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Gewaltige Forschungs-Entdeckung sprengt alle Grenzen

Bakterien sind mikroskopisch klein? Nicht so schnell. Ein neu entdecktes Bakterium sprengt jetzt alle bekannten Maßstäbe. Um es zu sehen, braucht man nicht einmal mehr Hilfsmittel.

Bakterien gibt es in verschiedenen Formen.
Ein neues Bakterium ist so groß wie nie zuvor (Symbolbild). © imago images / Science Photo Library

Abgesehen von sterilen Räumen sind wir permanent umgeben von winzigen Organismen, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind. Ob Viren oder Bakterien, Milben oder im Wasser Plankton – im mikroskopisch kleinen Bereich eröffnet sich eine ganz neue Welt. Aber jetzt haben Forscher:innen ein neues Bakterium entdeckt, das unsere bisherige Vorstellung von diesen Lebewesen gehörig auf den Kopf stellt.

Neues Bakterium ist ein Gigant

Die meisten Bakterien-Arten sind zwischen einem und fünf Mikrometer lang. Der bisherige Rekordhalter Thiomargarita namibiensis kommt auf eindrucksvolle 750 Mikrometer. Aber das ganz neue Bakterium setzt noch einen drauf: Einer neuen Untersuchung zufolge sind die Exemplare im Durchschnitt 9.000 Mikrometer lang – das entspricht 0,9 Zentimeter. Das größte registrierte Einzelexemplar kam sogar auf stolze 2 Zentimeter. Das ist länger als eine normale Hausfliege und mit bloßem Auge sichtbar.

Bislang ging die Forschung davon aus, dass Bakterien einfach nicht viel größer sein können als der bekannte Durchschnitt. Das hing mit der Strecke zusammen, die die Moleküle der Bakterien mit ihrer Umwelt austauschen. Nähstoffe müssen von der äußeren Membran ins Innere gelangen, Toxine von innen nach außen. Die Organismen könnten nicht leben, wären die Entfernungen zu weit.

Thiomargarita magnifica: Das Riesenbakterium

Wie aber können die verschiedenen Stoffe innerhalb des neuen Organismus, das die Wissenschaft Thiomargarita magnifica getauft hat, die anzunehmenden großen Distanzen doch zurücklegen? Die Lösung ist ein mit Wasser gefüllter Beutel, der 73 Prozent des Gesamtvolumens ausmacht. Dieser Beutel drückt die Zellen des Bakteriums gegen seine Außenmembran. Dort ist der Nährstoffaustausch ganz einfach zu gewährleisten. Das nächstgrößere Bakterium Thiomargarita namibiensis funktioniert ebenfalls so.

Interessanterweise wurde der Organismus schon vor circa zehn Jahren entdeckt. Allerdings war damals nicht bekannt, dass es sich um ein Bakterium handelt, geschweige denn um einen Einzeller. Diese Erkenntnis gelang erst vor Kurzem.

Ein Missing Link der Evolution?

Die schiere Größe ist aber nicht das Einzige, was Thiomargarita magnifica so besonders macht. Auch das Genom des Bakteriums ist immens: Sage und schreibe elf Millionen Basenpaare und circa 11.000 Gene finden sich darin – dreimal mehr als in den meisten Bakterien. Das Genom wiederholt sich auch sehr stark, mehr als eine halbe Million kopierte Sequenzen konnten die Forscher:innen finden.

Zudem befindet sich die gesamte DNS in einem Membranbeutel. Das ist aber eher typisch für komplexere Lebensformen. In anderen Bakterien treibt die DNS frei in der Zelle herum. Damit werden die Grenzen bei der Klassifikation der zwei hauptsächlichen Lebensformen, den Eukaryoten und den Prokaryoten, verwischt. Thiomargarita magnifica könnte also in Zukunft neue Rückschlüsse bei der Evolution komplexer Zellen wie die im Menschen zulassen.

Übrigens sind wir nicht nur von ihnen umgeben: Viele Bakterien leben auch in unserem Körper.

Quelle: „A centimeter-long bacterium with DNA compartmentalized in membrane-bound organelles” (2022, Cold Spring Harbor Laboratory)

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