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Vorbild Barcelona: KI zur Schwarzfahrer-Überwachung auch in Berlin möglich?

Eine Technologie in Barcelonas Nahverkehr erkennt per Algorithmus auffälliges Verhalten automatisch, auch Schwarzfahrer. Wäre das auch hierzulande denkbar? Wir haben bei der BVG nachgefragt.

Mann mit Gepäck in einer Ticketschranke der U-Bahn in Barcelona
Die Technologie soll auch Alarm schlagen

In Barcelona bringen im Wesentlichen zwei S-Bahn-Linien die Pendler aus den Vororten ins Stadtzentrum: Die Linie Barcelona–Vallès und die Linie Llobregat–Anoia mit einer jährlichen Passagierzahl von mehr als 77 Millionen.

Damit beide Linien sicher und pünktlich an ihr Ziel kommen, kümmern sich neben den Lokführern und dem Sicherheitspersonal in den Stationen auch ein gutes Dutzend Mitarbeiter in einer zentralen Schaltstelle. Im Kontrollraum in Rubí in der Nähe von Barcelona werden auch alle 78 Bahnhöfe entlang der Strecken inklusive aller Ticket-Automaten videoüberwacht.

Intelligente Bilderkennung

Gut 1.800 Überwachungskameras beobachten das Geschehen in den 78 Bahnhöfen. „Diese Kameras und die dahinterliegende Software werden mithilfe einer künstlichen Intelligenz permanent darauf trainiert, Schwarzfahrer zu erkennen“, sagt Jesús Gonzàlez von der katalanische Eisenbahn-Gesellschaft Ferrocarrils de la Generalitat de Catalunya (FGC) im Gespräch mit futurezone.

Wenn sich jemand das Fahrgeld sparen möchte und über die Ticketschranken springt oder sich zwei Menschen gleichzeitig durch den Ticketschranken schummeln, schlägt die künstliche Intelligenz Alarm. Das heißt, der Bilderkennungsalgorithmus erkennt, dass jemand die Ticketschranken nicht wie vorgesehen passiert hat.

Fotos der Schwarzfahrer automatisch weitergeleitet

In so einem Fall werden Fotos der Schwarzfahrer umgehend gespeichert und automatisch an das Sicherheitspersonal vor Ort weitergeleitet. Mithilfe der Fotos, die den Security-Mitarbeitern auf ihren Tablets angezeigt werden, können sie die Schwarzfahrer zur Rede stellen. „Diese Vorgehensweise spricht sich herum und so konnten wir das Schwarzfahren auf nahezu Null reduzieren“, so Gonzàlez.

„Durch die Ticketschranken in den Bahnhöfen können wir genau sagen, wie viele Fahrgäste am Morgen aus den Vororten ins Stadtzentrum gependelt sind“, erklärt Gonzàlez im Gespräch mit futurezone. Auf Basis dieser Daten wird dann berechnet, wie viele Waggons am Nachmittag bei den jeweiligen Zügen zum Einsatz kommen müssen, damit die Pendler auch wieder effizient nach Hause gebracht werden können.

Umwelteinflüsse für autonome Züge

Eine weitere Besonderheit der FGC sind die fernsteuerbaren Ticket-Automaten. Wenn jemand beim Ticketkauf am Automaten Hilfe benötigt, kann er sich an das Service-Personal wenden. „Per Mikrofon, Lautsprecher und Fernsteuerung können wir den Fahrgästen jeden beliebigen Fahrschein ausdrucken. Nur das Einwerfen der Münzen müssen die Fahrgäste selber machen“, erklärt der FGC-Manager.

Fahrerlose Züge denkt die FGC derzeit nicht an. „Bei U-Bahnen, die die meiste Zeit in einem Tunnel unterwegs sind, sind selbstfahrende Züge relativ einfach zu organisieren. Unsere Züge fahren aber den Großteil der Strecke über Land. All die Umwelteinflüsse wie Bahnschranken, Bahnübergänge und oder ähnliches sind für selbstfahrende Züge derzeit teilweise noch problematisch“, sagt Gonzàlez. Daher seien autonome Züge aktuell nicht geplant.

Update: KI-Überwachungssystem in Berlin nicht tauglich

Laut Markus Falkner, Pressesprecher der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), ist das System aus Barcelona zumindest in der deutschen Hauptstadt in identischer Weise nicht anwendbar, da die Berliner U-Bahn nicht über Drehkreuze verfügt, die jemand umgehen könnte.

Viel wichtiger ist laut Falkner aber der Aspekt der Rechtslage in Deutschland zum Thema Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. In Deutschland muss, sofern Videoüberwachung in öffentlichen Stellen zum Einsatz kommt, gegeben sein, dass es keine weiteren milderen Mittel gibt, die zu demselben Zweck angewendet werden könnten.

Darüber hinaus besteht in Deutschland ein „Recht am eigenen Bild“. Seit 2003 darf in Ausnahmefällen zwar Kameraüberwachung in öffentlichen Stellen eingesetzt werden, jedoch nur, wenn „keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.“ So schnell wird es also nicht passieren, dass die Maßnahmen aus Barcelona auch in Berlin umgesetzt werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.

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