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Daten aus dem Gehirn müssen geschützt werden, fordern Neurobiologen

Unsere Hirnaktivität könnte bald besser erfasst werden als Handydaten. Deshalb fordern Neurowissenschaftler einen umfangreichen Datenschutz – damit Manipulationen gar nicht erst stattfinden können.

Illustration eines Gehirns
Künstliche Intelligenz macht gerade vor der Hirnforschung nicht Halt. Foto: imago

Kaum ein Wissenschaftsbereich ist heute von künstlicher Intelligenz ausgenommen. So auch die Neurowissenschaft, also die Gehirnforschung. Dort treiben vor allem sogenannten Neurotechnologen ihre Entwicklungen mit KI voran. Wenn es allerdings um die Messung von Gehirnaktivitäten geht, fehlt offenbar noch eine ethische und rechtliche Grundlage zum Umgang mit diesen Daten.

Therapeutische Eingriffe ins Gehirn werden bereits seit zwei Jahrzehnten angewendet, zum Beispiel bei der Tiefen Hirnstimulation (THS) für Parkinson-Patienten, die Hirnaktivitäten werden allerdings nur zu Forschungszwecken registriert.

Allerdings haben Forscher der Universität Freiburg bereits im November 2017 darauf hingewiesen, dass es auch im nicht-medizinischen Umfeld Produkte gibt, die die Hirnaktivität aufzeichnen und zum Zwecke ihrer Hersteller analysieren und verbreiten könnten, zum Beispiel Kopfhörer für mehr Konzentration und Stressabbau.

„Die persönlichsten Daten überhaupt“

Das nützt natürlich Menschen mit Behinderung, die mit den Geräten Kraft ihrer Gedanken ganze Sportwettkämpfe austragen können. Im Fachmagazin Nature warnten die Freiburger Forscher allerdings vor massenhafter Auswertung und drohender Manipulation von Hirndaten.

„Daten der Hirnaktivität sind unsere persönlichsten Daten überhaupt. Wir brauchen dringend eine gesellschaftliche Debatte, wie Hirndaten genutzt werden dürfen, bevor die Konzerne Fakten schaffen“, warnte Dr. Philipp Kellmeyer, Wissenschaftler an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und einziger europäischer Ko-Autor des Artikels.

Google, Facebook und Co. und das US-Militär

Damit nicht genug: Auch große Tech-Unternehmen wie Google, Facebook und Tesla investieren jährlich an die 100 Millionen Dollar in Neurotechnologien – und haben sich beim Thema Datenschutz bisher nicht unbedingt beliebt gemacht. Und auch das US-Militär nutzt Gehirn-Computer-Schnittstellen zur Anwendung bei Patienten mit Depressionen, bipolaren Störungen oder sogar zur Steuerung von Drohnen. Es will auch Implantate entwickeln, die menschliche Gehirne direkt mit Computern verbinden sollen.

Das internationale Forscherteam um Kellmeyer hat auch Vorschläge dazu unterbreitet, welche Themen ihrer Ansicht nach in der Diskussion nicht fehlen dürfen. In ihrem Aufruf geht es nicht nur um ein Handelsverbot mit den Daten der Patienten beziehungsweise Nutzern der Mensch-Maschine-Schnittstellen, sondern eben auch um die ethische Frage nach Verantwortung und Identität.

Menschenrechte erweitern

Der Ärztezeitung zufolge berichtete 2016 ein THS-Patient, er hätte nach der Behandlung mit dem Hirnstimulanten letztlich nicht mehr gewusst, wer er war. Derartiges wollen Kellmeyer und seine Kollegen verhindern. Sie fordern sogar, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte um einen Passus zum Schutz der Hirnaktivität zu erweitern. Auch eine geschlechterspezifische Diskrminierung bei der Auswertung der Daten soll so verhindert werden.

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