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Sibirien: Diese Wesen sind nach 46.000 Jahren aus dem Permafrost erwacht

Mehr als 45.000 Jahre lang haben sich diese Wesen nicht bewegt und kein Anzeichen von Leben gezeigt. Doch mit einfachen Mitteln konnten Forschende ihnen wieder Leben einhauchen.

Eisige Höhle in Sibirien
© Andrew - stock.adobe.com

Vom Affen zum Menschen: An diesem Punkt war die Wandlung vollendet

Der Zeitpunkt, wann der Affe sich zum Menschen entwickelte, ist schwer zu bestimmen.Vor rund 300.000 Jahren soll der Homo sapiens geschaffen worden sein.Aber erst vor rund 65.000 Jahren schuf der Mensch Werkzeuge, Artefakte und Kunst.

In Sibirien gelang es Forschenden mehrere Fadenwürmer auszumachen. Die Untersuchungen zeigten, dass sie einer längst ausgestorbenen Gattung angehören und seit 46.000 Jahren im Eis eingesperrt sind. Doch dieser Fund wäre keine Sensation, wenn die Würmer nicht noch mehr als ihre leblosen Körper zu bieten hätten. Durch einen besonderen Trick konnte das Team sie wiederbeleben.

Sibirien: Fadenwürmer beherrschen Kryobiose

Bei den wiederbelebten Fadenwürmern handelt es sich im mikroskopisch kleine Tiere. In Fachkreisen nennt man sie auch Nematoden oder Spulwürmer. Hierbei handelt es sich um eine unglaublich anpassungsfähige Gruppe an Tieren, wie der Fund in Sibirien beweist.

Und zwar sind die Nematoden in der Lage unter Extrembedingungen, die die Temperaturen im Permafrostboden von Sibirien definitiv darstellen, in den Zustand der sogenannten Kryobiose einzutreten. Hier kommt es zu einem extremen Herunterfahren aller Stoffwechselprozesse. „Kryptobiose befindet sich an der Schnittstelle zwischen Leben und Tod“, zitiert vice Philipp Schiffer, Evolutionsbiologe an der Universität zu Köln und Mitautor der Studie zu den sibirischen Fadenwürmern.

So sind die Würmer wieder aufgewacht

Um die Tierchen aus diesem Zustand wieder aufzuwecken, braucht es lediglich angenehme Temperaturen, ein paar Nährstoffe und ein Fadenwurm-freundliches Umfeld. Das haben Schiffer und Kolleg*innen nach der Bergung der Tiere in Sibirien einfach herstellen können.

Inzwischen kennen die asexuellen Wesen nur ein Ziel: Vermehrung. Dafür braucht es keinen Geschlechtsakt zwischen Männlein und Weiblein. Stattdessen besteht die gesamte Kolonie aus Sibirien nur aus Weibchen, die einfach ihre Eier legen.

Neue Erkenntnisse für die Evolutionsbiologie

Für Schiffer und Co. ist die heranwachsende Population optimal, um weitere Untersuchungen vorzunehmen. „Ihre Evolution wurde buchstäblich 40.000 Jahre lang ausgesetzt“, erläutert der Evolutionsbiologe. Durch den Vergleich mit anderen Populationen von Nematoden, die es auf der ganzen Welt gibt, lassen sich demnach Evolutionsprozesse verstehen und nachbilden.

Bei dem Fund in Sibirien handelt es sich obendrein um die bisher ältesten Fadenwürmer. Zuvor entdeckte Nematoden waren maximal 41.000 Jahre alt. Durch die Entdeckung können Forschende also nun zusätzliche Jahrtausende in die Vergangenheit blicken. Das Alter der Fadenwürmer erhob das Team durch die Radiokarbonanalyse der Permafrostformationen entlang des Kolyma-Flusses, also dem Fundort der Wesen.

Kyrobiose genauer verstehen (und nachbilden?)

Obendrein stammen sie ursprünglich von der funktionell ausgestorbenen Art namens Panagrolaimus kolymaensis ab, die der Wissenschaft bisher unbekannt war, heißt es in der zum Thema veröffentlichten Studie. Auch hier gibt es also viel neues Wissen zu erlangen.

Bevor die Fadenwürmer in Sibirien geborgen und aufgetaut wurden, durchstreiften sie die Landschaft in einer prähistorischen Zeit zusammen mit den Neandertalern und Schreckenswölfen (Canis dirus). Dann haben sie ihre Evolution durch die Kryobiose einfach pausiert und leben jetzt zusammen mit acht Milliarden Menschen, dem Internet und der fortschreitenden Klimakrise im Jahr 2023. Schiffer und Kolleg*innen erhoffen sich, auch diesen besonderen Stoffwechselprozess genauer verstehen zu können.

„Die Untersuchung des Prozesses ermöglicht es uns zu verstehen, wie Arten dies auf genetischer und biochemischer Ebene tun. Da viele Lebensräume extrem werden, können wir hier natürlich viel darüber lernen, wie sich Arten im Zuge des globalen Wandels entwickeln könnten“ Womöglich ist die Kyrobiose auch eines Tages notwendig, um das Fortbestehen der menschlichen Art zu sichern.

Quelle: vice, „A novel nematode species from the Siberian permafrost shares adaptive mechanisms for cryptobiotic survival with C. elegans dauer larva“ (Genetics, Juli 2023)

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