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Auf Kosten der Uni: Studenten schürfen heimlich Kryptowährungen

In den USA ist es zur Gewohnheit geworden, dass Studierende ihre Räumlichkeiten dank „all inclusive“-Strom der Universität in Minen für digitale Währungen umfunktionieren.

Zahlreiche Rechner im Zimmer eines Studentenwohnheims
Student Mark hat sein Zimmer im Wohnheim komplett mit Rechnern zugebaut

Der Bitcoin-Boom hat dazu geführt, dass immer mehr Studenten zu Minern werden. Qz.com hat diesbezüglich mit mehreren Studenten gesprochen, die auf Kosten der Universität nach Kryptowährungen schürfen.

Die Studenten leben am Campus und zahlen dafür einen Fixbetrag pro Semester, der Strom- und Internetkosten enthält. Am MIT muss man für ein Einzelzimmer mindestens 4.440 US-Dollar bezahlen – zusätzlich zu den hohen Studiengebühren. Weil die Stromkosten nicht extra abgerechnet werden und so quasi All-Inclusive sind, entfällt damit einer der größten Kostenfaktoren beim Schürfen von Kryptowährungen.

Eine Grafikkarte reicht für den Anfang zum Schürfen

Mark, der am MIT studiert, hat im November 2016 angefangen zu schürfen. Er rüstete seinen Desktop-PC mit einer Grafikkarte aus, was für seinen Start als Miner reichte. In ein paar Wochen hatte er die 120 US-Dollar für seine Grafikkarte refinanziert plus genug Bitcoin geschürft, um eine weitere Grafikkarte für 200 US-Dollar zu kaufen.

Statt Bitcoin jetzt Ether

Er wechselte von Bitcoin zu Ether. Um mehr zu schürfen, besorgte er sich alte Desktop-Computer von einem Professor, der sie für „furchtbar und absoluten Müll“ hielt. Nachdem Mark sie mit Grafikkarten ausgestattet hatte, konnte er auch mit den „Müllcomputern“ Ether schürfen.

Jedes Mal wenn Mark genug Ether geschürft hatte, kaufte er eine neue Grafikkarte. Den übrigen Betrag tauschte er in Bitcoin um, als eine Art Sparkonto. Im März 2017 hatte er sieben Computer im Betrieb, die 24 Stunden am Tag schürften. Nachdem der Bitcoin-Kurs Ende des Jahres massiv anstiegt, besitzt er jetzt ca. 20.000 US-Dollar in verschiedenen Kryptowährungen.

Bitcoin nicht attraktiv für Studenten

Bitcoin wird heutzutage kaum noch in den Studentenwohnheimen geschürft, da für ein effektives Mining ASIC-Hardware nötig ist. Leistungsstarke Geräte können mehrere tausend US-Dollar kosten und verbrauchen viel Strom. Währungen wie Ether nutzen ein anderes Prinzip und können deshalb auch mit normalen Computern effektiv geschürft werden, die idealerweise eine dedizierte Grafikkarte haben, was das Mining beschleunigt.

Viele Studenten besitzen ohnehin Desktop-PCs mit Grafikkarten, die etwa für Gaming, Softwareberechnungen oder Videoschnitt für Uni-Projekte nutzen. Laut Qz.com haben einige sogar mit ihren Notebooks geschürft. „Der Strom ist im Studentenwohnheim gratis, wieso also nicht Mining probieren“, sagt Arjun von der technischen Universität in Singapur.

Unis verzeichnen scheinbar keinen angestiegenen Stromverbrauch

Der zusätzliche Stromverbrauch scheint den Universitäten bislang nicht aufgefallen zu sein oder ihnen nichts auszumachen. Beim MIT, das mehrere Gebäude mit Wohnungen für Studenten hat, wird der Stromverbrauch nur für Gebäude gemessen und nicht pro Wohnung. Solange also nicht zu viele Miner im selben Gebäude sind, fällt der Mehrverbrauch nicht auf.

Mark ist dennoch vorsichtig und weiß bereits, welche Steckdosen er wie stark mit seinen Mining-Computern belasten kann. Wenn er bei bestimmten Steckdosen etwa die CPU zu weit übertaktet, fliegt die Sicherung raus. Passiert das zu oft, könnte das die Aufmerksamkeit des Campus-Management auf sich ziehen.

Keine Reaktion auf Anfrage

Qz.com hat bei Unis nachgefragt, was sie davon halten, dass die Studenten Kryptowährungen mit Unistrom schürfen. Die meisten haben auf die Anfragen nicht geantwortet. Mark und andere Studenten haben kein schlechtes Gewissen: Das Studium und die Kosten für das Studentenwohnheim seien ohnehin teuer genug.

Heiß im Sommer, gemütlich im Winter

Zwar zahlen die Studenten nichts für den Strom, dafür müssen sie aber mit Einbußen beim Komfort leben. „In meinem Zimmer läuft im Grunde permanent ein 2000-Watt-Heizstrahler“, so Mark: „Wenn ich Schokolade im Zimmer liegen lasse, schmilzt sie. Aber es ist nicht furchtbar unkomfortabel.“ Zumindest im Winter. Im Sommer wurde es in dem kleinen Studentenzimmer unerträglich heiß, sodass er zwei seiner stärksten Mining-Computer ins Zimmer seiner Freundin übersiedeln musste, die im Studentenwohnheim drei Stockwerke unter ihm wohnt.

Mining ist Anlass zum Beziehungsstreit

Rahul, ein Student an der Universität von Stanford, hatte deshalb schon öfters Streit mit seiner Freundin: „Mein Computer war sehr laut und stieß viel heiße Luft aus. Meine Freundin war sehr wütend darüber, dass er auch jede Nacht lief.“

Nicholas nutzte sein MacBook Pro zum Schürfen am College von Babson. Um es zu kühlen, ließ er das Fenster offen, auch im Winter: „Im Zimmer wurde es bis zu 2 Grad kalt. Ich zitterte im Bett, aber mein Computer war glücklich.“ Als er später einen eigenen Computer für das Schürfen zusammenstellte, hat er ihn mit Ventilatoren umringt, ihn zu kühlen und nicht mehr frieren zu müssen.

Patrick von der Penn State University hat das Hitzeproblem gelöst, indem er selbst ein Abluftsystem gebastelt hat, dass die heiße Luft von seinem PC aus durch das offene Fenster nach draußen transportiert. Dazu nahm er Röhren, die üblicherweise verwendet werden, um die heiße Luft von Wäschetrocknern nach draußen zu leiten.

Schürfende Studenten die Kryptowährungsfachkräfte der Zukunft?

Ein positiver Nebeneffekt zu den Nebeneinkünften ist, dass die Studenten durch das Mining viel über das Thema Kryptowährungen lernen, obwohl das nicht auf den Universitäten gelehrt wird. Falls die Kryptowährungs-Blase nicht platzt, könnten sie die Fachkräfte der Zukunft auf diesem Gebiet sein.

Akash von der Universität Boston hat etwa eine eigene Handelsplattform für Kryptowährungen, Alt-Options, aufgebaut, einige Monate nachdem er zum Schürfen begonnen hatte. Noch während seiner Studienzeit konnte er sie gewinnbringend verkaufen.

Manche haben auch Pech mit Bitcoin

Andere Studenten hatten weniger Glück. Rahul kaufte im Dezember 2013 ASIC-Hardware für mehrere tausend Dollar und schürfte in drei Monaten den damaligen Gegenwert von 10.000 US-Dollar in Bitcoin. Weil er fest daran glaubte, dass der Kurs steigen wird, kaufte er weitere Bitcoins im Wert von 10.000 US-Dollar von seinem eigenen Geld. Er bunkerte alles in der Tauschbörse Mt. Gox. Im Februar 2014 wurde diese gehackt, 740.000 Bitcoins wurden gestohlen. Die Börse erklärte bankrott, Rahul verlor seine gesamten Einlagen.

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