Dass es vor Millionen Jahren mehr als nur eine menschliche Spezies gab, sollte vielen bereits bekannt sein. Doch wie diese sich mit- oder auch gegeneinander verhalten haben, stellt für die Forschung immer noch ein wahres Rätsel dar. Eine neue Entdeckung könnte diesbezüglich aber einen wichtigen Einblick in die menschliche Evolution liefern.
Evolution: Neue Entdeckung im heutigen Kenia
Evolutions-Forscher*innen haben schon seit längerem darüber spekuliert, wie viele der verschiedenen Gattungen Mensch sich in der Frühzeit überhaupt begegnetet sind. Doch eine Entdeckung in der Savanne im heutigen Kenia scheint darüber nun Auskunft zu geben. Denn versteinerte Fußabdrücke zeigen, dass vor mehr als einer Million Jahren sich dort sehr wahrscheinlich zwei völlig unterschiedliche Homininen-Arten trafen.
„Hominin“ ist ein neuerer Begriff, der alle lebenden und ausgestorbenen Organismen, die zur menschlichen Abstammungslinie gehören, umfasst. Also die Lebewesen, die nach der Abspaltung von den Vorfahren der Menschenaffen entstanden. Diese soll vor etwa 6 bis 7 Millionen Jahren geschehen sein, wie es einer offiziellen Pressemitteilung der Rutgers University in New Jersey heißt.
Die Fußabdrücke stammen aus einer Zeit vor etwa 1,5 Millionen Jahren. Die Forscher*innen geben an, dass dies das erste Beispiel von zwei Sätzen von Homininen-Fußabdrücken ist, die etwa zur gleichen Zeit hinterlassen wurden. Ihre Erkenntnisse haben sie vor Kurzem im Fachmagazin Science veröffentlicht.
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„lebendige Momentaufnahmen“
Craig Feibel, Professor für Erd- und Planetenwissenschaften und Co-Autor der Studie, forscht seit den 1980er Jahren in Kenia. Die Entdeckung bezeichnete er als „ein klein wenig Zufall“. So wurden die fossilen Fußabdrücke im Jahr 2021 gesichtet, als ein Team unter der Leitung von Paläontologin Louise Leakey an der Stelle fossile Knochen zunächst fand.
Doch die Fußabdrücke stellen für die Forschung eine ganz andere Relevanz dar, als die biologischen Überreste der Homininen. Die „Fußabdrücke sind spannend, weil sie lebendige Momentaufnahmen liefern, die unsere fossilen Verwandten zum Leben erwecken“, erklärt Professor Kevin Hatala, Hauptautor der Studie.
„Mit diesen Daten können wir sehen, wie sich lebende Individuen vor Millionen von Jahren in ihrer Umgebung bewegten und möglicherweise miteinander oder sogar mit anderen Tieren interagierten. Das ist etwas, was wir aus Knochen oder Steinwerkzeugen nicht wirklich gewinnen können,“ fügt Hatala hinzu.
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Noch viele Fragen offen
„Die Fußabdrücke sind bedeutend“, bestätigt auch Feibel. Laut den Forscher*innen stammen sie von den Spezies Homo erectus und Paranthropus boisei, den beiden häufigsten lebenden Menschenarten des Pleistozäns. In der Wissenschaft wurde schon lange angenommen wurde, dass diese fossilen Menschenarten koexistierten.
Beide Spezies hatten eine aufrechte Haltung, gingen zweibeinig und waren sehr beweglich. Homo erectus, ein direkter Vorfahre des Menschen existierte noch 1 Million Jahre nach dem Hinterlassen der Fußspuren weiter. Paranthropus boisei starb jedoch innerhalb der nächsten paar hunderttausend Jahre aus. Die Forschung weiß bis heute nicht, warum.
Ebenfalls ist wenig darüber bekannt, wie diese koexistierenden Spezies sowohl kulturell als auch reproduktiv miteinander interagierten. Die Fußabdrücke liefern daher einen wichtigen Einblick in diese Fragen der menschlichen Evolution. „Dies beweist zweifelsfrei, dass nicht nur ein, sondern zwei verschiedene Homininen auf derselben Oberfläche liefen, buchstäblich innerhalb weniger Stunden nacheinander“, fasst Feibel zusammen und fügt hinzu: „Die Vorstellung, dass sie gleichzeitig lebten, ist vielleicht keine Überraschung. Aber dies ist das erste Mal, dass es demonstriert wird. Ich denke, das ist wirklich großartig.“
Quellen: University Rutgers, „Footprint evidence for locomotor diversity and shared habitats among early Pleistocene hominins“ (Science 2024)
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