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Big Brother Awards: Facebook, Tinder und Amazon für schlechten Datenschutz ausgezeichnet

In Wien ist wieder die Negativ-Preise für die größten Datenschutzverstöße des Jahre verliehen worden. Facebook gewann gleich aus zwei Gründen.

Big Brother Award
Die Big Brother Awards wurden traditionell am Vorabend des Nationalfeiertags im Rabenhoftheater verliehen. Foto: quintessenz/Joanna Pianka

Einmal im Jahr werden die Big Brother Awards vom Verein quintessenz für die größten Datenschutz-Verstöße des vergangenen Jahres vergeben. Die Verleihung der Negativ-Preise fand traditionell am Abend vor dem österreichischen Nationalfeiertag am Mittwoch im Rabenhof-Theater statt.

Das diesjährige Motto der Awards lautete „Privacy Sale“. „Fast hat es den Eindruck, dass unsere Privatsphäre wie in einem Schlussverkauf verramscht wird. Die meisten Unternehmer versuchen nicht nur den Umsatz zu steigern, sondern auch, so viele Daten wie möglich von uns zu erhaschen, auf der Suche nach weiteren Einnahmeströmen und Kundenbindungszwangsmaßnahmen“, heißt es seitens der Veranstalter.

„Weltweiter Datenhunger“: Amazon mit gruseligem Firmenziel

In der Kategorie „Weltweiter Datenhunger“ wurde dieses Jahr Amazon für seine smarte Heimassistenten-Serie Echo ausgezeichnet. „Amazon verfolgt ein gruseliges Firmenziel: Sie möchten an jeder Transaktion, die weltweit gemacht wird, einen Anteil haben.“ Echo sei ein „Spion im Wohnzimmer, der das private Echo in die Cloud übertrage“, heißt es seitens der quintessenz. Die sieben integrierten Mikrofone mit Richtstrahltechnologie würden auch dann zuhören können, wenn laute Musik den Raum bespielt. Damit konnte sich Amazon gegen Facebook und Dating-Plattform Tinder durchsetzen.

„Kommunikation und Marketing“: Facebook mit depressiver und antisemitischer Werbung

Facebook kam aber auch dieses Jahr nicht an einer Auszeichnung vorbei. In der Kategorie „Kommunikation und Marketing“ bekam die US-Firma von Mark Zuckerberg einen Negativ-Award, weil sie aus Profitgründen Firmen erlaubt, depressiven Teenagern Werbung anzuzeigen.

„Jugendliche, die einen Großteil ihrer Kommunikation über das Internet abwickeln, gestatten damit natürlich tiefere Einblicke in ihre psychologischen Mentalzustände. Wieweit sind Profiling und psychologische Analysen unter Jugendlichen ethisch vertretbar? Sollen Werbekunden Jugendliche gezielt mit ihrer Werbebotschaft erreichen können, in Momenten, in denen junge Menschen einen Vertrauensschub brauchen?“ Facebook habe zudem antisemitische Werbung zugelassen, die laut Gesetz verboten war, heißt es.

Damit hat sich der Konzern gegen den Staubsaugerroboter Roomba und eine Sony-Überwachungskamera, die durch einen Backdoor kompromittiert werden konnte, durchgesetzt.

„Business und Finanzen“: Brot kaufen nur mit Karte

In der Kategorie „Business und Finanzen“ wurde ein österreichisches Unternehmen ausgezeichnet. In einer Filiale des Grazer Bäckers Martin Auer im Geidorf-Viertel kann man nur noch Brot kaufen, wenn man würdig oder alt genug ist für eine Bankomat- oder Kreditkarte mit NFC-Funktion. Brot und Semmeln gibt es in der Filiale ausschließlich mit bargeldloser Bezahlung.

„Gerade in Zeiten, wo Kreditkartenfirmen nicht nur die Zahlung abwickeln, sondern diese Transaktionsinformationen weitergehend genutzt werden, sollten Kunden nicht gezwungen werden, jede einzelne Transaktion über eine Karte abwickeln zu müssen“, heißt es seitens des Vereins quintessenz. Der Grazer Bäcker konnte sich damit gegen Sonos durchsetzen. Besitzer der smarten Lautsprecher der Marke riskieren, dass sie keine Musik mehr hören können, wenn sie die neuen AGB ablehnen.

Auch ein Patent von Mastercard zur Erkennung dicker Menschen stand auf der Liste der Nominierten.

„Behörden und Verwaltung“: ID am Smartphone

In der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ wurde das W3C-Gremium ausgezeichnet, dass im neuen EME-Standard für Browser ein DRM-Kopierschutz als Standard festgelegt hatte. Die Bürgerrechtsorganisation EFF verließ daraufhin aus Protest das Gremium. Dies erregte die Gemüter der Jury offenbar mehr als die Video-Vignette der ASFINAG oder IDA – die ID am Smartphone.

„Politik“: Sobotkas Ausweitung des Überwachungsstaates

In der Kategorie „Politik“ landete der „Bundestrojaner reloaded“ des österreichischen Justizministers Wolfgang Brandstetter dieses Jahr nicht auf dem Sieger-Platz – der Minister wurde 2016 mit einem Big Brother Award ausgezeichnet. Stattdessen ging die Negativ-Auszeichnung dieses Jahr an den Innenminister Wolfgang Sobotka für seine Pläne zur Ausweitung des Überwachungsstaates, das umstrittene Sicherheitspaket, das letztendlich kurz vor der Nationalratswahl gescheitert ist.

Ebenfalls nominiert war zudem die gesamte (abgelaufene) Bundesregierung für das unüberlegte „Durchwinken“ des Datenschutzanpassungsgesetzes zur EU-Datenschutzreform, die im Mai 2018 in Kraft treten wird.

Innenminister Sobotka räumte dieses Jahr übrigens noch einen zweiten Preis ab: In der Sonderkategorie „Überwachungswahn und Peoples Choice“ wurde er ebenfalls ausgezeichnet.

Privacy Week

Die Big Brother Awards waren dieses Jahr erneut Teil der Privacy Week, eine Veranstaltungsreihe zum Thema Privatsphäre, die in Wien noch bis zum 29.10. mit spannenden Vorträgen und Workshops im Volkskundemuseum stattfindet.

Disclaimer zwecks Transparenz: futurezone-Redakteurin Barbara Wimmer war 2017 Jurymitglied bei den Big Brother Awards.

Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.

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