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Globaler Kollaps in den 2030ern: Simulationen zeigen beunruhigendes „Untergangsszenario“

Eine neue Studie zeigt, wie sich Klimawandel und menschengemachte Stressoren auf Ökosysteme in aller Welt auswirken könnten.

Überlappende Biome
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Klimawandel: Die Auswirkungen auf Natur und Gesellschaft

Der menschengemachte Klimawandel verändert unsere Welt mit vielfältigen Folgen. Welche Bereiche sind akut betroffen?

Aktuell erleben viele Ökosysteme weltweit tiefgreifende Veränderungen. Regenwälder mutieren zu Savannen oder landwirtschaftlich genutzten Flächen, Savannen verwandeln sich in Wüsten und die einst gefrorene Tundra beginnt zu tauen. Forscherinnen und Forscher schlagen Alarm und warnen, dass der Klimawandel die Schwelle überschreiten könnte, bei der mehr als 20 Prozent der globalen Ökosysteme einem starken Wandel unterliegen oder sogar vollständig kollabieren.

Klimawandel: Menschengemachte Stressoren beschleunigen Kipppunkte

Diese beunruhigenden „Regimewechsel“ in den Ökosystemen seien in mehr als 20 verschiedenen Regionen dokumentiert, schreiben die Klimaforscher John Dearing, Gregory Cooper und Simon Willcock. Das Fortschreiten dieser Zusammenbrüche könnte ihnen zufolge viel schneller erfolgen als vorhergesagt, wobei der Mensch als wesentlicher Katalysator wirke. Eine aktuelle Studie, die das Team gemeinsam mit dem Datenwissenschaftler John Addy im Fachjournal Nature Sustainability veröffentlichte, zeigt, dass die Kombination aus vom Menschen verursachten Stressfaktoren für Ökosysteme und klimabedingten Wetterextremen diese Kipppunkte um bis zu 80 Prozent beschleunigen könnte.

Mit Hilfe von Computermodellen, die das zukünftige Verhalten und die Reaktionen der Ökosysteme auf veränderte Bedingungen vorhersagen, versuchen die Forscher zu verstehen, wie viel Stress Ökosysteme aushalten können, bevor sie zusammenbrechen. In die Studie flossen zwei verallgemeinerte ökologische Modelle ein, die Wälder und die Wasserqualität von Seen darstellen, sowie zwei ortsspezifische Modelle, die die Fischerei in der Chilika-Lagune in Odisha, Indien, und auf der Osterinsel (Rapa Nui) im Pazifischen Ozean beschreiben.

Im Fall des Chilika-Sees zum Beispiel, in dem über 150.000 Menschen leben, bleibt das Ökosystem stabil, solange ein Gleichgewicht zwischen dem Fang erwachsener Fische und der Anzahl der Jungfische besteht. Wenn jedoch Stressfaktoren wie der erhöhte Fang von Jungfischen während der Fischknappheit die Toleranzgrenze des Systems überschreiten, wird der Kipppunkt des Ökosystems erreicht, was zu seinem Zusammenbruch führt.

Globaler Kollaps in den 2030ern erwartet

Nach über 70.000 Simulationen mit allen vier Modellen stellten die Forscher fest, dass die Kombination von Stress und Extremereignissen den voraussichtlichen Zeitpunkt des Kipppunkts um 30 bis 80 Prozent vorverlegt. Das bedeutet, dass der Kollaps des globalen Ökosystems, der bisher für das Ende des Jahrhunderts vorhergesagt wurde, viel früher eintreten könnte, möglicherweise in den 2030er Jahren.

Interessanterweise sind etwa 15 Prozent der Ökosystemzusammenbrüche in den Simulationen auf neue Belastungen oder Extremereignisse zurückzuführen – auch wenn der Hauptbelastungsfaktor konstant blieb. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die Entwicklung von Stressoren und Extremereignissen aufmerksam zu beobachten, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Ökosysteme durch die Kontrolle der Hauptstressoren, wie etwa der Fischfänge, nachhaltig bewirtschaftet werden.

Zusammenbrüche könnten ausstrahlen

Die Geschwindigkeit der Stressanwendung spielt eine entscheidende Rolle beim Zusammenbruch eines Systems – ein Konzept, das wahrscheinlich nicht nur für ökologische Systeme gilt. Parallelen zu den jüngsten Finanzkrisen zeigen, dass die erhöhte Geschwindigkeit der Nachrichtenberichterstattung und die digitalen Bankverfahren das Risiko eines Bankenzusammenbruchs erhöhen.

Doch im Gegensatz zu Wirtschaftssystemen, in denen Finanzinstitute mit ausreichenden Kapitalspritzen von Regierungen gerettet werden können, haben Ökosysteme kein solches Sicherheitsnetz. Wenn ein Ökosystem einmal zusammenbricht, kann keine staatliche Soforthilfe es innerhalb eines angemessenen Zeitraums wiederherstellen, da es keine „ökologischen Rettungsaktionen“ gibt.

„Was uns wirklich Sorgen macht, ist die Tatsache, dass Klimaextreme bereits gestresste Ökosysteme treffen könnten, die wiederum neue oder verstärkte Belastungen auf ein anderes Ökosystem übertragen, und so weiter“, warnen die Forscher. „Das bedeutet, dass ein zusammenbrechendes Ökosystem über aufeinanderfolgende Rückkopplungsschleifen auch auf benachbarte Ökosysteme ausstrahlen könnte: ein ‚ökologisches Untergangsszenario‘ mit katastrophalen Folgen.“

Quelle: The Conversation; „Earlier collapse of Anthropocene ecosystems driven by multiple faster and noisier drivers“ (Nature Sustainability, 2023)

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