PJM Interconnection, der größte Stromnetzbetreiber der USA, steht unter Druck. Der Energiehunger von Künstlicher Intelligenz (KI) und Rechenzentren wächst rasant – schneller, als neue Kraftwerke gebaut werden können. Alte Anlagen gehen vom Netz, neue verzögern sich. In einer der letzten Kapazitätsauktionen explodierten die Preise um über 800 Prozent. Das bekommen Millionen Haushalte jetzt direkt in Form steigender Stromkosten zu spüren. Doch wie steht es um das deutsche Netz?
Stromkosten: Nachfrage wächst stärker als das Angebot
In Pennsylvania wächst der politische Druck. Der Gouverneur droht offen mit dem Ausstieg aus dem Stromverbund, wenn die Kosten nicht sinken und neue Projekte schneller ans Netz gehen. PJM hat wichtige Auktionen verschoben und Anträge auf Netzanschluss vorerst gestoppt. Tausende Projekte warten auf Freigabe, stecken aber in Genehmigungsverfahren, Lieferengpässen oder Finanzierungsproblemen fest.
„Die Preise werden so lange hoch bleiben, wie die Nachfrage stärker wächst als das Angebot – das ist eine grundlegende Wirtschaftspolitik“, zitiert Reuters den PJM-Sprecher Jeffrey Shields. „Wir brauchen im Moment jedes Megawatt, das wir kriegen können.“
Bis 2030 rechnet PJM mit 32 Gigawatt (GW) zusätzlichem Strombedarf – fast ausschließlich durch Rechenzentren. Der Ausbau der Infrastruktur hält mit dieser Entwicklung nicht Schritt. KI-Anwendungen wie ChatGPT brauchen enorme Rechenleistung rund um die Uhr, was den Druck auf das Netz und damit die Stromkosten zusätzlich erhöht. Selbst der Weiterbetrieb alter Gaskraftwerke konnte die Lage bislang kaum entspannen. In der Führung von PJM mehren sich derweil Rücktritte und Kritik.
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Deutschland im Vergleich bislang stabil
Auch in Deutschland wächst der Strombedarf durch KI und Cloud-Infrastruktur – allerdings bislang ohne dramatische Auswirkungen. Für 2030 rechnet eine Studie des Borderstep-Instituts im Auftrag des Branchenverbands Bitkom mit einem jährliche Energiebedarf deutscher Rechenzentren von etwa 25 bis 35 Terawattstunden (TWh) – gegenüber aktuell 20 TWh. Das entspricht weniger als fünf Prozent des erwarteten Gesamtverbrauchs. Der Anstieg ist in der Netzplanung bereits berücksichtigt und wird größtenteils durch den Ausbau erneuerbarer Energien aufgefangen.
Ein entscheidender Unterschied liegt im Strommarktdesign: Deutschland setzt auf einen sogenannten Energy-Only-Markt. Hier entstehen die Preise am kurzfristigen Spotmarkt – Kapazitätsauktionen wie in den USA gibt es nicht. Strompreise orientieren sich vor allem an Brennstoff- und CO2-Kosten. Das wirkt Sprüngen der Stromkosten wie in den USA entgegen. Effizienzvorgaben und staatliche Eingriffe dämpfen zusätzlich die Kosten.
Trotzdem zeigen sich erste Engpässe – vor allem in Regionen mit vielen Rechenzentren wie Frankfurt oder Berlin, wie der aktuelle Szenariorahmenentwurf der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) zeigt. Dort stoßen Verteilnetze an ihre Grenzen. Netzbetreiber melden Wartezeiten und hohe Anschlusskosten. Die Netzentgelte steigen und machen inzwischen fast 30 Prozent der durchschnittlichen Stromrechnung aus – Tendenz steigend.
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Strompreise steigen – Steuererleichterung weiter offen
Mit dem neuen Energieeffizienzgesetz (EnEfG) will die Bundesregierung gegensteuern. Ab 2027 gelten strengere Vorgaben für die Energieeffizienz von Rechenzentren. Außerdem müssen große Anlagen ab 2028 mindestens 30 Prozent ihrer Abwärme nutzbar machen. Diese Regeln sollen Stromverbrauch und Netzlast senken – und gleichzeitig den Standort Deutschland zukunftssicher für KI-Anwendungen machen.
Nach dem Auslaufen der Strompreisbremse zum 1. Juli 2025 zahlen Haushalte wieder den vollen Marktpreis, erste Versorger kündigen Aufschläge zwischen acht und 15 Prozent an. Gleichzeitig machen Netzentgelte im Bundesdurchschnitt etwa 27,5 Prozent der Stromkosten von Verbraucher*innen aus und liegen 2025 bei rund elf Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh), regional – etwa im Rhein-Main-Gebiet oder in Berlin – teils noch höher.
Eine allgemeine Senkung der Stromsteuer von derzeit 2,05 ct/kWh auf das EU-Mindestmaß von 0,05 ct/kWh wird zwar weiter diskutiert, scheitert bislang aber an Finanzierungslücken von rund 5,4 Milliarden Euro pro Jahr – vorerst profitieren nur energieintensive Unternehmen von gezielten Entlastungen.
Deutschland ist im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Doch der steigende Strombedarf durch KI wird auch hier spürbar. Ob das Stromnetz langfristig mithält, hängt davon ab, wie schnell Netze ausgebaut, Genehmigungen erteilt und Investitionen gelenkt werden. Die Grundlagen sind da – jetzt kommt es auf Tempo und Konsequenz an.
Quellen: Reuters; Bitkom-Studie Rechenzentren in Deutschland: Aktuelle Marktentwicklungen – Stand 2024; Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045, Version 2025 – Entwurf der ÜNB; Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz in Deutschland
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