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„Aus dem Nichts“: Neuer Fund stellt Evolution auf die Probe

Eine neue Studie legt nahe, dass die Evolution als Prozess weit dynamischer ablaufen könnte als bisher gedacht. Anhaltspunkt dafür sind sogenannte Mikroproteine.

Evolution des Menschen
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Vom Affen zum Menschen: An diesem Punkt war die Wandlung vollendet

Der Zeitpunkt, wann der Affe sich zum Menschen entwickelte, ist schwer zu bestimmen.Vor rund 300.000 Jahren soll der Homo sapiens geschaffen worden sein.Aber erst vor rund 65.000 Jahren schuf der Mensch Werkzeuge, Artefakte und Kunst.

Charles Darwin gilt als Vater der modernen Evolutionstheorie. Doch war er längst nicht der erste, der von der Vererbung erworbener Merkmale ausging. So schlug der französische Botaniker und Zoologe Jean-Baptiste de Lamarck diese Betrachtungsweise schon im Rahmen seiner 1809 veröffentlichten „Philosophie zoologique“ vor. Und noch heute ist die Erforschung der Evolution und all ihrer vereinzelten Prozesse nicht in Gänze abgeschlossen. Das zeigt auch neue Beobachtung von Forschenden des Max Delbrück Center (MDC) in Berlin und des Princess Máxima Center for Pediatric Oncology (PMC) im niederländischen Utrecht.

Studie nimmt erstmals Mikroproteine unter die Lupe

Unter Leitung von Professor Norbert Hübner (MDC) und Dr. Sebastiaan van Heesch (PMC) zeigte das Team auf, dass bislang als unwichtig abgetane Mikroproteine tatsächlich eine Schlüsselrolle in der evolutionären Entwicklung spielen. Doch nicht nur das: Sie sind auch die ersten, „die die Existenz von Tausenden neuer Mikroproteine in menschlichen Organen nachgewiesen haben“, betont Hübner.

Im Rahmen ihrer Arbeit untersuchte das Team um Hübner und van Heesch die Eiweiße systematisch. Dabei haben sie eine Reihe wichtiger Erkenntnisse über die winzigen Moleküle sammeln können. Sie könnten in mancher Hinsicht unser heutiges Bild der Evolution verändern.

Die Studie, die die Forschenden im Fachjournal Molecular Cell veröffentlichten, zeigt etwa, „in welchen Genomsequenzen die Proteine kodiert sind und wann in ihrer Entwicklung DNA-Mutationen aufgetreten sind“, ergänzt Dr. Jorge Ruiz-Orera. Er ist einer der drei Hauptautoren der Arbeit und in Hübners Labor als Evolutionsbiologe tätig.

Evolution womöglich „dynamischer als bisher angenommen“

Menschliche Mikroproteine sollen sich erst mehrere Millionen Jahre nach ihren größeren Vettern entwickelt haben. Nichtsdestotrotz sollen die verschiedenen Eiweiße dazu in der Lage sein, sich aneinander zu binden oder gar einander zu beeinflussen.

Dank vergleichsweise schneller Innovationen und Anpassungen könnten die kurzen Ketten, die weniger als 16 Aminosäuren enthalten, starken Einfluss auf unsere evolutionäre Entwicklung gehabt haben. Für van Heesch heißt das: „Möglicherweise ist die Evolution dynamischer als bisher angenommen.“

Wechselwirkung nicht zwingend gegeben

Die Interaktion zwischen den alten und jungen Generationen von Proteinen überraschte die Forscherinnen und Forscher. Allerdings weisen sie darauf hin, dass man diese Verbindungen nicht zwingend pauschalisieren könne.

„Wenn ein Mikroprotein an ein anderes Protein bindet, bedeutet das nicht unbedingt, dass es die Funktionsweise des anderen Proteins oder die Prozesse, an denen das Protein beteiligt ist, beeinflusst“, erklärt etwa Dr. Jana Schulz, Wissenschaftlerin in Hübners Team und am DZHK (Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung). Dennoch spreche die Fähigkeit zur Bindung für eine mögliche Wechselwirkung zwischen den beiden Arten.

Mikroproteine „aus dem Nichts“ aufgetaucht

Ruiz-Orera merkt an, dass Mikroproteine mehr oder weniger „aus dem Nichts“ erschienen seien – „mit anderen Worten, aus DNA-Regionen, die zuvor nicht mit der Produktion von Proteinen betraut waren“. Auch seien sie im Laufe der menschlichen Evolution aufgetaucht. Daher finde man die Moleküle nicht bei den meisten anderen Tieren. Mäuse, Fische und Vögel etwa würden jedoch über eine Reihe eigener junger, kleiner Proteine verfügen.

„Wir haben über 200 superkleine Proteine gefunden, die alle kleiner als 16 Aminosäuren sind“, sagt Dr. Clara Sandmann, die dritte Hauptautorin der Studie. „Unsere Arbeit zeigt nun, dass Peptide ähnlicher Größe auf andere Weise entstehen können.“

Peptide sind kurze Ketten von Aminosäuren, die weniger als 50-70 Aminosäuren enthalten. Im Gegensatz zu vollständigen Proteinen, die aus Hunderten oder Tausenden von Aminosäuren bestehen können, sind sie viel kleiner. Mikroproteine verfügen über eine noch geringere Anzahl an Aminosäuren.

Quellen: Max Delbrück Center; „Evolutionary origins and interactomes of human, young microproteins and small peptides translated from short open reading frames“ (Molecular Cell, 2023)

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