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Für saubere Luft: Investoren und Politiker müssen an einem Strang ziehen

Die Europäische Union will die Emissionen senken, jedoch scheint der Blick auf das große Ganze zu fehlen. Die Lösung: Zusammenarbeit.

Ladestation für E-Autos
Für eine emissionsfreie EU muss die Politik mit den Unternehmen zusammenarbeiten. Foto: imago / imagebroker

Bis 2030 will die Europäische Union ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken. Ein großer Teil der geplanten Reduktionen, unter anderem bei Kohlendioxid-Ausstößen, soll im Transportsektor erreicht werden. Die so genannte „Dekarbonisierung“ war deswegen sowohl beim Fachkongress Transport Research Arena (TRA2018) als auch bei der parallel dazu stattfindenden Veranstaltung DC Mobility im Wiener Start-up-Zentrum weXelerate in aller Munde. Über die geeignetsten Wege, um den Verkehr umweltfreundlicher zu gestalten, wurde dabei intensiv diskutiert.

Verbrennungsmotoren für große Distanzen

Für Gerd Schuster ist der Plan für die Zukunft klar vorgezeichnet. Der Senior Vice President für Forschung, neue Technologien und Innovationen bei BMW – gleichzeitig auch Vorsitzender des EU-Forschungsrats Eucar – hielt auf der TRA2018 einen Vortrag, in dem er die Verantwortung der Autoindustrie in der Gesellschaft betonte. „Wir müssen auch die Interessen jener Menschen achten, die nicht Auto fahren“, lautet seine Botschaft. „Autos sollten aber andererseits nicht für alle ökologischen Probleme verantwortlich gemacht werden.“

Der Straßenverkehr der Zukunft wird laut Schuster weitgehend emissionsfrei. In Ballungsräumen sollten reine Elektroautos vorherrschen, in der näheren Umgebung von Städten erwartet er vermehrt Plug-In-Hybride. „Auch Verbrennungsmotoren werden eine Langzeit-Zukunft haben“, ist Schuster überzeugt. Sie sollen vor allem bei großen Distanzen zum Einsatz kommen und wesentlich sparsamer als heute sein. Carsharing, Mobilität als Dienstleistung (Mobility as a Service) und Vernetzung über 5G sollten die Effizienz des individuellen Straßenverkehrs zusätzlich steigern.

Investoren für die Ladeinfrastruktur

Bis 2025 wird BMW 25 neue reine Elektroautos vorstellen. „Andere Hersteller werden das ebenso tun“, kündigt Schuster an. Wichtig seien deshalb massive Investitionen in die Ladeinfrastruktur. Soll E-Mobilität erfolgreich sein, brauche es mehr Ladepunkte als E-Autos in einer Stadt, ist Schuster überzeugt. Das oft gehörte Argument vom „Henne-Ei-Problem“ der Elektromobilität (was soll zuerst da sein: Autos oder Ladestellen?) lässt Schuster nicht gelten: „Wir wissen alle, dass es ein großes Angebot an E-Autos geben wird. Da braucht es doch eigentlich nicht viel, um andere Unternehmen davon zu überzeugen, dass Ladeinfrastruktur-Investitionen lohnenswert sind.“

Eines der Unternehmen, die den Infrastruktur-Bereich tatsächlich als besonders lohnenswert erachten, ist Kreisel Electric. Markus Kreisel, der CEO des oberösterreichischen Batterietechnikspezialisten schilderte bei der Veranstaltung DC Mobility etwa die Fortschritte seines Unternehmens bei der Entwicklung eines neuen Power-Chargers, der E-Autos mit bis zu 300 Kilowatt Leistung aufladen kann. Dank eines integrierten Akkus sollen die Anforderungen an das Stromnetz gering gehalten werden. Kreisel: „Wir haben bereits sehr viele Anfragen. Die Marktaussicht ist super. Die Zukunft wird elektrifiziert sein.“

Makroökonomische Perspektive

Der Verkehr der Zukunft wird nicht nur auf der Straße stattfinden. Multimodalität, also die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel, um Wege zurückzulegen oder Fracht zu transportieren, liegt im Trend. „Die Bahn hat viele Vorteile, allen voran die Energieeffizienz“, meint Clemens Först, Vorstandssprecher von RailCargo Austria, bei einer Podiumsdiskussion auf der TRA2018. Dennoch komme die Bahn beim Passagierverkehr in Europa lediglich auf einen Anteil von 10 Prozent, bei Fracht auf 20 Prozent.

Als Hauptgrund dafür sieht Först mikroökonomische Überlegungen. „Preise spielen immer noch eine wesentliche Rolle. Frachtkosten machen 80 bis 90 Prozent der Entscheidungsfindung aus.“ Die „einfache Straße-und-Diesel-Lösung“ sei meist billiger. „Wenn man keine makroökonomische Perspektive einnimmt, wird sich das nicht ändern“, ist Först überzeugt.

Nachhaltige Logistik

Verkehrsforscher Alan McKinnon von der Kühne Logistics University in Hamburg meint: „Die Logistik unterstützt derzeit nicht nachhaltigen Konsum. Denken sie an den expandierenden Versandhandel und den Umgang mit Rücksendungen.“ Online-Shopping könne – richtig gemacht – Emissionen reduzieren. McKinnon: „Das Auto wird aus der Rechnung genommen.“ Konsumenten müsse aber transparent gemacht werden, wie der Transport abläuft. Onlinehandel-Gigant Amazon mache seine Sache im Prinzip richtig, wenig abgewinnen kann McKinnon allerdings der Idee des Amazon Dash Button. „Die Bestellung einzelner Produkte ist schlecht.“

Wie man die Logistik nachhaltig gestaltet, müsse Unternehmen deutlicher vor Augen geführt werden, meinen McKinnon und Lena Erixon von Trafikverket, der schwedischen Transportplanungsbehörde. „Wir müssen zeigen, welche Art von Win-Win-Situationen man erreichen kann. Ich kenne da ein Beispiel, wo ein Unternehmen für seine Rücksendungen die Bahn einsetzt. Das ist super, warum hat man das nicht schon früher gemacht?“ Alan McKinnon ergänzt, dass Unternehmen, die Emissionen einsparen, gerade angesichts derzeitiger politischer Maßnahmen meist auch Kosten einsparen: „Wir leben in einer ‚Low-Hanging-Fruit‘-Ära.“.

Politik in der Verantwortung

Trotz aller technischen Effizienzsteigerungen – etwa bei Antrieben – sei es zur Erreichung der EU-Klimaziele notwendig, um den zunehmenden Bedarf an Mobilität besser zu steuern, meint McKinnon. Passend dazu schildert Ahmed Nasr vom Kartendienst HERE: „Bei einer Umfrage in den Niederlanden haben wir herausgefunden, dass örtlich bis zu zehn Prozent des morgendlichen Verkehrs von Pensionisten verursacht werden, die zu Arztterminen unterwegs sind.“ Man müsse sich überlegen, wie man solche Situationen verändern könne. Als eine Möglichkeit sieht Nasr etwa, weniger Arzttermine anzubieten, die die Verkehrssituation zu Stoßzeiten zusätzlich belasten. Die zunehmende Digitalisierung soll dabei helfen.

Die Politik sei gefordert, um stärker denn je steuernd in das Transportgeschehen einzugreifen, wenn die EU-Klimaziele erreicht werden sollen, darüber sind sich die meisten Experten einig. Regierungen befänden sich aber in einer sehr schwierigen Lage, betont Jose Mendez, der stellvertretende Umweltminister von Portugal, auf der TRA2018. „In Portugal kommen 6,5 Prozent aller Budgeteinnahmen aus dem Mobilitätssektor. Auf die will man nicht verzichten.“ Da die Einnahmen derzeit aus Konstrukten wie der Mineralölsteuer stammen (je mehr getankt wird, desto mehr verdient der Staat daran), sei die Entwicklung neuer Besteuerungsmodelle unumgänglich, meint Mendez.

Technologieneutralität funktioniert nicht

Für die Politik sei es zusätzlich schwierig, Entscheidungen zur Förderung bestimmter Maßnahmen zu Dekarbonisierung zu treffen, meint Alan McKinnon: „Früher dachten wir, Bio-Treibstoffe würden die Probleme des Frachttransports auf der Straße lösen. In der Zwischenzeit gab es massive Fortschritte in der Batterietechnologie. Dinge wie Wasserstoff geistern herum. Der Einfluss und die Weiterentwicklung dieser Technologien ist unklar und jede verlangt unterschiedliche Maßnahmen, etwa unterschiedliche Infrastruktur.“ Technologieneutralität, wie sie oftmals von der Politik gefordert werde, funktioniere in diesem Fall nicht.

Lena Erixon plädiert dafür, auf politischer Ebene den Mut zur Gestaltung aufzubringen. Schwedens Teststrecke für eine elektrische Straße etwa sei eine Vorgabe an Unternehmen, um Lösungen für eine spezifische Infrastruktur zu finden. „Wir planen etwas Ähnliches auf der Schiene“, kündigt Erixon an. Politik, Industrie und auch Medien müssten bei Dekarbonisierung an einem Strang ziehen, sind Erixon und Jose Mendez überzeugt. Europäische Transportunternehmen sollten schließlich international wettbewerbsfähig bleiben.

3D-Druck als „Game Changer“

Alan McKinnon appelliert an Politik und Industrie, keinen Tunnelblick zu entwickeln. „Nur wenn man einen umfassenden Blick entwickelt, kann man als Regierung gute Entscheidungen treffen. Der Transportsektor ist von vielen Entwicklungen geprägt, die außerhalb passieren. Ein Beispiel ist etwa der rasante Forschritt beim Thema 3D-Druck. Das könnte potenziell ein echter ‚Game Changer‘ sein und den Frachtbedarf reduzieren.“ Auch Lena Erixon sieht die Möglichkeit, bei Verkehrspolitik stärker mit anderen Sektoren zusammenzuarbeiten, etwa mit dem Telekombereich.

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„Das heutige Transportsystem ist ineffizient, nicht nachhaltig“, meint die schwedische Verkehrsforscherin. „Aber wir sehen neue Technologien, neue Geschäftsmodelle. Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft viel mehr Mobilitätsdienste sehen werden, sowohl beim Personen-, als auch beim Frachttransport.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei futurezone.at.

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