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METRO Accelerator for Retail: Speed Dating mit Investoren

Start-ups aus aller Welt wollten Teil des Programms sein, am Ende waren es nur neun. Ihre finalen Geschäftsmodelle haben sie beim Demo Day vorgestellt.

Der METRO-Accelerator dient der Unterstützung von Einzelhandel-Start-ups. Foto: Dana Neumann

Bereits im Juni startete der “METRO Accelerator for Retail powered by Techstars” in seine erste Runde. Dabei handelt es sich um ein internationales Förderprogramm, das sich gezielt an die Entwicklung digitaler Anwendungen für METRO-unabhängige Einzelhändler sowie Teile der METRO-Kundengruppe richtet. Hinter dem Konzept steht der Wunsch, dem stationären Handel im Zuge der fortschreitenden Digitaliserung neue Wege zu erschließen, um nicht nur wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern auch weiter wachsen zu können. Gerade Online-Großkonzerne wie Amazon dringen mittlerweile immer stärker in den Einzelhandel vor und bedrohen damit zunehmend die Existenz des reinen „Offline-Handels“.

24 Länder, hundert Mentoren, 120.000 Euro Kapital

Start-ups aus insgesamt 24 Ländern weltweit hatten sich für den Accelerator beworben, von denen am Ende neun ausgewählt wurden. In den vergangenen drei Monaten bekamen sie Unterstützung von etwa 100 Mentoren, die ihnen nicht nur bei der Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells zur Seite standen, sondern auch bis zu 120.000 Euro Finanzierung bereitstellten. Im Vergleich zu anderen Accelerator-Programmen konnten die ausgewählten Start-ups von Anfang an bereits erfolgreiche Konzepte und Umsetzungen vorweisen, die im Zuge der Förderung auf ihre Ziele hin optimiert wurden.

Neun Start-ups durften ihre Geschäftsmodelle vorstellen.
Neun Start-ups durften ihre Geschäftsmodelle vorstellen.
Foto: Dana Neumann

Ihre Ergebnisse zeigten die Teams schließlich beim Demo Day vergangene Woche. Im Rahmen eines „Speed-Datings“ hatten sie die Gelegenheit, ihre Ideen und Geschäftsmodelle knapp und prägnant vor zahlreichen Investoren und der Presse zu präsentieren. futurezone war ebenfalls vor Ort.

METRO’s Einzelhandel-Start-ups im Überblick

Sensei

Sensei ist auf Maschinelles Sehen spezialisiert.
Sensei ist auf Maschinelles Sehen spezialisiert.
Foto: Dana Neumann

Sensei (zur Homepage), das erste Start-up am Pressetisch, ist ein portugiesisches Unternehmen, das sich auf präzise Datenanalysen für den Handel spezialisiert hat.

Der Clou soll in der Auswertung von Bilddaten liegen, die unterstützt durch Computervision, also maschinellem Sehen, von Kameras, Sensoren, Routern bis hin zu speziellen Etiketten gesammelt werden können. Dadurch wird laut Sensei-CEO Vasco Portugal die vollständige Abbildung des Ladengeschäftes, seiner Belegschaft und der Kunden in Echtzeit ermöglicht, wodurch Händler befähigt würden, durch noch zielgerichtetere Angebote ihre Effizienz zu steigern.

epinium

Big Data in Echtzeit: epinium.
Big Data in Echtzeit: epinium.
Foto: Dana Neumann

Zweites Start-up im Bunde war epinium (Webseite). Die spanische Firma ist tätig im Bereich Echtzeit-Produktmarktanalyse, die anhand der Auswertung von Online-Kundenbewertungen, also „den wahren Stimmen von Konsumenten“ erfolgt.

Nach eigener Aussage sammelt, analysiert und kuratiert epinium diese Daten in Echtzeit, um beispielsweise die Beurteilung eines Produktes, Markttrends und Wettbewerber im Auge zu behalten. Indem der „Kunde ins Zentrum des Geschäftes gestellt wird“, soll „basierend auf seinen realen Bedürfnissen“ optimiert werden können.

Die Analyse der gesammelten Big Data erfolgt laut CEO Carlos Martinez Barriga in Kooperation mit IBM Watson. Durch den Einsatz der künstlichen Intelligenz ließen sich neben häufig auftretenden Keywords auch die Vorstellungen und Empfindungen von Konsumenten herausarbeiten, die sie mit einem speziellen Produkt oder einer Marke verbinden. Dadurch könne ein Hersteller die Wünsche seiner Kunden vorausschauend analysieren.

IamBot

IamBot: der Chatbot als Personal Shopper.
IamBot: der Chatbot als Personal Shopper.
Foto: Dana Neumann

IamBot (mehr Details), ein Start-up aus Polen, verfolgt die Strategie, Kunden, Marken und Händler in der Mode- und Textilindustrie in direkte Beziehung zueinander zu setzen. Im Zentrum steht ein visueller Chatbot, der es Konsumenten erlauben soll, mittels eines einfachen Fotos einzukaufen. Diese Verknüpfung von stationärem und Online-Handel kommt über Facebooks Messenger zustande – für die Zukunft sind nach Aussage von IamBot-CEO Pawel Kolacz auch Chatbots für WhatsApp und WeChat in der Planung.

So fotografiert der Kunde beispielsweise ein Kleidungsstück, das er an einer anderen Person gesehen hat. Weiß er, welche Marke dahinter steckt, kann er den Händler per Messenger direkt kontaktieren. Schickt es der Kunde an seine bevorzugte Marke, impliziert dies die Aufforderung „besorge mir etwas aus deinem Sortiment, das so nah wie möglich an die Vorlage heranreicht“. Der Chatbot legt das entsprechende Textil automatisch in den Einkaufwagen des Kunden, der es wiederum sofort kaufen kann.

Zeitgleich analysiert eine künstliche Intelligenz die Daten der Konsumenten und kann basierend auf Interessen und Einkaufsvergangenheit personalisierte Empfehlungen generieren, die an die Kunden weitergegeben werden.

MIO Mobile

MIO ist zugleich Marketing-Tool, als auch Liefer- und Verkaufsroboter.
MIO ist zugleich Marketing-Tool, als auch Liefer- und Verkaufsroboter.
Foto: Dana Neumann

Eine andere Art von „Bot“ hat das Start-up MIO Mobile (zur Homepage) auf den Markt gebracht. Der fahrende Roboter MIO, eine Art Automat auf Rädern, soll „Menschen mit Robotern“ verbinden. Er bewegt sich autonom mit Strom und kann in verschiedenen Gebieten, wie Vergnügungsparks, Parks, in Städten, am Strand, an Flughäfen etc., eingesetzt werden, um beispielsweise Snacks und Erfrischungen zu liefern. MIO Mobile-CEO Roman Drokov berichtete von ersten, sehr erfolgreichen Tests in London, die unter anderem dazu geführt haben, dass die ursprünglich vorgesehene Barzahlung am Roboter durch kontaktlose Zahlungsmethoden ergänzt wurde.

Dabei ist MIO Marketing-Tool und fahrender Automat zugleich. Sein Vorteil soll darin liegen, dass der Liefer- und Verkaufsroboter leicht die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich ziehen und damit als überaus geeigneter Werbeträger für Händler und Hersteller dienen kann. Darüber hinaus ist MIO auch zur Unterstützung kleinerer Shops und Kioske gedacht, die der Roboter autonom und bequem mit Waren versorgen kann.

Sensefinity

Im Gegensatz zur Warenauslieferung hat sich das Start-up Sensefinity (mehr Infos) aus Portugal und Spanien der Echtzeit-Überwachung von Lieferketten verschrieben. Das soll mit Hilfe cloud-gestützter, selbstlernender Sensoren vollbracht werden, die bestimmte Faktoren und externe Einflüsse auf Waren registrieren und analysieren. Dazu zählen beispielsweise Daten zur Position, Temperatur, Erschütterung, Feuchtigkeit und Druck. Am Ende soll deren Auswertung dazu dienen, gleichbleibende Qualität standardisiert garantieren zu können.

Für die ständige Abgleichung der Daten „kommunizieren“ Produkte und Sensoren miteinander. Sollte der Ware während des Lieferprozesses irgendetwas zustoßen, gibt es einen Alarm in Echtzeit. Durch die Plug-and-Play-Funktion können die tragbaren Sensefinity-Sensoren nach Abschluss der Logistik an das Hauptgerät angesteckt werden. Die gesammelten Daten übertragen die Sensoren für weitere Analysen automatisch in die Sensefinity-Cloud, deren Nutzung aber optional ist.

Whole Surplus

Whole Surplus (Start-up-Webseite) aus der Türkei verfolgt anders als die bisherigen Start-ups einen weniger wirtschaftlich, sondern eher sozial gerecht begründeten Ansatz der Einzelhandelsoptimierung. Whole Surplus-CEO Olcay Silahli geht es vor allem darum, Lebensmittelverschwendung durch bessere Verteilung von Nahrungsmitteln im Einzelhandel zu verhindern. Das Problem sieht er darin, dass nicht verkaufte Waren heute vor allem über Anrufe und E-Mails ihren Weg zu Hilfsorganisationen finden. Im Zeitalter der Apps und Vernetzung fehlt es hier also an optimierten B2B-Lösungen, die den Prozess einfacher und schneller gestalten.

Die Idee hinter Whole Surplus ist daher eine Technologieplattform für Händler und Hersteller, über die in Echtzeit Lebensmittelspenden an mehreren Standorten zugleich organisiert und verwaltet werden können. Auf diese Weise sollen selbst Nachhaltigkeits- und Sozialanforderungen sowie Steueraspekte für die Spenderunternehmen im Blick bleiben.

Kptn Cook

Das einzig deutsche Start-up in der Runde: Kptn Cook.
Das einzig deutsche Start-up in der Runde: Kptn Cook.
Foto: Dana Neumann

Das einzige deutsche Start-up in der Runde, Kptn Cook (mehr Details), bewegt sich mit seinem Geschäftsmodell ebenfalls nah am Lebensmittel. „Das Kochen vereinfachen“ gilt als Motto und soll durch die Anbindung einer kuratierten Kochrezepte-Gemeinschaft an den Lebensmittelhandel realisiert werden.

Für Kochinteressierte gibt es per Push-Nachricht täglich drei neue Rezepte, deren Zubereitung nur 30 Minuten beanspruchen soll. Alle 24 Stunden zeigt die App komplett neue Rezepte an, die in Kooperation mit einem Netzwerk aus mehr als hundert Food Bloggern aus aller Welt erstellt werden. Die Verknüpfung mit dem Einzelhandel kommt schließlich durch die Zutatenliste zustande, die direkt dem Sortiment des Supermarktes nebenan zugeordnet sein soll. Wer nicht einkaufen gehen will, bestellt die entsprechenden Zutaten einfach im Online-Shop der App. Zwar gibt es keine Suchfunktion, die die Suche nach speziellen Rezepten ermöglicht, aber zumindest werden die empfohlenen Tagevorschläge direkt an das Sortiment der Lebensmittelhändler in unmittelbarer Nähe angepasst.

Oriient

Eine präzise Karte von Produkten für den Einzelhandel: Oriient.
Eine präzise Karte von Produkten für den Einzelhandel: Oriient.
Foto: Dana Neumann

Wissenschaftlich wird es beim Konzept von Oriient (zur Homepage) aus Israel. Laut Gründer Mickey Balter bietet das Start-up das erste Indoor-GPS weltweit als Geschäftslösung an, wodurch sich jedes Smartphone an jedem Ort innerhalb eines Gebäudes lokalisieren ließe. Dazu nötig sei einzig das Magnetfeld der Erde, die aufwendige und kostentreibende Installation zusätzlicher Geräte würde damit hinfällig. Die Vorteile lägen auf der Hand: das Magnetfeld ist bereits überall, es bricht nie zusammen und es ist stabil. Möglich sei das Indoor-GPS aber erst seit drei Jahren, so Balter, weil die entsprechenden Sensoren in Smartphones vorher nicht akkurat genug gewesen wären.

Für den Einzelhandel bedeutet dies eine präzise Karte der Produkte innerhalb des Geschäftes, die es Kunden ermöglicht, sich auf der Suche nach bestimmten Waren, Angeboten und Aktionen gezielt durch den Laden zu manövrieren. Was also bisher nur beim Online-Shoppen funktionierte, soll nun mit Oriient auch dem stationären Handel zugänglich gemacht werden. Und dadurch, dass jede Etage ihren eigenen magnetischen „Fingerabdruck“ hat, soll das gezielte Offline-Shoppen auch in mehrstöckigen Einkaufstempeln möglich sein.

Just Snap

Just Snap arbeitet an der nächsten Generation der Bonus-Kundenkarte.
Just Snap arbeitet an der nächsten Generation der Bonus-Kundenkarte.
Foto: Dana Neumann

Last, but not least: Just Snap (zusätzliche Details). Das türkischstämmige Start-up will die nächste Generation der Bonus-Kundenkarte etablieren. Ein Foto vom Kaufbeleg soll ausreichen, um sofort eine Prämie als Vergütung zu erhalten. Der Vorteil für Einzelhändler liegt in der zeitnahen Messung der Kampagnenwirkung, die sich je nach Erfolg oder Misserfolg schnell platzieren beziehungsweise ebenso schnell beenden lassen. Die gezielte Auswertung des Konsumentenverhaltens ist damit ebenso möglich.

Der Kunde profitiert von der sofortigen Belohnung seines Einkaufs durch Boni in Form von Amazon-Gutscheinen, Spotify-Guthaben, Kinotickets etc. Es sei sogar möglich, die eigenen Präferenzen bezüglich der Prämien mitzuteilen, so dass es eben nicht der Einkaufsgutschein wird, sondern zum Beispiel ein Fußball der Lieblingsmannschaft.

Zukünftig soll Just Snap auch für Messenger verfügbar sein, momentan gibt es das Bonusprogramm nur als App. Dafür lassen sich die Prämien nicht nur beim stationären Handel einfordern, sondern auch bei Online-Einkäufen. Dazu reicht ebenfalls ein Foto der Rechnung.

Fazit: Spannende Geschäftsmodelle, die funktionieren

Der METRO Accelerator for Retail powered by Techstars hatte mit seinem „Investoren-Speed Dating“ ein interessantes Pitch-Konzept zu bieten, das auch bei den Start-ups eine spürbare Begeisterung bewirkt hat. Die Präsentationen waren authentisch, die Geschäftsmodell überzeugend.

Aufgrund der jeweils nur acht-minütigen Fragerunde konnten allerdings einige Details nicht immer angesprochen werden, etwa Fragen zu Datenschutz und Informationspflicht von Kunden oder Belegschaft. Die anschließende Networking-Runde ließ jedoch den nötigen Spielraum, solche Dinge mit den Gründern und Partnern noch einmal in aller Ruhe zu diskutieren.

In der kommenden Woche wird die METRO dann den Kick-Off zur dritten Runde des bereits erfolgreichen „METRO Accelerator for Hospitality“ veranstalten, von dem euch futurezone ebenfalls berichtet.

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