Bis heute spielen die Schlittenhunde in Grönland eine zentrale Rolle im Alltag. Das war auch schon vor Tausenden von Jahren der Fall. Nun haben Forscher*innen anhand von DNA-Analysen diese uralte Tradition genau unter die Lupe genommen und konnten dabei gleich mehrere unerwartete Entdeckungen machen.
Jahrtausende alte Tradition in Grönland
In Grönland sind viele Siedlungen noch immer durch weite, straßenlose Landflächen getrennt. Schneemobile oder Hundeschlitten sind meist die einzigen Fortbewegungsmittel zwischen den Gemeinden. Doch im Gegensatz zu Schneemobilen bleiben die Hunde beständig und bekommen keinen Motorschaden. Die Tiere eignen sich deshalb optimal für den Transport und auch für die Jagd. Denn schließlich können die Maschinen weder Robben noch Eisbären riechen. Zudem sind sie oft zu laut und verscheuchen damit potenzielle Beute.
In arktischen Regionen sind an extreme Kälte angepasste Hunde für das menschliche Überleben daher unerlässlich. Der in Grönland einheimische Schlittenhund, (auf Grönländisch Qimmit (Plural) und Qimmeq (Singular) genannt) ist seit Jahrhunderten ein wichtiger Bestandteil der Inuit-Kultur. Das Besondere daran ist: Während andere einheimische Hunderassen oft vom Arbeits- zum Begleithund umgebaut wurden, wie zum Beispiel der Husky, blieben die Qimmit in Grönland ihrer traditionellen Rolle als Schlittenhunde treu.
In einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, haben Paläogenetiker*innen den Weg dieser kulturell bedeutenden Hunderasse von ihrem Ursprung bis in die Gegenwart kartiert. Die Ergebnisse liefern neue Einblicke in die Verbreitung und Bewegung der Grönlandschlittenhunde über Jahrtausende und somit auch über die damit einhergehende Menschheitsgeschichte.
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Folgen für Menschheitsgeschichte
Das Forschungsteam sequenzierten 92 vollständige Hundegenome, die teilweise über 800 Jahre in die Vergangenheit zurückreichen. Diese uralten Proben stammen dabei aus Museen, von Knochenfunden an archäologischen Stätten oder von Fellen, die in traditioneller Inuit-Kleidung konserviert wurden. Die 63 Genome der heutigen Qimmits wurden von grönländischen Schlittenhundeführer*innen bereitgestellt, die Wangenabstriche und Speichel von ihren eigenen Welpen nahmen.
Sie fanden heraus, dass die Genetik der Qimmeq über die Zeit hinweg bemerkenswert konstant geblieben ist und bis zu den frühesten bekannten Schlittenhunden zurückreicht. Von ihrem sibirischen Ursprung vor fast 10.000 Jahren konnten die Wissenschaftler*innen die Bewegung der Tiere zusammen mit ihren Menschen über das arktische Eis nach Alaska und dann durch die kanadische Arktis bis in den Nordwesten Grönlands verfolgen.
Diese Erkenntnisse haben auch weitreichende Folgen für unser Verständnis der Menschheitsgeschichte. Denn basierend auf den Analysen der Genome vermuten die Forscher*innen, dass die Inuit vor 800 bis 1.200 Jahren in Grönland ankamen. Diese Daten liegen einige Jahrhunderte vor den meisten Schätzungen und deuten darauf hin, dass die Inuit früher in Grönland ankamen als bisher angenommen.
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Wikinger oder Inuit?
„Wir sind nicht die Ersten, die das behaupten … aber dies ist einer der ersten quantifizierbaren Beweise, die dem wirklich Glaubwürdigkeit verleihen“, erklärt Tatiana Feuerborn, leitende Studienautorin und Paläogenetikerin gegenüber dem Magazin Popular Science.
Diese Beweise könnten entscheidend in der Diskussion darüber sein, ob die Inuit oder die nordischen Wikinger zuerst das Land erreichten: „Es gab diese Debatte hin und her … daher könnte dies nun etwas stärker auf eine frühere Ankunft der Inuit im Norden hindeuten“, so Feuerborn.
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Kreuzung mit dem Wolf?
Eine Überraschung ergab sich bei der Analyse der Wolfsgenmarker in den Hundegenomen. Zwar liegen zahlreiche historische Aufzeichnungen über die gezielte Kreuzung der Schlittenhunde mit einheimischen Wölfen vor. Jedoch gab es bisher kaum Hinweise darauf, dass dies auch der Wahrheit entspricht.
Doch das hat sich mit der Analyse der DNA nun geändert. „Wir wissen seit kurzem, dass diese Hybridisierungsereignisse stattgefunden haben“, sagt Feuerborn. Sie fügt hinzu: „Wir waren schockiert“ über die Ergebnisse. Die Kreuzungen sollten wohl die Gesundheit des Rudels stärken.
Die Forschenden wollen mit der Studie vor allem die Bedeutung dieser besonderen Hunderasse hervorheben und dabei einen wichtigen Anstoß geben, um diese in Zukunft zu bewahren und zu schützen. Denn die Schlittenhunde sind heutzutage neuen Belastungen durch Klimawandel, Urbanisierung und Globalisierung ausgesetzt. Diese Faktoren haben die Zahl der Quimmit in Grönland von etwa 25.000 im Jahr 2002 auf ungefähr 13.000 im Jahr 2020 sinken lassen.
„Diese Hunde sind als erstes domestiziertes Tier so eng mit der Menschheitsgeschichte verbunden. Sie waren an der Entstehung jeder menschlichen Gesellschaft beteiligt. Insbesondere in Grönland gab es diese Hunde schon immer. Die Möglichkeit, diese Kulturgeschichte neben der genetischen Geschichte zu bewahren, ist wichtig“, fasst Feuerborn zusammen,
Quelle: „Origins and diversity of Greenland’s Qimmit revealed with genomes of ancient and modern sled dogs“ (Science 2025), Popular Science
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