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ADHS: Überraschende Erkenntnis – Störung könnte in Wahrheit großen evolutionären Vorteil haben

ADHS wird vielerorts diskutiert und immer Menschen werden mit der Störung diagnostiziert. Aber ist sie wirklich ein Problem? Laut einer neuen Studie könnte sie einst von großem Vorteil gewesen sein.

Mann reibt sich die Schläfen, im Hintergrund viele Linien und Striche durcheinander.
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Seit einigen Jahren erhalten die mentale Gesundheit von Menschen und damit zusammenhängende psychische Konditionen immer mehr Aufmerksamkeit. Neben Depression und Angststörungen diagnostizieren Fachleute immer häufiger die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Laut einer neuen Untersuchung könnte sie aber vor langer Zeit von großem Vorteil gewesen sein.

ADHS: Genmutation von entscheidender Rolle

Ausgangslage für eine neue Versuchsanordnung ist eine Studie von 2008. Damals erforschten der Wissenschaftler Dan Eisenberg und sein Team das Erbgut der Ariaal, einem einzigartigen Stamm im Norden Kenias. Traditionell leben sie als Nomaden, doch im Laufe der Zeit ließen sich einige dauerhaft nieder, während andere weiter umherzogen.

Bei den Untersuchungen kam heraus, dass sie alle die Genmutation DRD4/7R in sich trugen. National Geographic nannte es einst das „Entdecker-Gen“ – das aber auch viele Menschen mit ADHS gemeinsam haben. Für gewöhnlich gibt es eine Korrelation zwischen DRD4/7R und Rastlosigkeit sowie Unkonzentriertheit.

Bei den Ariaal-Kindern in sesshaften Lebensumständen zeigte sich dann ein Zusammenhang mit schlechter Gesundheit und Ablenkungen in der Schule. Bei nomadisch lebenden Personen hingegen stellte man einen Zusammenhang mit Stärke und besserer Ernährung und Gesundheit fest.

Auch interessant: Wer Probleme mit der Konzentration hat, könnte es einmal mit „body doubling“ probieren. Der Netz-Trend soll gegen Ablenkung helfen und bei ADHS Wirkung gezeigt haben.

DRD4/7R je nach Lebensumständen hilfreich

Allgemein stellte man eine Verbindung zwischen DRD4/7R und größerem Essens- und Drogenverlangen, der Suchen nach Neuem und ADHS-Symptomen her, erklärte Eisenberg in einem Begleitartikel.

„Es ist möglich, dass unter nomadischen Umständen ein Junge mit diesem Allel [Genvariante, Anm. d. Red.] effektiver Vieh gegen Räuber verteidigen und Essen und Wasserquellen lokalisieren könnte.“ Dieselben Tendenzen seien aber nicht von Vorteil, wenn es um beständigere Ziele geht wie sich auf die Schule zu konzentrieren, Ackerbau oder Güter verkaufen.

Menschen mit ADHS bessere Ressourcensammler

Daraus ergab sich eine spannende Hypothese: Könnten die ADHS-Eigenschaften in Wahrheit von Vorteil für einen Stamm sein, indem manche von ihnen zu Entdeckerinnen und Entdeckern werden? Das haben jetzt David Barack von der University of Pennsylvania und sein Team in einem Test herausfinden wollen.

Insgesamt 450 Personen sollten für die Studie an einem virtuellen Spiel teilnehmen, bei dem man in acht Minuten so viele Beeren wie möglich sammeln sollte, indem man mit dem Mauscursor über einen Busch zeigte. Jedes Mal, wenn sie denselben Busch nutzten, erhielten sie weniger Beeren. Probierten sie einen neuen, erhielten sie eine Zeitstrafe.

Personen mit ADHS gingen früher zu neuen Büschen über und fanden dadurch auch mehr Beeren als andere. Andersherum tendierten Menschen ohne Diagnose dazu, einzelne Büsche zu stark zu ernten. Auch mit Hinblick auf optimale Erntestrategien schnitten Menschen mit ADHS besser ab. Dies stellt zwar noch kein finales Ergebnis zu möglichen evolutionären Vorteilen dar. Es könne aber eine Erklärung dafür sein, warum es immer noch in der Menschheit überdauert hat.

Quellen: „Dopamine receptor genetic polymorphisms and body composition in undernourished pastoralists: An exploration of nutrition indices among nomadic and recently settled Ariaal men of northern Kenya“ (BMC Ecology and Evolution 2008), EurekAlert!, „Attention deficits linked with proclivity to explore while foraging“ (Proceedings oft he Royal Society B 2024), National Geographic

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