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Hochwasser: Scheitert Deutschland an funktionierendem Warn-System?

Ein Cell Broadcast hätte viele Menschen vor dem nahenden Hochwasser in Deutschland warnen können. Warum kam er nicht zum Einsatz?

Angela Merkel (r.) und Armin Laschet (l.) im Hochwassergebiet
Deutschland tut sich mit der Einführung des Cell Broadcast schwer. Foto: Getty Images/Sascha Steinbach- Pool

Seit Tagen schon toben im Westen der Republik die Fluten. Das Hochwasser in Deutschland hat mittlerweile mehr als 100 Leben und Hunderte Existenzen gefordert. Als Grund für die Katastrophe wird immer wieder das sich wandelnde Klima genannt. In der Stunde der Not wäre zudem eine rasche Aufklärung der Betroffenen von Nöten gewesen. Cell Broadcast, ein Dienst, der Anwohner:innen vor dem nahenden Unglück hätte warnen und sie über ihre Optionen hätte anleiten können, ist in Deutschland aber offenbar nicht umsetzbar.

Angela Merkel (r.) und Armin Laschet (l.) im Hochwassergebiet

Hochwasser: Scheitert Deutschland an funktionierendem Warn-System?

Ein Cell Broadcast hätte viele Menschen vor dem nahenden Hochwasser in Deutschland warnen können. Warum kam er nicht zum Einsatz?

Cell Broadcast: Was ist das überhaupt?

In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und auch Bayern haben die Wassermassen Menschen verletzt, ganze Häuser mitgerissen und die Infrastruktur zerstört. Was von Beginn an fehlte waren rechtzeitige Warnungen. Dabei haben nicht nur öffentlich-rechtliche Medienanstalten ihren Einsatz verpasst, sondern lange vorher auch die zuständigen Bundesämter. Zumindest die Zahl der Verletzten und Toten hätte möglicherweise durch einen Cell Broadcast reduziert werden können.

Im Katastrophenfall soll es Behörden durch Dienste wie diesen ermöglicht werden, alle Betroffenen innerhalb einer bestimmten Funkzelle zu warnen. Dies geschieht mittels Nachrichten ähnlich einer SMS. Das Warn-System ist seit Einführung der GSM-Netze in allen Mobilfunkstandards vorgesehen.

EU-Alert erst 2022 geplant

Beim Hochwasser in Deutschland konnte der Dienst aber nicht eingesetzt werden. Woran das liegt, erklärte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) schon 2018. „Cell Broadcast ist in Deutschland aus rechtlichen und technischen Gründen nicht möglich“, hieß es damals in einem Tweet. „Der Versand via SMS birgt zudem die Gefahr, dass es zu einer Netzüberlastung kommt und die Nachricht die Adressaten nicht oder mit erheblicher Verspätung erreicht.“

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Seitdem hat sich aber einiges getan. Im Dezember desselben Jahres passte der Rat der Europäischen Union die entsprechende Maxime an. Die Richtlinie zum europäischen Kodex für elektronische Kommunikation (European Electronic Communications Code, EECC) sieht daher mittlerweile ein Warnsystem zum Zivilschutz vor. Bis zum 21. Juni 2022 müssen also alle EU-Mitgliedstaaten ein System wie den Cell Broadcast einrichten.

Politiker und Experten im Widerspruch

„Ich sehe keine Argumente, die komplett dagegen sprechen“, erklärt nun der Präsident des BBK, Armin Schuster, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Es gilt aber, eine Reihe von Themen durchzusprechen. Denn bisher bietet kein Mobilfunkanbieter das System an. Und es ist teuer.“ Auch müsse man datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber teile letztere Bedenken zum Warn-System nicht, so das RND. „Tatsächlich wäre diese Lösung sogar sehr datenschutzfreundlich, weil sie keine Daten sammelt, sondern nur wie ein Radiosender Informationen verschickt.“

Kritik an der Medienlandschaft

Doch geraten mit dem Hochwasser in Deutschland nicht nur die zuständigen Ämter in Bedrängnis. So macht mitunter die Neue Züricher Zeitung (NZZ) auf die Versäumnisse der Medien aufmerksam. Ins Visier rücken dabei insbesondere öffentlich-rechtliche Anstalten wie WDR und ZDF. Sie wären, so die NZZ, in der Verantwortung gewesen, Anwohner:innen aufzuklären und anzuleiten.

Zugleich hätten auch andere, darunter ein Mitarbeiter von Kachelmannwetter, darauf hingewiesen, dass eine „fortwährende Begleitung des Ereignisses mit den immer wieder gleichen Informationen, wie man sich am besten verhält“ nötig gewesen wäre. Bild Live sei wiederum schnellstmöglich zur Stelle gewesen, habe sich aber stark im Ton vergriffen und vornehmlich die Qualität der eigenen Aufnahmen in den Vordergrund gestellt.

Quelle: EUR-Lex, Twitter/BKK_Bund, Neue Zürcher Zeitung, Redaktionsnetzwerk Deutschland

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