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Älteste Wandmalereien entdeckt – der Künstler soll „brutal und ungesellig“ gewesen sein

In der Archäologie stolperte man über einen Fund, der von den Neandertalern stammen muss. Das wirft ein neues Licht auf das Verhalten der ausgestorbenen Art.

Neandertaler in einer Höhle
© Rawf8 - stock.adobe.com

Eiszeit auf der Erde

Unsere Erde hat in den letzten 2,6 Millionen Jahren schon 50 Eiszeiten durchlebt. Diese wurden nur von wärmeren Perioden unterbrochen. Auch in der Zukunft kann der Blaue Planet wieder von einer Eiszeit übermannt werden.

Die Archäologie ermöglicht es uns, längst ausgestorbene Gesellschaften zu verstehen. Zu ihnen zählt etwa der ausgestorbene Verwandte des modernen Menschen – der Neandertaler. Bisher wissen wir recht wenig über die Kultur dieser frühen Zivilisation. Doch ein Fund in einer französischen Höhle wirft nun ein ganz anderes Bild auf die damalige Bevölkerung.

Archäologie-Fund ist über 50.000 Jahre alt

Der Fund, den die Archäologie aktuell erfreut, ist circa 57.000 Jahre alt. Damit sind die Abbildungen im Stein der La Roche-Cotard im heutigen Frankreich die ältesten Neandertaler-Spuren der Welt. Bisherige Analysen deuten sogar daraufhin, dass sie noch älter sein könnten und womöglich sogar die 75.000 Jahre überschreiten.

Zu sehen sind diverse Linien, Kurven und Punkte, die von der damals dort ansässigen Weltbevölkerung, den Neandertalern, erschaffen sein müssen. Damals teilten sie sich den Planeten mit dem Homo Sapiens, aus dem du und ich uns letztendlich entwickelten. Die Neandertaler hingegen starben vor 40.000 Jahren aus, sodass nur der Erbschaftsstrang des Homo Sapiens überblieb.

Mehr Wissen über den Neandertaler nötig

Doch noch heute findet sich Neandertaler-DNA in unseren Genen, da die Stränge vor dem Aussterben eng miteinander verwoben waren. Das beweisen weitere Archäologie-Ausgrabungen und biologische Analysen. Doch darüber hinaus wissen wir wenig über unseren inzwischen weit entfernten Verwandten.

Entsprechend haben die Spuren einen hohen Wert für die Archäologie. Der aktuelle, sehr gut erhaltene Fund zählt in jedem Falle dazu. Dass die Abbildungen überhaupt in so einem tadellosen Zustand sind, ist der Tatsache zu verdanken, dass die Höhle lange verschütt lag. Das muss kurz nach Entstehung der Wandmalereien geschehen sein. Erst 1846 legten Steinbrüche den Zugang frei. Ausgrabungen fanden zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht statt. Es vergingen noch einmal 70 Jahre bis der damalige Grundstücksbesitzer den Archäologie-Fund 1912 überhaupt entdeckte.

Archäologie: Höhle schon lange Forschungsgegenstand

Man ging bisher davon aus, dass der Neandertaler im Gegensatz zum Homo Sapiens gerade im kognitiven Bereich weniger entwickelt war. Nicht umsonst wird die Bezeichnung der alten Weltbevölkerung auch gerne als Beleidigung verwendet.

Der Leiter der aktuellen Studie zur archäologischen Untersuchung Jean-Claude Marquet besuchte die La Roche-Cotard bereits 1975. Doch auch für ihn war das Bild in der Archäologie des ungebildeten Neandertalers damals derart präsent, dass er es nicht als kulturellen Wert interpretieren konnte:

„Ich sah diese parietalen Spuren zum ersten Mal im Jahr 1975, nachdem ich die Erlaubnis zum Betreten der Höhle erhalten hatte. Ich habe auf dem Gelände zwischen 1976 und 1978 drei Ausgrabungen in der Höhle und vor der Höhle durchgeführt. Damals konnte man den Neandertaler nicht als Künstler bezeichnen, da er als völlig anders als der Sapiens galt, brutal und ungesellig.“

Inzwischen hat sich Marquets Meinung stark verändert. Die Bilder zeigen, dass die Neandertaler „ausgeklügelte und organisierte soziale Verhaltensweisen zeigten, die keine offensichtlichen Unterschiede zu denen ihrer Zeitgenossen, der anatomisch modernen Menschen südlich des Mittelmeers, aufweisen“, zitiert ihn vice.

Auch andere Archäologie-Funde legen nahe, dass die Neandertaler doch komplexer waren als bisher angenommen. Sie sollen etwa Totenbräuche gehabt, also etwa ihre Verstorbenen beigesetzt haben. Doch auch die rudimentären Abbildungen in der La Roche-Cotard weisen darauf hin, dass die Neandertaler nicht nur ein Selbstverständnis von sich und ihrer Existenz, sondern auch ein künstlerisches vorzuweisen hatten.

Eine ganz besondere Höhle

Für die Archäologie ist es ärgerlich kaum mehr aus den Zeichnungen lesen zu können. Die französische Höhle besteht aus drei Abschnitten, wobei die ersten beiden zweimal bewohnt gewesen sein müssen. Die Wandmalereien befinden sich im hintersten, dritten Bereich und werden von braunen Wänden aus sehr hartem Sandstein geziert.

„Wenn man bedenkt, dass Menschen (zweimal) im ersten Raum der Höhle lebten, ohne häufig den Raum (den dritten) zu betreten, in dem sich die Gravuren befinden, finde ich das sehr überraschend und man fragt sich, ob dieser Raum einen ganz besonderen Charakter hatte; aber es wird offensichtlich unmöglich sein, viel mehr darüber zu erfahren“

Jean-Claude Marquet

Doch die Bedeutung der Kreise und Linien bleibt unklar. „Sie wurden von ausgestorbenen Völkern für ihre Zeitgenossen geschaffen. Darüber hinaus ist es im Moment die erste Entdeckung dieser Art und dieser Größenordnung. Wenn in Zukunft neue Entdeckungen gemacht werden, würde dies eine bessere Wahrnehmung der grafischen Entscheidungen und Verhaltensweisen der Neandertaler-Gesellschaften ermöglichen“, hofft der Archäologe und Co-Autor der Studie Eric Robert.

Quelle: vice, „The earliest unambiguous Neanderthal engravings on cave walls: La Roche-Cotard, Loire Valley, France“ (Plos One, Juni 2023)

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