kilometer Reichweite anzeigt, steigt die Nervosität. Die Ladesäule des Anbieters be emobil (Allego) in der Taubenstraße in Mitte passt jedenfalls nicht. VWs Charge & Fuel Card, die Ladekarte also, muss an einen Kontaktpunkt an der Ladesäule herangehalten werden. An dieser Säule zeigt das Display „Prüfung nicht ok“ an. Was das heißt, steht dort nicht. 200 Meter weiter ist die Station schon von einem Elektrofahrzeug besetzt.

Immerhin ist es von der Friedrichstraße zur Enercity-Ladesäule an den Ministergärten nur ein Katzensprung. Diese funktioniert nun endlich mit der Ladekarte. Wieso? Das Geheimnis liegt in der VW-eigenen Kopplung seiner Fahrzeuge mit den E-Ladesäulen der verschiedenen Anbieter. Die „Charge & Fuel“-App, die im Google Play- und im App Store verfügbar ist, zeigt dem Fahrer zwar die vorhandenen Säulen und Stationen an. Nicht alle sind jedoch bereits für den Fahrer registriert.

Um alle nutzen zu können, müssen sie vom Fahrer selbst freigeschaltet werden. Bei jedem Anbieter muss außerdem ein Account bestehen. Der kann zum Beispiel bei EWE-Ladesäulen nur telefonisch beantragt werden. Das erklärt immerhin das Problem mit der Ladesäule in der Taubenstraße. Ein undurchsichtiges und umständliches System.

„Tipps und Tricks unter Elektromobilisten“

Wer seinen eGolf beziehungsweise überhaupt ein Elektrofahrzeug das erste Mal an eine Ladesäule anschließt, kann nichts falsch machen. Anbieter Enercity jedenfalls zeigt auf seinen Displays Schritt für Schritt, was zu tun ist. Nur bei der Treibstoffart kommt Unsicherheit auf. Gut jedoch, dass Elektroauto-Fahrer anscheinend zusammenhalten. Eine Passantin kennt sich aus und wählt die richtige Stromart aus.

Nur per Zufall stellt sich heraus, dass sie einem Verein für Elektromobilität vorsteht: Sabine Flores ist Geschäftsführerin Amt electric, des Trägers von Kommunen in der Metropolregion Hannover/Braunschweig/Göttingen/Wolfsburg. Wenn jemand Ahnung von Elektroautos hat, dann sie. Gerade ist sie in Berlin zu Besuch.

Für sie hat sich vor allem die Reichweite der Elektroautos in Deutschland verbessert: „Inzwischen haben wir die Möglichkeit, mit Fahrzeugen mit 250 bis 300 Kilometer Reichweite zu fahren, das ist gar kein Problem mehr.“ Die Ladeinfrastruktur der Hauptstadt bewertet sie positiv: „Berlin ist mit Ladesäulen insgesamt sehr gut ausgestattet. Außerdem entstehen beim Laden immer viele interessante Gespräche.“ Und worüber spricht man da so? „Tipps und Tricks unter Elektromobilisten“, sagt Flores.

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Nun, die Reichweite hat uns als Tester nun nicht ganz überzeugt. Wie bei jedem Elektroauto gilt auch beim neuen eGolf: Sie hängt stark vom individuellen Fahrverhalten ab. Im zähfließenden Stadtverkehr jedenfalls ist die Stromladung schneller aufgebraucht. Nur im Landstraßen- beziehungsweise Stadtautobahn-Tempo zwischen 70 und 80 Stundenkilometern entsprechen sich Reichweite und gefahrene Kilometer eins zu eins.

Fazit: Ein eGolf fürs Eigenheim

Dass der eGolf laut Volkswagen mit dem Update „auf Pendler zugeschnitten“ wurde, ist gelungen. Vor allem die vergrößerte Reichweite, die vermehrte Power und die neuen Design-Details sind perfekt abgestimmt auf tägliche Fahrten zur Arbeit und auch für einen Wochenendausflug in die Umgebung. Das digitalisierte Interieur ist wegen seiner behäbigen Bedienbarkeit zwar keine Spielwiese für Technik-Fans, nach der Eingewöhnung aber ein großer Spaß.

Wenn nur das Laden nicht zum Problem würde. Trotz seiner sportlichen, kompakten Optik ist der eGolf aber eher ein Auto für das Eigenheim auf dem Land beziehungsweise im Speckgürtel der Großstadt. Das liegt vor allem an der Verfügbarkeit an Ladestationen. Obwohl Städte wie Berlin damit gut ausgestattet sind, ist eine Stunde Ladezeit in den Alltag einzukalkulieren, inklusive des Weges von der Station zum Mittagessen, Meeting oder zur Wohnung und zurück. Für jemanden, dessen Terminkalender eh schon voll ist, ist das vermutlich nichts.

Besonders nicht, wenn der Neupreis 35.900 Euro beträgt – zum Vergleich: das günstigste Elektro-Modell des Herstellers, der VW eUP, kostet als Neuwagen abzüglich der 4.000-Euro-Kaufprämie nur 22.520 Euro. Die technischen Features rechtfertigen den eGolf-Preis zum Teil, nicht jedoch die Ladeinfrastruktur von VW. Dennoch: Wer die Möglichkeit hat, den eGolf über Nacht in einer Tiefgarage oder der Garage des eigenen Hauses etliche Stunden lang laden zu können, wird mit der Ausstattung und dem Komfort des eGolfs vollkommen zufrieden sein – und tut dabei auch noch etwas für die Umwelt.

Technische Details des eGolf

  • Hersteller: Volkswagen
  • Modell: eGolf (2017)
  • Antrieb: Elektro- beziehungsweise Plug-In-Hybridantrieb
  • Reichweite: 300 Kilometer im NEFZ-Zyklus
  • Agilität/Leistung: 100 kW, 136 PS, Höchstgeschwindigkeit 150 km/h
  • Akku: Lithium-Ionen-Batterie mit 35,8 kWh
  • Navigationssystem „ Discover Pro“ mit 9,2-Zoll-Touchscreen, Gestensteuerung & Sprachbedienung
  • LED-Scheinwerer & LED-Rückleuchten
  • Frontscheibe im Wärmeschutzglas, beheizbar
  • Fußgängererkennung
  • Klimaanlage „Air Care Climatronic“ mit 2-Zonen-Temperaturregelung & Allergen-Filter
  • Fahrprofilauswahl
  • Multifunktionslenkrad & Schaltknauf in Leder
  • „Guide & Inform“ und „Security & Service Plus“ (1 Jahr inkl.), „Security & Service Basic“ (10 Jahre inkl.), „Notruf-Service“ (10 Jahre inkl.)
  • Leichtmetallräder „ Astana“, 16 Zoll, Oberfläche glanzgedreht
  • Volkswagen Media Control & App-Konnektivität vorhanden
  • Neupreis für diese Basis-Version: ab 35.900 Euro, abzüglich Elektrokaufprämie: 31.900 Euro, individuelle Konfiguration ist möglich, kostet aber mehr

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