Für viele ist sie eine alljährliche Belastung: die Steuererklärung. Sie kostet Zeit, Nerven – und bei manchen schlicht Überwindung. Gerade gegen Ende der Abgabefrist steigt der Druck. Doch jetzt gibt es neue Bewegung in der Debatte. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG) will das Verfahren grundlegend ändern – und für viele komplett abschaffen.
Steuererklärung automatisieren
Bis zum 31. Juli 2025 muss die Steuererklärung für das Jahr 2024 beim Finanzamt eingehen. Wer eine Steuerberatung nutzt, hat bis Ende April 2026 Zeit. Doch auch mit Fristverlängerung bleibt der Aufwand hoch: Im Schnitt investieren Steuerpflichtige in Deutschland laut einer Erhebung aus dem Jahr 2019 neun bis zehn Stunden in ihre Erklärung – mit dem unguten Gefühl, womöglich etwas falsch zu machen.
Digital möglich ist die Abgabe seit Langem – über das Online-System Elster (Elektronische Steuererklärung), das 1999 eingeführt wurde. Trotzdem nutzen bislang nur rund 58 Prozent diese Option, wie eine aktuelle Analyse des Branchenverbands Bitkom zeigt. Und selbst digital bleibt der Aufwand beträchtlich.
Daher fordert die DSTG nun einen radikal neuen Ansatz: Für viele Arbeitnehmer*innen soll die klassische Steuererklärung komplett entfallen. Stattdessen sollen alle notwendigen Daten automatisch beim Finanzamt eingehen, die Erklärung wird vorab erstellt, muss anschließend nur noch geprüft und freigegeben werden.
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„Pauschalen statt Einzelabrechnungen“
„Ich bin dafür, die Steuererklärung für Arbeitnehmer gänzlich abzuschaffen“, erklärt Gewerkschaftschef Florian Köbler der Berliner Morgenpost. „Technisch ist dieses Modell nicht nur möglich, sondern wurde von vielen Ländern wie etwa Österreich bereits erfolgreich etabliert.“ Auch Estland, Schweden und Dänemark gehen bereits mit gutem Beispiel voran:
- In Österreich müssen viele Arbeitnehmer*innen gar nichts mehr tun. Stellt das Finanzamt fest, dass eine Rückerstattung fällig ist, wird diese automatisch ausgezahlt – ganz ohne Antrag.
- Estland gehört zu den digitalen Vorreitern. Dort ist die Steuererklärung meist bereits vollständig vorausgefüllt. Alle relevanten Daten – von Banken, Versicherungen, Arbeitgebern – laufen automatisch zusammen. Die meisten Est*innen bestätigen ihre Erklärung mit wenigen Klicks.
- Auch in Schweden ist der Aufwand minimal. Steuerpflichtige erhalten ein vorausgefülltes Formular und können es bequem per App, SMS oder sogar Anruf bestätigen.
- In Dänemark stellt die Steuerbehörde jährlich eine fertige „Årsopgørelse“ (Jahresabrechnung) bereit. Nur wenn etwas geändert werden muss, ist eine Rückmeldung nötig.
Umso deutlicher fällt das Postulat der DSTG aus. „Wir fordern, dass das Steuerrecht einfacher wird – weniger Formulare, weniger Nachweise, mehr digitale Lösungen“, so Köbler. „Pauschalen statt Einzelabrechnungen, wo immer es geht. Das würde Millionen Menschen viel Zeit, Nerven und Geld sparen.“ Von einem verständlichen Steuerrecht würden alle profitieren und niemand lasse mehr Steuervorteile liegen.
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Versprechen der Politik
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist die Steuervereinfachung bereits als Ziel verankert:
„Wir setzen uns für eine Steuervereinfachung durch Typisierungen, Vereinfachungen und Pauschalierungen ein, damit unser Steuersystem von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird.“
Ferner kündigte die Bundesregierung im Rahmen ihrer Vereinbarung an, insbesondere eine Arbeitstagepauschale zu prüfen, mit der Werbungskosten für Arbeitnehmer*innen gebündelt werden könnten. Auch die Besteuerung von Rentner*innen solle einfacher werden. Grundsätzlich wolle man beide Gruppen so weit wie möglich von Erklärungspflichten entlasten. „Wir werden bei jedem steuerrelevanten Gesetzgebungsverfahren auf Vereinfachung und Digitalisierbarkeit achten“, heißt es.
Zwar erlaubt § 150 der Abgabenordnung (AO) schon seit Anfang der 2000er die elektronische Übermittlung, doch setzen viele Regelungen weiterhin auf manuelle Eingaben. Auch das Onlinezugangsgesetz 2.0 (OZG 2.0), das alle Verwaltungsleistungen digital zugänglich machen soll, hat bisher nur begrenzte Wirkung entfaltet.
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Wenn, dann richtig
Automatisierte Steuererklärungen versprechen vor allem eines: Entlastung. Sie sparen Zeit, reduzieren Fehlerquellen und können das Vertrauen in den Staat stärken. Gleichzeitig stellen sich wichtige Fragen: Was ist mit dem Datenschutz? Wie lässt sich der Zugang für weniger digitalaffine Menschen sicherstellen? Und wie gerecht bleibt das System?
Trotz dieser Herausforderungen sieht die DSTG vor allem Chancen – und hofft auf politischen Rückenwind. Es brauche ein zentrales, nutzungsfreundliches Serviceportal der Finanzverwaltung mit KI-Unterstützung, persönlichem Steuerbereich und digitalen Hilfen – und das möglichst schnell. „Nur so können Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen von einem digitalen, modernen und effizienten Service profitieren.“
Quellen: „The Income Tax Compliance Costs of Private Households: Empirical Evidence from Germany“ (Public Finance Review, 2019); Bitkom e.V.; Berliner Morgenpost; Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD; Abgabenordnung; Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierug
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