Ein internationales Forschungsteam hat die Wolken in der Antarktis genau untersucht. Dabei sind sie zu neuen überraschenden Ergebnissen gelangt, die möglicherweise mit vulkanischer Aktivität und signifikanten Warmlufteinbrüchen zusammenhängen. Diese Erkenntnisse sind entscheidend für die Verfeinerung von Klimamodellen und das Verständnis regionaler Klimaveränderungen.
Antarktis: Große Unsicherheiten bei Klimaprojektionen
Die Antarktis und der Südliche Ozean sind wichtige Bestandteile des globalen Klimasystems. Doch galt das Klima am Südpol im letzten Jahrhundert als relativ stabil, sind nun erhebliche Veränderungen zu beobachten. Klimaprojektionen deuten darauf hin, dass sich das Innere der Antarktis im 21. Jahrhundert um mehr als 3 Kelvin erwärmen, die Meereisausdehnung um etwa 30 Prozent abnehmen und die Niederschläge zunehmen werden.
Solche Projektionen sind jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet und die globalen atmosphärischen Zirkulationsmodelle sind noch nicht in der Lage, die Wolkenbedeckung und die Strahlungsantriebe über dem Südpolarmeer korrekt wiederzugeben. Diese falsche Darstellung der Wolken führt zu verzerrten Schätzungen der Wärmestrahlung und der Meeresoberflächentemperatur. Darüber hinaus muss, um jede Veränderung in einer Umgebung wie der Antarktis festhalten zu können, auch ihr aktueller Zustand so gut wie möglich dokumentiert werden.
Ein aktuelles Leipziger Forschungsprojekt hat nun neue Einblicke in die Wolken in der Antarktis geliefert und Warmlufteinbrüche, extrem saubere Luft in Bodennähe und Sulfataerosole in großen Höhen offenbart. Von Januar bis Dezember 2023 führten die Forscher*innen die erste bodengestützte Untersuchung der vertikalen Verteilung von Aerosolpartikeln und Wolken in der Atmosphäre durch. Ihre Ergebnisse haben sie vor Kurzem im Bulletin of the American Meteorological Society veröffentlicht.
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Artktis-Expedition war Vorbild
Die Beobachtungen wurden mit der Plattform OCEANET-Atmosphere des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) durchgeführt. Die Plattform war zuvor während der MOSAiC-Expedition 2019 ein Jahr lang auf dem Forschungsschiff Polarstern durch die Arktis gedriftet. „Mit den MOSAiC-Beobachtungen konnten wir erstmals zeigen, dass die Atmosphäre am Nordpol stärker verschmutzt ist als bisher angenommen. Doch wie sieht es über der Antarktis aus? Glücklicherweise hatten wir die Möglichkeit, unseren OCEANET-Container dort ein Jahr lang zu betreiben“, erklärt Dr. Ronny Engelmann vom TROPOS.
Im Januar 2024 wurde der OCEANET-Container abgebaut, an den Rand des Schelfeises transportiert und auf das Versorgungsschiff verladen. Im März trafen die Geräte in Leipzig ein, das DFG-Projekt COALA war abgeschlossen und die Forschenden zogen Bilanz: „Alle Geräte haben durchgehalten und wertvolle Daten aufgezeichnet“, berichtet Martin Radenz, ebenfalls Wissenschaftler des TROPOS.
„Das freut uns besonders, denn in der Polarnacht hätte es Monate gedauert, bis ein Ersatzteil eingetroffen wäre. Dabei halfen uns unsere Erfahrungen aus der MOSAiC-Expedition drei Jahre zuvor in der Arktis sehr. Trotzdem war es eine echte Herausforderung, die Geräte sturmsicher zu machen und fast täglich vom Schnee zu befreien“, so Radenz weiter. Für ihn und sein Team hat sich der Aufwand jedoch gelohnt. Denn die Messungen lieferten wichtige neue Erkenntnisse zur Antarktis im Klimawandel.
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Vulkanausbrauch hat direkten Einfluss auf Antarktis
So ergaben die Messungen zum einen Aufschluss darüber, wie viele Partikel über der Antarktis schweben und in welchen Höhen. Der untere Teil der Atmosphäre war meist vergleichsweise sauber. Dagegen beobachtete das Team unerwartet viele Partikel zwischen einer Höhe zwischen 9 und 17 Kilometern, also der Stratosphäre. Die optischen Eigenschaften dieses Aerosols deuten auf Sulfataerosol hin, das vor allem durch Vulkanausbrüche entsteht. „Diese Aerosole wurden seit Januar 2023 in der Stratosphäre beobachtet und stehen daher höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Januar 2022“, sagt Radenz.
„Dass Vulkanstaub sehr lange über der Südpolarregion bestehen kann, hat uns ebenso überrascht wie der Waldbrandrauch über der Nordpolarregion, den wir während der MOSAiC-Expedition 2020 erstmals beobachten konnten“, berichtet Ronny Engelmann. Zudem fanden die Forscher*innen heraus, dass warme Luft aus niedrigeren Breiten den Klimawandel in der Antarktis verstärken könnte. Dafür analysierten sie zwei extreme Warmlufteinbrüche im Detail.
Einen mit intensiven Schneefällen im April, die 10 Prozent der Schneemenge eines ganzen Jahres brachten, und einen zweiten mit rekordverdächtigen Höchsttemperaturen und starker Bodenvereisung durch unterkühlten Nieselregen im Juli. Während dieser Warmphase stieg die Temperatur in der Antarktis am 6. Juli 2023 auf -2,3 Grad Celsius. Radenz erklärt: „Das ist die höchste Temperatur, die an der deutschen antarktischen Neumayer-Station im Juli seit Beginn der kontinuierlichen Messungen im Jahr 1982 gemessen wurde. Damit war es dort mitten in der Polarnacht, dem Höhepunkt des antarktischen Winters, noch nie so warm.“
Quellen: Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung, „Ground-Based Remote Sensing of Aerosol, Clouds, Dynamics, and Precipitation in Antarctica: First Results from the 1-Year COALA Campaign at Neumayer Station III in 2023” (Bulletin of the American Meteorological Societ, 2024)
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