Katherina Reiche hat im Mai 2025 das Amt der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie übernommen. Sie verfolgt das Ziel, Energieversorgung verlässlich zu machen und Stromkosten zu senken. Ihr Ministerium trägt auch einen neuen Namen, um diese Neuausrichtung zu unterstreichen. Zwar lobte sie ihren Vorgänger Robert Habeck, doch sie machte deutlich, dass sie einen anderen Kurs einschlagen wolle. In ihrer ersten Rede stellte sie klar, dass die Energiepolitik sich an der Realität orientieren müsse.
Niedrige Stromkosten für die Industrie
Reiche plane, die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau zu reduzieren, berichtet Table.Media. Diese Maßnahme würde Haushalte direkt entlasten und ist grundsätzlich machbar, kostet den Staat aber jährlich mehrere Milliarden Euro an Einnahmen. Das Wirtschaftsministerium prüfe außerdem, ob der Staat einen Teil der Netzentgelte übernehmen kann. Zusätzlich setze sie sich für einen Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde (kWh) ein.
Davon sollen besonders Unternehmen profitieren, die unter hohen Stromkosten leiden. Allerdings müssten für diese Subvention Milliarden aufgebracht und eine Genehmigung der Europäischen Kommission eingeholt werden – beides ist unsicher.
Für Reiche ist die Energiewende zwar ein Erfolg, sie fordert aber einen realistischeren Blick. Erneuerbare Energien liefern noch keine zuverlässige Versorgung zu jeder Tages- und Nachtzeit. Reiche will deshalb den Bau neuer Gaskraftwerke beschleunigen. Ziel ist es, bis 2030 eine Kapazität von bis zu 20 Gigawatt (GW) zu schaffen. Dieser Zeitplan ist sehr ambitioniert: Planung, Genehmigung und Bau solcher Anlagen dauern im Schnitt sechs bis sieben Jahre. Ohne zügige Ausschreibungen riskiert das Engpässe oder eine Rückkehr zu teureren Notlösungen wie Kohlekraft.
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Weitere Maßnahmen in Arbeit
Auch Maßnahmen wie die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid (Carbon Capture and Storage, CCS) und dessen Nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU) sollen stärker eingesetzt werden. Aktuell erlaubt das Kohlendioxidspeicherungsgesetz jedoch nur Pilotprojekte. Damit solche Verfahren eine relevante Rolle spielen, braucht es neue gesetzliche Rahmenbedingungen, Infrastruktur für CO2-Transporte und tragfähige Finanzierungsmodelle. Frühestens in den 2030er-Jahren wird man in größerem Umfang Wirkungen spüren können.
„Zum Realitätscheck gehört auch, den Erneuerbaren-Ausbau räumlich und zeitlich besser mit dem Netzausbau zu synchronisieren“, zitiert das Bundesministerium Reiche in einer Pressemitteilung. „Wir werden für eine gründliche Bestandsaufnahme sorgen und dann das Thema mit hoher Priorität angehen.“ Der Stromausfall auf der iberischen Halbinsel im April 2025 sei für sie ein Warnsignal. Sie zeigte sich überzeugt: Schlechte Koordination zwischen Anlagenbau und Infrastruktur gefährdet die Versorgung.
Doch auch hier ist die Realität herausfordernd: Von den benötigten rund 16.800 Kilometern Stromautobahnen sind erst etwa 3.600 Kilometer genehmigt. Bis Ende 2025 sollen es 4.400 Kilometer werden. Ohne eine massive Beschleunigung droht das Stromnetz zum Engpass zu werden – Industrie Haushalte bekommen das schon jetzt in Form hoher Stromkosten und instabiler Versorgung zu spüren.
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Spürbare Entlastung möglich
Für deutsche Haushalte könnten Reiches Pläne kurzfristig spürbare Entlastungen bringen. Eine Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum senkt die monatlichen Energiekosten direkt. Auch die Übernahme von Teilen der Netzentgelte durch den Staat würde sich vor allem in Regionen mit hohen Netzgebühren positiv auf die Stromrechnung auswirken. Diese Maßnahmen setzen jedoch voraus, dass ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen und eine verlässliche Umsetzung gelingt.
Langfristig hängen die Auswirkungen stark davon ab, wie schnell neue Kraftwerke gebaut und Stromnetze modernisiert werden. Bleiben Genehmigungen, Planungsverfahren und Ausschreibungen weiter langsam, drohen Engpässe oder stark schwankende Preise.
Quellen: Table.Media; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
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