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Versuchskaninchen: Andorra fungiert als „living lab“ für Stadtentwickler

Der Zwergstaat in den Pyrenäen hat sich dem MIT als Versuchskaninchen angeboten. Andorra finanzierte ein Forschungsprojekt zur Stadtentwicklung – dadurch soll die Infrastruktur verbessert werden.

Mit der CityScope Andorra lassen sich urbane Daten auf einer Modellumgebung visualisieren und interaktiv verarbeiten. Foto:

Andorra zählt mit seinen rund 78.000 Einwohnern und einer Fläche von nur 468 Quadratkilometern zu den kleinsten Ländern der Welt. Von hohen Bergen und den großen Nachbarn Frankreich und Spanien umgeben, gibt es nur wenig Außergewöhnliches über das Land zu berichten – am auffälligsten ist noch der Umstand, dass sich der amtierende französische Präsident und der Bischof des katalanischen Bistums Urgell die Position des andorranischen Staatsoberhaupts teilen. Ansonsten kam Andorra in letzter Zeit nur im Zuge der Finanzkrise als Steueroase in die Schlagzeilen.

MIT Media Lab

Dabei hätte Andorra durchaus ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient, denn seit einigen Jahren finanziert der Kleinstaat ein groß angelegtes Forschungsprojekt des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Forscher der City Science Initiative des MIT Media Lab nutzen die Infrastruktur des Landes als „living lab“. Das heißt, sie testen dort innovative Lösungen für die Probleme urbaner Gebiete der Gegenwart und der Zukunft.

2014 traf sich Kent Larson, der Direktor der City Science Initiative erstmals mit Vertretern der andorranischen Regierung. Damals wurde das Langzeitziel des Projekts festgelegt: die Entwicklung Andorras zum ersten „Smart Country“ der Welt. Dazu sollen Daten gesammelt, vernetzt und analysiert werden, um das Leben der Andorraner in möglichst vielen Bereichen zu erleichtern.

Riesiges Versuchslabor

Für die Forscher stellt die Kooperation mit Andorra die einzigartige Möglichkeit dar, ihre Konzepte und Modelle in der Praxis zu testen. „Stadtforschung, die sich auf menschliche Interaktionen konzentriert, muss unter Alltagsbedingungen getestet werden“, sagt Larson. Dazu haben die Forscher des MIT in Andorra die Möglichkeit.

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CityScope Andorra und PEV

Mittlerweile sind mehrere Projekte des Forscherteams umgesetzt worden. CityScope Andorra ist eine Kombination aus 3D-Modell und Augmented Reality mit der urbane Daten visualisiert und mit der in Echtzeit Simulationen durchgeführt werden können. Die Plattform steht Stadtplanern und normalen Bürgern gleichermaßen offen. Interaktiv kann so getestet werden, welchen Einfluss etwa die Höhe von Gebäuden oder die Anlage von Parks auf die Verkehrsdynamik eines Stadtgebiets hat.

Da Andorra von starken Verkehrsproblemen geplagt ist – es gibt weder einen Flughafen, noch eine Bahnstrecke, im gebirgigen Terrain werden fast alle Wege mit dem Auto zurückgelegt – wurde das PEV (Persuasive Electric Vehicle) entwickelt. Das PEV ist ein ultraleichtes, dreirädriges, autonomes Fahrzeug, das auf Fahrradwegen genutzt werden kann und so die Straßen entlasten soll. Im nächsten Schritt soll eine kleine Flotte dieser Fahrzeuge im andorranischen Verkehr getesteten werden.

Was bringt die Zukunft?

In weiterer Folge sollen mehrere Projekte dieser Art zusammengeführt werden. Mit CityScope könnte man dann etwa erheben, welche Auswirkungen der Einsatz von PEVs auf das Verkehrsaufkommen hat. Das Sammeln von Daten im großen Ziel soll auch helfen Gebäude energieeffizienter zu gestalten. Zudem könnten durch eine Vernetzung verschiedener Projekte noch präzisere Daten erhoben werden.

Womöglich steht also bald eine Wachablöse bevor. Dann ist nicht mehr Estland das digitale Vorzeigeland in Europa, sondern der unscheinbare Pyrenäenstaat Andorra.

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