Mit markigen Worten kündigte die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) an, das sogenannte Heizungsgesetz – also § 72 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) – kippen zu wollen. Es sollte den Umstieg auf klimafreundliche Heizsysteme regeln, war aber eines der umstrittensten Vorhaben der Ampelregierung. Nun folgt auf den Wahlkampf der Union die politische Umsetzung – mit potenziell verheerenden Folgen für Klimaziele, Eigentümerinnen und Eigentümer sowie die gesamte Wärmewende.
Heizungsgesetz: Symbolik statt Perspektive
Reiche ließ bei ihren ersten Auftritten keine Zweifel an ihrem Kurs: „Wir brauchen keine Lex Wärmepumpe“, erklärte sie beim Wirtschaftsrat der CDU. Auch das angebliche „Betriebsverbot für Heizkessel“ wolle sie abschaffen, wie DER SPIEGEL in seiner Ausgabe vom 16. Mai zitierte. Damit grenzt sie sich scharf vom Kurs ihres Vorgängers Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) ab.
Doch der populistische Begriff vom „Betriebsverbot“ hält einer genaueren Prüfung nicht stand. Bestehende Öl- und Gasheizungen dürfen weiterhin genutzt werden. Neu ist seit Inkrafttreten der GEG-Novelle Anfang 2024 lediglich: Wer künftig eine neue Heizung einbaut – und das erst nach Vorliegen der kommunalen Wärmeplanung – muss sicherstellen, dass diese zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Möglich sind dabei zahlreiche Technologien: Wärmepumpe, Fernwärme, Biomasse, Hybridlösungen oder auch sogenannte H2-ready-Kessel.
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Investitionsstau – ein Mythos?
Reiche begründet ihren Kurs mit einem angeblichen Investitionsstau: Das Heizungsgesetz habe bei vielen Eigentümerinnen und Eigentümern zu Abwarten geführt, statt Investitionen auszulösen. Tatsächlich war der Heizungsmarkt im Jahr 2024 rückläufig. Der Anteil sanierter Gebäude lag bei nur 0,69 Prozent – deutlich unter den notwendigen 1,7 bis 1,9 Prozent, die für Klimaneutralität bis 2045 erforderlich wären, wie der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) erklärt.
Doch diese Zurückhaltung hatte mehr mit wirtschaftlicher Unsicherheit, hohen Zinsen und Baukosten sowie dem von essenziellen Fehlinformationen durchzogenen Wahlkampf der Union zu tun als mit dem Gesetz selbst. Denn im ersten Quartal 2025 zogen die Zahlen wieder an: 62.000 neue Wärmepumpen wurden verkauft – dem Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) zufolge ein Plus von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Dr. Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbandes Wärmepumpe (BWP), unterstreicht, dass die neue Koalition dazu in der Lage sei, die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen – vorausgesetzt, sie knüpfe an die Beschlüsse der vergangenen Legislaturperiode an und setze die erforderlichen Maßnahmen entschlossen um. „Tatsächlich entfalten GEG und Förderung zunehmend Wirkung”, zitiert ihn der Verband in einer aktuellen Pressemitteilung. „Im ersten Quartal 2025 machten Wärmepumpen einen Anteil von über 40 Prozent am Heizungsabsatz aus.”
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Wärmepumpen zu Unrecht als Sündenbock
Wenn Reiche die Wärmepumpe als ungeeignet für die Wärmewende abtut, widerspricht sie nicht nur dem aktuellen Markttrend, sondern auch der wissenschaftlichen Erkenntnis. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) sieht Wärmepumpen als zentrale Technologie für die Dekarbonisierung des Gebäudebestands. Mehr noch prognostiziert das Institut: „Wärmepumpen werden im Energiesystem der Zukunft die dominierende Heizungstechnologie sein.”
Die Internationale Energieagentur (International Energy Agency, IEA) erwartet zudem ein globales CO2-Minderungspotenzial von 500 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2030 – und eine Verdreifachung der installierten Wärmepumpen weltweit.
Dass die Wärmewende nur mit dieser Technologie gelingen könne, ist kein Dogma, sondern eine realistische Einschätzung technischer und ökonomischer Entwicklungen.
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EU-Recht im Nacken
Ein Rückbau der bestehenden Regelung birgt nicht nur klimapolitische Risiken, sondern auch rechtliche. Die novellierte Europäische Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) verpflichtet alle Mitgliedstaaten, fossile Heizungen bis spätestens 2040 aus dem Markt zu drängen.
Bereits ab 2025 sollen solche Systeme nicht mehr staatlich gefördert werden. Ein deutscher Sonderweg würde daher wahrscheinlich ein Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Kommission nach sich ziehen – und mit ihm politischen und wirtschaftlichen Flurschaden.
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Fossile Heizungen: Die schleichende Kostenfalle
Auch ökonomisch ist der Rückschritt riskant. Der CO2-Preis beträgt im Jahr 2025 bereits 55 Euro pro Tonne. Ab dem Jahr 2027 wird die Bepreisung auf europäischer Ebene geregelt – mit absehbaren Steigerungen. Gleichzeitig steigen die Netzentgelte für Gas spürbar. In einzelnen Regionen betrage der Anstieg bis zu 56 Prozent, warnte das Vergleichsportal Verivox im Oktober 2024. Das entspreche „bei einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh insgesamt 445 Euro (brutto)”.
Das bedeutet: Fossile Heizsysteme werden Jahr für Jahr teurer im Betrieb, während Wärmepumpen von sinkenden Strompreisen durch mehr erneuerbare Energien profitieren.
Bis zu 70 Prozent der Investitionskosten für eine neue Wärmepumpe können aktuell durch verschiedene Förderungen bezuschusst werden. Wer einkommensschwach ist, schnell umstellt oder besonders effizient baut, kann mit zusätzlichen Boni rechnen. Schon Ende 2024 stiegen die Antragszahlen deutlich – viele wollten sich die Förderung sichern, solange sie noch besteht.
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Rückschritt statt Reform
Reiches Vorstoß mag politisch wirksam sein, inhaltlich ist er jedoch wenig belastbar. Das Heizungsgesetz ist und war kein starres Verbot, sondern ein durchdachter – jedoch schlecht kommunizierter – Rahmen mit klaren Übergangsfristen, technologischer Offenheit und starker Förderung. Die wissenschaftlichen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen sprechen klar dafür, diesen Weg fortzusetzen – nicht zurückzurudern.
Wer jetzt auf fossile Heizungen setzt, läuft Gefahr, sich langfristig an eine teure, klimaschädliche Technologie zu binden. Für viele Eigentümerinnen und Eigentümer heißt das: Jetzt ist der richtige Moment, um zu investieren – bevor die politische Unsicherheit neue Blockaden schafft.
Quelle: DER SPIEGEL; Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle; Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie; Bundesverband Wärmepumpe; Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme; International Energy Agency; Energy Performance of Buildings Directive; Verivox
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